Stellungnahme
Lehrplan Islamischer Unterricht an Berufs- und Berufsfachschulen - Verbändeanhörung
Die GEW Bayern stimmt dem Lehrplanentwurf grundsätzlich zu und schlägt aber im Einzelnen Ergänzungen und Änderungen vor.
Wie bereits in Stellungnahmen zur Neufassung der Lehrpläne und zum Gesetzentwurf zur Änderung des BayEUG zum Islamischen Unterricht dargelegt, tritt die GEW Bayern für einen gemeinsamen bekenntnisunabhängigen Werteunterricht für alle Schüler*innen ein.
Einer Änderung des BayEUG und der BaySchO stimmten wir trotz einiger Kritikpunkte jedoch aus Gründen der Gleichbehandlung und aus organisatorischen Gründen grundsätzlich zu.
In unserer Stellungnahme orientieren wir uns am Aufbau des Lehrplanentwurfs.
Einführung
1 Bildungs- und Erziehungsauftrag von Berufsschule und Berufsfachschule
Als zentrales Ziel wird hier die Entwicklung umfassender berufsbezogener und berufsübergreifender Handlungskompetenz mit einem differenzierten Bildungsangebot genannt.
Von unserer Seite ist in diesem Zusammenhang auch das Angebot eines inklusiven Unterrichts mit entsprechender individueller Förderung sehr zu begrüßen.
3 Verbindlichkeit des Lehrplans
Hier ist positiv hervorzuheben, dass im Entwurf vorgesehen ist, dass die Lehrperson die Möglichkeit hat, bei einigen Inhalten frei zu wählen. Auch der Hinweis, „auf aktuelle Ereignisse, Entwicklungen und Probleme sowie auf spezifische Interessen der Schülerinnen und Schüler einzugehen“ deckt sich mit unseren Vorstellungen eines zeitgemäßen Unterrichts.
Fachprofil
1 Selbstverständnis und Zielsetzung des Unterrichtsfaches Islamischer Unterricht (IU)
1. Absatz
Im Vergleich zum Ethiklehrplan für BS und BFS fehlt hier der Verweis auf Art. 131 der Bayerischen Verfassung. Dies sollte ergänzt werden, da auch dieser für den Bildungsauftrag an bayerischen Schulen und besonders auch in einem IU mit „ethisch ausgerichteten Lernbereichen“ (s. im folgenden Absatz) bedeutend ist.
2. Absatz
Die Zielsetzung, dass „allgemein ethisch ausgerichtete Lernbereiche „Miteinander leben“ und „Religionen und Weltanschauungen“ „die Lernbereiche mit überwiegend islamkundlicher Gewichtung“ „umrahmen“ sollen, klingt vernünftig. Diese Zielsetzung wird nach unserer Ansicht aber in den Ausarbeitungen des Lehrplans nicht deutlich genug (s. zum Kompezenzstrukturmodell unten).
3. Absatz
Wir schlagen vor, am Ende noch folgenden Satz zu ergänzen: "Hierbei soll auch der Bezug zur Ausbildungs- und Arbeitswelt verdeutlicht werden."
2 Kompetenzorientierung im Fach Islamischer Unterricht
2.1 Kompetenzstrukturmodell
Wie oben bei der Stellungnahme zu Selbstverständnis und Zielsetzung bereits angemerkt, fällt uns hier auf, dass von den acht Gegenstandsbereichen des Kompetenzstrukturmodells allein sechs islamkundliche Inhalte betreffen. Damit haben diese Bereiche ein Übergewicht gegenüber den allgemeineren Bereichen „Miteinander Leben“ und „Religionen und Weltanschauungen“.
Zwar wird der Bereich „Miteinander Leben“, der aus unserer Sicht für Schülerinnen und Schüler und die Gesellschaft besonders wichtig ist, auch bildlich den anderen vorangestellt. Aber als „Leitidee“ sollte er nicht nur in der 10. Klasse, wie es im Teil „Struktur des Lehrplans“ vorgesehen ist, sondern in allen Jahrgangsstufen zentraler Inhalt sein.
2.2 Prozessbezogene Kompetenzen
Teilhaben und teilnehmen
Folgende Ergänzung schlagen wir hier vor: „...sich in die Gestaltung des gemeinschaftlichen Lebens in Betrieben, Gemeinden und Gesellschaft einzubringen.“
2.3 Gegenstandsbereiche
Miteinander leben
Auf diesen Gegenstandsbereich sind wir oben bereits eingegangen. Dazu noch eine weitere Anmerkung:
Im LP werden hier „die Erfordernisse eines friedlichen Zusammenlebens im Rahmen des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats“ betont. Es wäre sinnvoll, hier auch auf Aufgaben des Freistaats Bayern und der Bundesrepublik Deutschland als Sozial- und Kulturstaat einzugehen. Auch dies hat erheblichen Einfluss auf ein gelingendes Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger.
Fachlehrplan
Lernbereich 10.1: Miteinander leben
Kompetenzerwartungen |
Hier heißt es im Entwurf:
Die Schülerinnen und Schüler
verdeutlichen die Notwendigkeit von Autoritäten bzw. Hierarchien in beruflichen und privaten Lebensbereichen. Wir schlagen folgende Ergänzung vor: „erkennen, dass es in einer Demokratie zahlreiche Möglichkeiten der Mitbestimmung gibt (s. Grundgesetz, s. Erklärung der Menschenrechte). Auch Kinder und Jugendliche haben Rechte.“ Inhalte zu den Kompetenzen
Hier fehlen unserer Ansicht nach konkretere Bespiele aus der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler: z. B. Beleidigungen, Mobbing, Diskriminierung wegen sexueller Orientierung...
Neben dem Grundgesetz sind hier auch die Bayerische Verfassung, insbesondere Art. 128 (Recht auf Bildung), Art. 131 (Bildungsziele), Art. 133 (anerkannte Religions- und weltanschauliche Gemeinschaften als Bildungsträger) und Art. 137 (Unterricht über die allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit = Ethik) zu nennen.
Zu den genannten Artikeln schlagen wir eine Erweiterung um Art. 9 III GG (Koalitionsfreiheit und Streikrecht) und Art. 20 GG (Demokratie und Sozialstaat) vor.
Der Begriff „Emanzipation“ sollte durch „Gleichstellung“ oder „Gleichberechtigung“ ersetzt werden. „Emanzipation“ suggeriert, dass die Gleichstellung der Frau noch zu vollziehen wäre. Sie ist jedoch ein Grund- und Menschenrecht. Außerdem wären bei den Beispielen noch „Familie und Partnerschaft“ zu ergänzen, da auch hier Aspekte der Emanzipation/Gleichberechtigung/Gleichstellung wirken. Lernbereich 11.1: Religionen und Weltanschauungen Kompetenzerwartungen Die Schülerinnen und Schüler …
Folgende Ergänzung wird vorgeschlagen: „und nichtreligiöser/nichtkonfessioneller Weltanschauungen und der Ethik“ Inhalte zu den Kompetenzen Hier wird ausführlich auf die Weltreligionen eingegangen. Lernbereich 11.2: Propheten Inhalte zu den Kompetenzen
Folgende Ergänzung wäre unserer Ansicht nach wichtig: „…Umgang mit allen Mitmenschen verschiedenster Kulturen,“ „Religionen“ und Weltanschauungen.
Inhalte zu den Kompetenzen
Zu den dort genannten Beispielen wäre noch zu ergänzen: Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften, Streikrecht, Ausbildungsvertretungen und Betriebsräte. Als ein weiteres Beispiel könnte genannt werden: Wasser (Gemeingut im Islam). Dies ist spezifisch islamisch. Lernbereich 12.2: Geschichte und Geographie des Islams Inhalte zu den Kompetenzen
Wir finden, dass dieser Punkt von fundamentaler Bedeutung für den Unterricht und die jungen Menschen ist. Er sollte deshalb einen großen Raum einnehmen und sich nicht allein auf Falschinformationen zum Islam beziehen. Fragen nach Quellen, Urheber und möglichen Manipulationen von Informationen sollten ausführlich und sinnvollerweise auch fächerübergreifend behandelt werden. Eine Orientierung am Lehrplan für die Berufsschule und die Berufsfachschule/ Unterrichtsfach Ethik, hier Lernbereich 12.2.2: Digitale Ethik, wäre denkbar.
Dieses bedeutende Thema verlangt nach einer Ausweitung hin zur gesellschaftlichen, politischen und philosophischen Dimension z. B. durch Gespräche über die Friedensbewegung, über Friedenspolitik oder auch durch Beschäftigung mit Kants Position: Einen Frieden zu schaffen, der mehr ist als die Abwesenheit von Krieg, in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“. Schlussgedanke: Außer mit den Inhalten dieses Lehrplanentwurfs zum Islamischen Unterrichts an Berufs- und Berufsfachschulen haben wir uns auch mit der Umsetzung an unseren Schulen vor Ort beschäftigt. Schüler und Schülerinnen sollten eine freie Wahl haben, ob sie an Ethik, IU oder sogar mit entsprechender Erlaubnis an einem Religionsunterricht teilnehmen. Idealerweise sollte von Schulseite darauf kein Einfluss genommen werden, selbst wenn die entsprechend ausgebildeten Lehrkräfte noch fehlen oder eine vorgeschriebene Zahl von Anmeldungen nicht vorliegt.
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