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DDS Ausgabe Mai 2023

TVöD Warnstreiks und das Thema "Antiziganismus"

Als die Redaktion diesen Schwerpunkt für die DDS wählte, waren wir hinsichtlich des Titels unsicher. Reproduzieren wir mit der Fremdbezeichnung »Antiziganismus«, die ein Konstrukt der Mehrheitsgesellschaft darstellt, nicht die Diskriminierungen, die mit dem rassistischen Z-Wort einhergehen?

Wir recherchierten und fanden Alternativen, die derzeit auch in der Community intensiv diskutiert werden. Insbesondere Aktivist*innen wie die Diplom-Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin Isidora Randjelović, die das feministische Archiv »RomaniPhen« mitgründete, nehmen auch Begriffe wie »Rassismus gegen Sinti und Roma«, »Antiromaismus« oder »Gadje-Rassismus« in den Blick. Ersterem liegt der  rassismustheoretische Ansatz zugrunde. »Antiromaismus« ist zwar frei von diskriminierender Konnotation, führt aber zu einer nicht zielführenden Ethnisierung und wird der Heterogenität auch der einzelnen Gruppen nicht gerecht, kritisieren nicht nur Sinti*zze. »Gadje-Rassismus« stelle zwar die Personen, die rassistisch gegen Rom*nja und Sinti*zze agieren, in den Mittelpunkt (»Gadje« bedeutet »Nicht-Roma«), wirke aber spalterisch, kritisiert Daniel Strauß, Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg. Er verwende deshalb den Begriff »Antiziganismus«, der inzwischen ein eigenständiges Forschungsfeld bezeichnet und die Begrifflichkeit als Konstruktion der Dominanzgesellschaft entlarven kann. Auch alle Autor*innen der vorliegenden Ausgabe gehen diesen Weg.
Hinsichtlich der Genderfrage verständigten wir uns auf Rom*nja und Sinti*zze. Gleichwohl unterstreicht der Verband Deutscher Sinti und Roma, dass mit »Sinti« und »Roma« alle, also Frauen, Männer und nonbinäre Menschen, gleichberechtigt mitgedacht sind. In Telefonaten mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die ausdrücklich gendern, erfuhren wir, dass auch dieses Thema derzeit in der Community überaus virulent ist.


Nebensächlichkeiten? Nein! Die Suche nach tragfähigen Lösungen für Benennungen und Schreibweisen entsteht, wie Randjelović sagt, aus einer »heilsamen Verunsicherung« heraus und bietet die Chance, »unseren Blick und Aktivismus neu zu fokussieren«. Dazu wollen auch wir mit dieser DDS-Ausgabe unseren Beitrag leisten. Abschließend noch ein Hinweis: Wer mehr zur Begriffsdiskussion erfahren möchte, sollte sich den überaus erhellenden Podcast »Antiziganismus, Gadje-Rassismus oder schlicht Rassismus?« (bpb.de) anhören.


Dorothea Weniger

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