TV-L
GEW-Studis in der Tarifrunde der Länder 2023
Bald wird an den Unis wieder gestreikt! Der Tarifvertrag der Länder TV-L wird neu verhandelt. Das betrifft nicht nur die Fachgruppe Hochschule und Forschung, sondern auch die Personengruppe der Studierenden. Die GEW Studis Bayern diskutieren derzeit über ihr Vorgehen. Im Folgenden veröffentlichen wir die ersten Diskussionsbeiträge mit verschiedenen Perspektiven aus den GEW Studis-Gruppen in Bayern, die in Kurzversion in der Septemberausgabe unserer Mitgliederzeitschrift DDS erschienen sind. Die Beiträge stellen die Position der Autoren dar und sind keine Stellungnahme der GEW (Studis) Bayern.
Einen Einführungsartikel zum Thema TVSTUD findest Du hier.
GEW-Studis in Würzburg setzen auf TVStud
Die Missstände an der Universität sind unübersehbar: Im Mittelbau belasten u. a. Publikationsdruck, Teilzeitstellen, das Befristungsunwesen und die hohe Arbeitslast die Mitarbeitenden. Doch auch wir Studierende haben es nicht leicht: Das Leben wird immer teurer und viel Geld in der Tasche hatten wir noch nie. Die Frage, was die Aufgabe der GEW-Studis in dieser Tarifrunde (TV-L) ist, ist also nicht leicht zu beantworten. Da sich aber für eine große Personengruppe an der Universität gerade jetzt eine historische Chance bietet, möchte ich den Fokus auf sie richten: die studentischen Beschäftigten.
Laut einer Studie des Instituts Arbeit und Wissenschaft rutschen studentische Beschäftigte oft ins Prekariat. Viele von ihnen leiden unter nicht bezahlten Überstunden und unter Befristungen, die längerfristige Planungen unmöglich machen. Zudem reichen die Löhne kaum, um sich das Studium zu finanzieren. Außerdem geben in 13 (!) Bundesländern mindestens 30 Prozent der studentischen Beschäftigten an, dass sie neben dem Uni-Job gleichzeitig einer weiteren Beschäftigung nachgehen müssen. Von Vollzeitstudium also keine Spur! Wenn Studierende einen großen Teil ihrer vorlesungsfreien Zeit mit Arbeiten verbringen müssen, um überleben zu können, dann klingt dies nach allem, aber nicht nach einer entspannten Lernatmosphäre. Der Abschluss eines TVStud wäre also ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Der Kampf um ihn ist also mit Blick auf den Herbst wohl unsere wichtigste Aufgabe. Wir hier in Würzburg nehmen ihn auf. Wir wollen mit den Studierenden ins Gespräch kommen, und zwar von Studi zu Studi. Unser Angebot für einen Ausweg aus der Misere: Ein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte! Er wäre eine erste Würdigung der Arbeit, die Studierende an Unis leisten!
von Jonas Keim
Mitglied der GEW-Hochschulgruppe Würzburg
TVStud-Bewegung sollte gesamtgesellschaftliche Sorgen mitdenken
Auch wir in München wenden die Organizing-Methode an, doch sehen wir auch ganz klar die Grenzen dieses Ansatzes. Die Gesprächsbogen sind in der Praxis zwar tatsächlich ein sehr gutes Instrument, um mit bisher noch unbekannten Kolleg*innen ins Gespräch zu kommen. Fast alle von ihnen reagieren sehr positiv auf die Ansprache, füllen das Formular aus und berichten über ihre Arbeitserfahrungen. Eine Hürde beim Aufbau einer machtvollen Gegenwehr ist aber der unserer Ansicht nach unpolitische Charakter der Kampagne. Es geht nicht wirklich darum, über Diskussionen eine gemeinsame Strategie mit kollektiv entworfenen Forderungen zu etablieren. Die Methode wird vielmehr ohne Einordnung in größere gesamtpolitische Zusammenhänge angewendet. So dienen Strukturaufbautreffen nicht der politischen Diskussion, sondern eben nur der Optimierung der Ansprache. Dieses Fehlen an politischen Diskussionen verhinderte, dass die Kampagne im Sommersemester richtig ins Rollen gekommen ist. Es wurden zwar bundesweit über 1.000 neue Kontakte geknüpft, sichtbare politische Aktivität fehlt aber vielerorts.
In München versuchten wir mit politischen Teach-Ins, über die Organizing-Methode hinauszugehen. In Seminaren diskutierten wir beispielsweise über die Sparmaßnahmen der Bundesregierung, die nicht nur dem Bildungs-, sondern auch dem Gesundheitssektor sowie der öffentlichen Infrastruktur die Gelder entzieht, während mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro in hohem Maß in die Bundeswehr investiert wird. Dieser Entwicklung sind aktuell auch die Kürzungen bei der Kindergrundsicherung (10 Milliarden Euro weniger als geplant) und beim BAföG geschuldet. Laut Finanzminister Lindner (FDP) werden hier ab nächstem Jahr 400 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen. Wir dürfen nicht naiv sein. 100 Milliarden Euro werden nicht ausgegeben, damit schweres Kriegsgerät nur herumsteht und rostet. Die Regierung bereitet sich darauf vor, Krieg im Eigeninteresse zu führen und lässt uns dafür zahlen – und der Union geht das noch nicht einmal weit genug. Leider gibt die bundesweite TVStud-Kampagne auf diese sozialen Angriffe und die einhergehende Militarisierung, die direkt die Lebensgrundlagen der Jugend und der Studierenden betrifft, keine Antwort.
Beispiele zum Thema „Wie der Kampf für TVStud mit dem Kampf gegen Militarismus zusammenhängt“
TV-Stud-Stand an der TU München, oder: Wie hängen Eurofighter-Antriebe, Carbon-Rennräder und schlechte Arbeits- und Lehrbedingungen zusammen?
Am Freitag, den 30. Juli, haben ein Genosse und ich an der Messe der Maschinenwesen-Fakultät der TU München (LOIFT) teilgenommen. Dort präsentieren die verschiedenen Lehrstühle jährlich sich selbst und ihre Forschungsziele. Auf Einladung der Fachschaft Maschinenbau, mit der wir bereits seit einigen Monaten zusammenarbeiten, hatten wir die Gelegenheit, durch einen Stand der GEW mit den Studierenden und Mitarbeiter*innen in Kontakt zu kommen. Mir ist aufgefallen, dass das Konzept eine super Idee ist, die Studierenden auf die verschiedenen (teils relativ unbekannten) Lehrstühle aufmerksam zu machen. Das wirft die Frage auf: Was hält zum Beispiel unser Soziologie-Institut davon ab, ein ähnliches Event zu veranstalten?
Denn bei uns kommt hauptsächlich nur formaler Kontakt zwischen Studierenden und Mitarbeiter*innen im Seminar zustande, anstatt zum Beispiel mal in einem offenen Treffen aller Institutsgruppen über die aktuell laufenden Forschungsprojekte wie „pairfam“ (Beziehungs- und Familienpanel, Brüderl Lehrstuhl), „Gesellschaftliche Andockstellen für Flüchtlinge“ (Nassehi-Lehrstuhl) oder „Co-Care“ (Reinigung als Fürsorgearbeit, Villa-Lehrstuhl) zu diskutieren. Ich frage mich: Wie soll man als Erstsemester aktiver Teil eines Instituts werden, wenn man bestimmte Lehrstühle erst sehr spät im Studium kennenlernt, geschweige denn überhaupt von deren Forschungsschwerpunkten erfährt. Als Teil der Fachschaft finde ich, dass wir uns von der Idee der Fachschaft Maschinenbau inspirieren lassen und etwas Ähnliches an unserem Institut organisieren sollten.
Auf unserem Stand hatten wir ein breites Materialangebot: Von kleinen „Streik-ABCs“, diversem Infomaterial über Förderbedingungen zu Promovierenden, Jutebeuteln bis hin zu Stickern für TVStud und gegen Berufsverbote war alles dabei. Das ist auch sehr gut bei den Besucher*innen angekommen, die begeistert mit uns ins Gespräch gekommen sind. Von studentischen Hilfskräften, die wir durch Gespräche für die Kampagne gewinnen konnten, haben wir oft erschreckende neue Informationen über Arbeitsbedingungen an der TUM erfahren. So berichteten mehrere Personen, dass viele SHKs an der TUM zu Beginn ihrer Arbeit immer eine gewisse Zeit, teilweise bis zu zwei Monaten, ohne Arbeitsvertrag arbeiten müssen. Das bedeutet dann ganz einfach: Gehaltszahlungen mit zwei Monaten Verspätung. Bei durchschnittlichen WG-Mieten von 720 Euro in München möchte man sich gar nicht die Existenzängste ausmalen, die durch die fehlenden Einnahmen entstehen, denn welcher Studierende hat schon 1.400 Euro auf Tasche, um diesen Lohnausfall mal eben auszugleichen?
Es wird aber noch brisanter. Als SHK im Maschinenwesen arbeitet man nicht nur am PC oder in einem Seminarraum, sondern muss oft auch mal kleine Teile in der fakultätseigenen Werkstatt fräsen oder drehen. Offensichtlich sind diese Orte hinsichtlich des Arbeitsschutzes weitaus riskanter als ein Büro. Bisher interessiert sich aber kein Mensch dafür, dass dort also teilweise Studierende ohne Arbeitsvertrag an Geräten stehen, die schon mal gefährlich werden können, vor allem wenn man noch nicht so viel Erfahrung hat. Meiner Meinung nach ist das ein Skandal, der an die Öffentlichkeit getragen werden und dem man vor allem durch gewerkschaftliche Organisierung entgegenwirken muss.
Neben Hilfskräften und Tutor*innen sprachen wir auch mit Beschäftigten aus dem Mittelbau, vor allem aber mit Promovierenden, die an ihren Ständen ihre aktuellen Forschungsprojekte vorstellten. An einem Stand beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe mit der Optimierung von Carbon-Laufrädern für Rennräder. Sie versuchen durch Materialeinsparungen der „Steife“ von Carbon-Rädern zu begegnen, da diese zwar im Vergleich zu Alurädern leichter, aber nicht so sicher beim Fahren sind. Ihre Forschung soll dann Unternehmen dienen, die mehr auf Aluräder setzen wollen, mit gleichzeitiger Verbesserung der Fahrsicherheit. Nachdem wir darüber sprachen, dass die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (kurz: GEW) für Hochschulbeschäftigte zuständig ist, erzählte die Arbeitsgruppe von ihren Arbeitsbedingungen. „Wieso gibt es eigentlich in der Wissenschaft keine Stempelkarten? Das wäre doch mal was!“, erzählt uns einer. Auch bei ihnen machen sie die Erfahrung, dass vor allem Nachwuchsforscher*innen extrem viele unbezahlte Überstunden machen, was sich auch mit einer Studie des DZHW (Deutschen Zentrums für Wissenschafts- und Hochschulforschung) deckt, bei der 2019 herauskam, dass wissenschaftliche Mitarbeiter*innen im Schnitt zwölf unbezahlte Überstunden pro Woche machen.
Aber damit nicht genug. Ein drastisches Problem besteht für sie und ihre Kolleg*innen vor allem in ihrer allgemeinen Projektgebundenheit. Sie berichten, dass fast keine neuen Stellen an Maschinenbau-Lehrstühle mehr durch grundfinanzierte Stellen entstehen, wodurch Promovierende von Tag 1 ihrer Promotion schon an die Akquise von Drittmitteln gebunden werden, die im Normalfall dann einen Arbeitsvertrag von höchstens zwei bis drei Jahren ermöglichen. Da wird es zunehmend schwer, in den für die Promotion vorgesehen sechs Jahren Höchstdauer mit der Dissertation fertig zu werden, auch wenn vor allem in technischen Fächern mittlerweile nicht mehr Monografien, sondern eher eine Sammlung von Papers in ausgewählten Fachzeitschriften als Anforderung gilt. Aber die müssen ja auch geschrieben und peer reviewed werden, was alles Zeit braucht, die man eigentlich nicht hat.
Eine weitere Erfahrung machten wir in einem Gespräch mit einer Gruppe Luftfahrtingenieur*innen, die gerade an Druckluftoptimierungen an einem Triebwerk forschen. Es stellte sich schnell heraus, dass das nicht irgendein Triebwerk war, sondern das Triebwerk des Eurofighters – ein Kampfjet der NATO. Flugzeuge dieses Typs waren und sind momentan im aktiven Einsatz, insbesondere beim NATO-„Verteidigungsmanöver“ Air Defender 23 im Juni. Vor diesem Hintergrund muss man sich aber schon fragen: Welche Forschung für welche Welt?
Als Gewerkschafter möchten wir betonen, dass wir jegliche militärische Forschung an Hochschulen ablehnen. Wir fordern die strikte Einhaltung einer Zivilklausel, die auch schon an vielen Hochschulen im Bundesgebiet Standard ist, und die Forschung ausschließlich zur Erfüllung friedlicher Ziele praktiziert wird. Auch die TU München muss sich diesen Zielen verpflichten. Unserer Meinung nach sollte an der TUM eher überlegt werden, wie man die Kompetenzen der Forschenden für die Bekämpfung der Klimakrise einsetzen kann. Denn effizientere, treibstoffsparende Triebwerke sind ja beispielsweise sehr wünschenswert, wenn es um den sozialen und ökologischen Umbau der zivilen Luftfahrtbranche geht. Dabei geht es uns keineswegs um eine Moralisierung der Handlungen der Forscher*innen und Techniker*innen in diesem Feld. Vielmehr wäre wichtig zu überlegen, wie Forscher*innen der TUM und Arbeiter*innen gemeinsam demokratisch planen können, wie man bisherige Innovationen für den Umbau der Luftfahrtbranche statt für die Militarisierung der Bundeswehr nutzen kann. Aktuell geht es den Unternehmen wie Airbus, die beispielsweise die genannte Arbeitsgruppe finanzieren, nämlich nur um Vorteile im Wettbewerb um den Verkauf von Kriegsmaschinerie an Staaten, die durch bessere Triebwerke dann schneller Bomben abwerfen können. Diesem Wahnsinn gilt es entschieden entgegenzutreten, weshalb wir auch innerhalb der TVStud-Kampagne und den Gewerkschaften für einen Anti-Militarismus kämpfen wollen, der unsere Hochschulforschung an der Befreiung des Menschen, und nicht an der Auslöschung unserer Spezies orientiert.
von Kilian Gremminger
Student der Soziologie an der LMU München
Mitglied bei Waffen der Kritik