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Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit

Beugehaft für Sozialarbeiter*innen?

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt derzeit gegen Fußballfans. Vorwurf: Einsatz von Pyrotechnik bei einem Fußballspiel im April, der zu Verletzten geführt hatte. Vorgeladen und von Strafe bedroht sind jedoch nicht nur die Beschuldigten selbst.

Sozialarbeiter*innen, die im Karlsruher Fanprojekt beschäftigt sind, hatten nach dem Vorfall auf Wunsch der Fanszene ein persönliches Gespräch mit Geschädigten organisiert. Dies nahm die Staatsanwaltschaft zum Anlass, sie zur Vernehmung vorzuladen, weil sie vermutet, dass möglicherweise Informationen zum Tathergang an die Sozialarbeiter*innen gelangt sind.

Bei Weigerung, über eigentlich vertrauliche Gesprächsinhalte mit Klient*innen auszusagen, droht als Strafe ein Ordnungsgeld von bis zu 1.000€, im äußersten Fall sogar eine Beugehaft von bis zu sechs Monaten. Alle Sozialarbeiter*innen verweigerten in der ersten Vernehmung die Aussage und wurden dafür mit einem Ordnungsgeld belegt. Dies erzielte jedoch keine Wirkung: auch in einer zweiten Vernehmung stellten die Kolleg*innen ihr Berufsethos über ihr persönliches Wohl und gaben keine Auskünfte. Die Reaktion der Staatsanwaltschaft steht noch aus. Sie könnte die Sache auf sich beruhen lassen und auf Aussagen aus dem Fanprojekt verzichten. Auch die Anordnung eines weiteren Ordnungsgeldes ist möglich. Beugehaft wäre in diesem Fall vermutlich unverhältnismäßig, liegt aber rein rechtlich im Bereich des Möglichen. 

Der aktuelle Fall zeigt erneut, wie dringend überfällig ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit ist. Die Kolleg*innen erfüllten ihren öffentlichen Auftrag klassischer Sozialer Arbeit und halfen, mit allen Beteiligten im Netzwerk die Vorfälle gemeinsam aufzuarbeiten und zu reflektieren. Schon mit der Ladung wird die Basis ihrer Arbeit untergraben, denn Beziehungsarbeit ist ohne Vertrauensverhältnis nicht möglich. Sozialarbeiter*innen können von Klient*innen als unfreiwillige Ermittlungshilfe für die Polizei angesehen oder bewusst über Vorgänge nicht informiert werden, damit sie nicht in eine derartige Lage geraten. Eine Verweigerung bedeutet wie im aktuellen Fall ggf. monatelange Unsicherheit und Stress, Zeitaufwand, wirtschaftliche Einbußen und das Damoklesschwert der Beugehaft. Dass dies Kolleg*innen aufgebürdet wird, die lediglich den Grundsätzen ihrer Profession folgen, ist ein unhaltbarer Zustand. Daher steht auch der Träger des Projekts, der Stadtjugendausschuss Karlsruhe hinter den Betroffenen und hat eine Stellungnahme veröffentlicht.  

Den Betroffenen gilt unsere volle Solidarität! Sie sind mit ihrem Konflikt sicher nicht alleine. Wir werden weiter über diesen Fall berichten und hoffen, dass er weitere Kolleg*innen und Organisationen dazu ermuntert, das Problem zu benennen und für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit zu streiten. 

Dafür suchen wir auch weiterhin Mitstreiter*innen und Fallbeispiele.

Mehr Informationen zum Fall und den Hintergründen finden sich im sehr lesenswerten Artikel des Fußballmagazins ballesterer und auf der Website des Bündnis Zeugnisverweigerungsrecht. Solidaritätserklärungen aus der Fußballszene sind etwa bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte, der Eisernen Hilfe und den Supporters Karlsruhe zu finden.

Kontakt
Mario Schwandt
Gewerkschaftssekretär im Organisationsbereich sozialpädagogische Berufe (Nordbayern)
Adresse c/o GEW Sozialpädagogisches Büro, Kornmarkt 5-7
90402 Nürnberg
Telefon:  0911 289204
Mobil:  0151 53 50 78 63
Fax:  0911 289 206