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Zur „Reform“ der Lehrer- und Lehrerinnenbildung

Inhalte und Strukturen reformieren!

 

Seit Jahrzehnten ist die Notwendigkeit, die Ausbildung von Lehrer/innen zu reformieren, auch in Bayern unumstritten. Ein in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts vorliegendes Reformkonzept, das diesen Namen tatsächlich verdient hat, wurde kurz vor der Einführung wieder zurückgenommen. Die „neue Lehrerbildung“, die dann umgesetzt wurde, blieb weit hinter dem ursprünglichen Konzept zurück. Auch die Änderungen in der Lehrer/innenbildung vom Jahr 2003 bringen nur marginale Neuerungen und können nicht als Reform bezeichnet werden.

Selbst (Bildungs)Politiker/innen haben erkannt, dass mit einer Ausbildung von vorgestern den Herausforderungen von heute und morgen nicht zu begegnen ist.

Einige Kritikpunkte, über die weitgehender Konsens der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen herrscht sind:

  • Lehrer/innen fühlen sich nicht ausreichend auf ihren Beruf vorbereitet.
  • Die schulartspezifische Ausbildung ist oft eine Sackgasse, ein Wechsel ist nur in Ausnahmefällen (wenn an einer Schulart extremer Lehrer/innenmangel herrscht) möglich.
  • Eltern klagen über Lehrer/innen, die ihre Kinder nicht ausreichend fördern können.
  • Die einzelnen Studienanteile (Bildungswissenschaften, Fachwissenschaften und Fachdidaktiken) sind – aus den jeweils unterschiedlichen Perspektiven – nicht richtig gewichtet und kaum aufeinander bezogen.
  • Lehrer/innenbildung als Querschnittaufgabe verschiedener Fachbereiche ist nicht institutionell verortet; Vernetzungen fehlen.
  • Berufsfeldorientierung und Praxisbezug spielen während des Studiums allenfalls eine marginale Rolle. Praktika vermitteln nur selten einen realistischen Eindruck vom künftigen Berufsalltag.
  • Es gibt zu wenig auf das Berufsfeld „Lehrer/in“ bezogene Forschung.
  • Die erste und die zweite Phase sind gegeneinander abgeschottet, eine dritte Phase permanenter Fort- und Weiterbildung wird meist nicht einmal thematisiert.
  • Das Ansehen des Berufs „Lehrer/in“ in der Gesellschaft ist schlecht, Vorurteile über Berufswahlmotivation und Berufsalltag bestimmen oft die Diskussion.
     

Bezüglich dieser Kritikpunkte gibt es einen weitgehenden Konsens. Geradezu unübersehbar ist dagegen die Vielfalt möglicher Lösungen bzw. Lösungsansätze.

 
Durch die als „Bologna-Erklärung“ von 1999 bekannt gewordene, verbindliche Absichtserklärung der einzelnen Staaten, bis 2010 einen „Europäischen Hochschulraum“ mit den gegenseitig anzuerkennenden Abschlüssen „Bachelor“ und „Master“ zu schaffen, ist auch Bayern zum Handeln verpflichtet.

Ein „Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Lehrerbildungsgesetzes“ wurde vorgelegt.

 

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft nimmt dazu wie folgt Stellung:

  • Wir begrüßen am Entwurf, dass an der universitären Ausbildung aller Lehrer/innen als unverzichtbar festgehalten wird.
  • Wir kritisieren, dass zwar die Struktur der Lehramtsstudiengänge modularisiert wird, gleichzeitig aber zusätzlich an den Staatsprüfungen festgehalten wird. Die bisher fast ausschließlich schriftlichen Staatsprüfungen mit zentraler Themenstellung haben keinen erkennbaren Beitrag für eine bestmögliche Ausbildung von Lehrer/innen gewährleistet; ihre deutlichste Funktion besteht alleine in der Sicherstellung der laut Staatsregierung angestrebten größtmöglichen Kontrolle. Aus verschiedenen guten Gründen setzen die „Bologna-Beschlüsse aber eben nicht auf dieses Modell. Die zukünftige bayerische Praxis, Staatsprüfung und universitäre Prüfungsteile im Verhältnis 60 : 40 zu gewichten, ist somit nur ein Minimalzugeständnis. Die dadurch entstehende Mehrfachstruktur führt zu einer unnötigen Vielzahl von Prüfungen und dadurch zu erheblichen zusätzlichen Belastungen für Lehrende und Studierende.
  • Nicht nachvollziehbar ist für uns, dass nach wie vor an unterschiedlichen  Mindeststudienzeiten für die verschiedenen Lehrämter festgehalten wird. 210 nachzuweisende Leistungspunkte in (mindestens) sieben Semestern für künftige Grund-, Haupt- und Realschullehrer/innen und 270 Leistungspunkte in (mindestens) neun Semestern für die anderen Lehrämter sind in keiner Weise gerechtfertigt. Lehrer/innen aller Schularten sind in gleichem Maße von Kindern und Jugendlichen gefordert und brauchen eine entsprechend abgestimmte, qualifizierte und gründliche Ausbildung.
  • Wir kritisieren, dass die Umstrukturierung der Studiengänge gemäß der „Bologna-Erklärung“ in Bayern dazu benutzt werden soll, gleichzeitig Geld zu sparen. Immer wieder ist von „Straffung des Studiums“, „Verkürzung der Studienzeiten“ und „Annäherung der realen Studienzeiten an die bisherigen Regelstudienzeiten“ die Rede. Mit keinem Wort wird darauf eingegangen, warum Student/innen ihr Studium meist nicht in der Regelstudienzeit erfolgreich beenden können.
  • Wir kritisieren die Uneinheitlichkeit der Abschlüsse. Während im „Europäischen Hochschulraum“ die Abschlüsse „Bachelor“ und „Master“ in der Regel polyvalent sind, also für ein Lehramt und für andere berufliche Tätigkeiten qualifizieren, bedarf es in Bayern (abgesehen von eventuell einzuführenden Modellversuchen) künftig dafür vier Abschlüsse: „Bachelor“, „Erste Staatsprüfung“, „Master“ und „Zweite Staatsprüfung“.
  • Wir kritisieren schließlich, dass es sich lediglich um eine Umstrukturierung der Lehramtsstudiengänge in Form eines Minimalzugeständnisses an getroffene Vereinbarungen handelt. Wieder einmal wurde die Chance einer wirklichen Reform von Strukturen und Inhalten der Lehrer/innenbildung vertan.

 

Aus der Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat eine Reform der Lehrer/innenbildung mindestens folgende Eckpunkte:

  • Die Ausbildung von Lehrer/innen erfolgt an staatlichen Hochschulen.
  • Sie ist von der Profession Lehrer/in aus zu gestalten. Das Studium ist an den Erfordernissen des Berufs auszurichten. Dabei sind Inhalte der sog. „Bildungswissenschaften“, die hilfreich sind für alle Pädagog/innen, angemessen zu berücksichtigen. Ebenso fachdidaktische und fachwissenschaftliche Inhalte ausgehend von ihrer Relevanz für die Profession.
  • Die schulartspezifische Lehrer/innenbildung ist ebenso wie die unterschiedlichen Schularten historisch gewachsen und hat keine Berechtigung angesichts des Rechts aller Kinder und Jugendlichen auf ihre Individualität und der Herausforderungen an den Beruf. Es gibt keine unterschiedlichen Jugendlichen, die die Kategorien „Hauptschüler/in“, „Realschüler/in“ u. s. w. bilden würden (allenfalls werden Jugendliche in solche Kategorien gepresst). Dementsprechend gibt es weder eine „Hauptschulpädagogik“ noch eine „Gymnasialdidaktik“ o. ä.
  • Lehrer/in ist eine Profession und braucht daher eine integrierte Ausbildung.  
  • Schwerpunktbildungen  während des Studiums sind vorzusehen.
  • Grundsätzlich auch denkbar ist eine integrierte Pädagog/innen-Ausbildung, bei der nach einem gemeinsamen Grundstudium eine Spezialisierung auf den Bereich Schule (wieder mit unterschiedlichen Schwerpunkten) und auf andere Bereiche (z. B. Sozialarbeit, Pädagogik des frühen Kindesalters…) erfolgt.