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Offener Brief

Verpflichtende Sprachtests sofort abschaffen!

Mit einem offenen Brief wendet sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern an die bayerische Kultusministerin, Frau Anna Stolz und Ihre Kollegin im Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, Frau Ulrike Scharf.

Sehr geehrte Frau Kultusministerin Stolz, sehr geehrte Frau Sozialministerin Scharf,

„Sprache ist der Schlüssel ins Leben! Nur mit ihr sind Integration, Teilhabe und Bildungserfolg möglich. Die Qualität in der frühkindlichen Bildung und die sprachliche Förderung unserer Kleinsten haben für den Freistaat Bayern oberste Priorität!“ (vgl. Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 26.04.2023). Dieser Aussage stimmen wir vollumfänglich zu.

Nun hat das bayerische Kabinett beschlossen, dass alle Kinder in Bayern vor dem letzten Kindergartenjahr einen verpflichtenden Sprachtest absolvieren müssen. Man will mit diesen verpflichtenden Tests bereits zum Schuljahr 2024/25 starten.

Diesen verpflichtenden Sprachtests erteilen wir eine klare Absage! 

Im Hinblick auf die in Bayern bereits vorhandenen Gegebenheiten, im Zuge derer die Förderung der Kinder im Kindergarten in speziell zu diesem Zweck etablierten Vorkursen bereits systematisch erfolgt, bringen Sprachtests keine Vorteile mit sich. Vielmehr würden diese ohnehin knappe Ressourcen weiter belasten und für die betroffenen Kinder starke emotionale Belastungen und Stress bedeuten.

Dem bereits etablierten System in Kita und Schule mangelt es derzeit vor allem an Personal. Für Kitas fordert die GEW seit Jahren verbindliche Fachkraft-Kind-Relationen, damit der Auftrag umfassend bewältigt werden kann. Die Beobachtung der Sprachentwicklung in Kitas braucht ausreichend Fachkräfte und Zeit.

Erzieher*innen in den Kindergärten erfassen bereits systematisch den Sprachstand der Kinder. Es gibt verbindlich anzuwendende Erfassungsbögen. Seit 2001/02 wird mit dem Vorkurs Deutsch ein schulisches Angebot gemacht – im letzten Kita-Jahr.

Sowohl das Fachpersonal in den Kindertagesstätten als auch die Lehrkräfte an den Grundschulen besitzen die Kompetenz, den Sprachstand und die Schulfähigkeit der Kinder einzuschätzen – auch ohne einen stigmatisierenden Sprachtest!

Inzwischen werden wegen des Lehrkräftemangels von schulischer Seite meist nicht fachlich ausgebildete Drittkräfte in den Vorkursen eingesetzt.

Schon jetzt wird mit den Eltern nach dem Einschulungsverfahren besprochen, ob, wenn nötig und möglich, ein weiteres Kindergartenjahr für die Entwicklung des Kindes sinnvoll wäre.

Was also sollten verpflichtende Sprachtests bringen – außer Ressourcen- und Zeitverschwendung?

Vier- bis sechsjährige Kinder werden in Schubladen einsortiert. Was passiert, wenn Kinder den Test nicht bestehen? Wird die Schulpflicht dann ausgesetzt? Bleiben die Kinder dann in der Kita? Wird den Kindern dann das Recht auf Schulbildung verweigert? Welches Mitspracherecht haben die Eltern?

Um allen Kindern gerecht zu werden, um sie in jeder Beziehung bestmöglich zu fördern, brauchen wir in den Kitas und in den Schulen Fachpersonal, qualifiziertes Personal für die Vorkurse, multiprofessionelle Teams, Schulpsycholog*innen, Beratungsfachkräfte und zusätzliches Personal, um im Team oder in kleinen Klassen bzw. Gruppen (ohne Selektion) zu unterrichten.

Wir bitten Sie daher, im Sinne der Kinder als auch hinsichtlich der Ressourcenschonung die verpflichtenden Sprachtests umgehend zurückzunehmen und stattdessen Ihr Augenmerk auf die Verbesserung der bereits etablierten und pädagogisch weit wertvolleren Vorkurse zu legen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Martina Borgendale                                                                                              
Vorsitzende der GEW Bayern                                                                                                          

Florian Kohl

Stellv. Vorsitzender GEW Bayern    

Ruth Brenner                                                            

Landesfachgruppe Grund- und Mittelschulen                           

Hilger Uhlenbrock

Landesfachgruppe Sozialpädagogische Berufe

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Martina Borgendale
Vorsitzende
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Hilger Uhlenbrock
Sprecher Vorstand Landesfachgruppe Sozialpäd. Berufe, Mitglied im Landesvorstand
Mobil:  0173 6 06 56 56