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Leitfaden zum Modellprojekt „Verbindliches Schüler-Feedback in der 2. Phase der Lehrerausbildung“

Brief an Herrn Ministerialrat Kaulfuß vom 06. Oktober 2016

Sehr geehrter Herr Ministerialrat Kaulfuß,

vielen Dank für die Zusendung des Leitfadens zum Modellprojekt „Verbindliches Schüler-Feedback in der 2. Phase der Lehrerausbildung“. Im Rahmen des „Forum Schüler-Feedback“ am 29.09.2016 im Staatsministerium konnten wir Ihnen mündlich die Einschätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bezüglich des Leitfadens und des Modellversuchs erläutern. Gerne kommen wir jetzt auf Ihr Angebot zurück, dass weitere Rückmeldungen und Änderungsvorschläge an Sie in schriftlicher Form gegeben werden können. Daher bitten wir Sie bei der weiteren Planung und Durchführung des Modellversuchs die unten angeführten Aspekte zu berücksichtigen.

Als positiv empfinden wir, dass nach dem Fachgespräch vom April diesen Jahres die verpflichtenden Besprechung von Feedback mit der Seminarleitung, also einer Person, die auch die Bewertung der Leistungen vornimmt, überdacht und letztlich nur noch als eine Möglichkeit unter anderen angeboten wurde.
Wichtig erscheint uns hier insbesondere die explizite Nennung von Beratungslehrkräften, Schulpsy-chologInnen und anderen Lehrkräfte des Vertrauens (S. 19 des Leitfadens), die nicht mit der Leistungsbewertung im Referendariat bzw. Vorbereitungsdienst in Zusammenhang stehen. Dieser Personenkreis sollte auch im „Dokumentationsbogen“ (Anlage 5, S. 37) aufgezählt werden. Auf die Vertraulichkeit der Gesprächsinhalte in diesen geplanten Beratungsgesprächen und auf die erweiterte Schweigepflicht der SchulpsychologInnen sollte deutlich hingewiesen werden, um auf allen Seiten das Vertrauen und die Bereitschaft zur Beratung zu erhöhen.

Das Referendariat sowie der Vorbereitungsdienst dienen auch dazu sich als LehramtsanwärterIn und ReferendarIn in die neue Rolle als Lehrkraft einzufinden und die eigene Lehrerpersönlichkeit zu entwickeln. Der Ausbau der persönlichen Stärken und der konstruktive Umgang mit eigenen Schwächen sind von zentraler Bedeutung. Daher müssen zusätzlich Foren zur Aufarbeitung des Feedbacks eingerichtet werden, in denen – unabhängig von Bewertung – Raum ist für einen konstruktiven und gewinnbringenden Umgang mit Rückmeldungen. Dies wäre beispielsweise im Rahmen von kollegialer Supervision für Lehrkräfte vorstellbar.

Für alle Lehrkräfte müssen flächendeckende Angebote geschaffen werden, um Kollegien, die dies wünschen, entsprechend aus- und fortzubilden, um Feedback sachgerecht anzuleiten und pädago-gisch sinnvoll damit weiterzuarbeiten. Den KollegInnen ist dafür entsprechende Arbeitszeit zur Verfügung zu stellen. Sinnvoll wäre auch hier eine enge Zusammenarbeit mit den SchulpsychologInnen, SchulsozialarbeiterInnen und anderen pädagogisch-psychologischen Fachkräften.

In diesem Zusammenhang erscheint es uns überdies unerlässlich, die im Seminar und in der jeweiligen Schule vor Ort zur Verfügung gestellte Zeit für die Vorbereitung, Durchführung, Auswertung und Nachbearbeitung des „Schüler-Feedbacks“ zu benennen und durch entsprechende Stundenzuweisung für alle Beteiligten zur Verfügung zu stellen. Dabei stellen sich uns vor allem folgende Fragen:

- Wie viel Unterrichtszeit der durchführenden Lehrkraft muss (mindestens) aufgewendet werden?
- Wie kann Ausfall von Unterricht vermieden werden, wenn ReferendarInnen und LehramtsanwärterInnen, die mit verhältnismäßig geringer Wochenstundenzahl in einer Klasse eingesetzt sind, das Feedback durchführen?
- Findet eine Verankerung in den Zulassungs- und Ausbildungsordnungen statt?
- Wie wird in den Seminaren Zeit für die sinnvolle Vorbereitung der Durchführung, Auswertung und Nachbearbeitung des „Schüler-Feedbacks“ eingeplant?
- Welche Seminarinhalte entfallen dadurch oder werden gekürzt?
- In welchem Umfang werden Anrechnungsstunden für die nötige Beratung der ReferendarInnen und LehramtsanwärterInnen für die beratenden Lehrkräfte eingeplant und zur Verfügung gestellt?

Damit das verpflichtende SchülerInnen-Feedback von den ReferendarInnen und LehramtsanwärterInnen als hilfreiches und gewinnbringendes Mittel empfunden werden kann, müssen ausreichende Zeitressourcen zur Verfügung gestellt werden, da sonst der ohnehin schon bestehende Leistungs- und Zeitdruck unnötig verstärkt wird.

Die Einführung des „Schüler-Feedbacks“ als Methode und die Verpflichtung für die angehenden Lehrkräfte diese durchzuführen wurde mehrfach, unter anderem auch von Herrn Staatssekretär Eisenreich im April 2016, als wichtiger Teil der Demokratisierung der Schulen und als Recht der SchülerInnen auf Mitbestimmung dargestellt. Die GEW Bayern begrüßt die Bestrebungen des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst demokratische Mitbestimmung der SchülerInnen stärker als bisher im Schulleben zu verankern.

Dabei überrascht es allerdings, dass die SchülerInnen im vorliegenden Modellprojekt entgegen des Schaubildes auf Seite 11 nicht zu allen Aspekten von Schule und Unterricht Stellung beziehen dürfen. Nur Rückmeldungen zu Unterrichtsmethoden, verwendeten Medien und der LehrerInnenpersönlichkeit sind vorgesehen (vgl. S.13). Rückmeldung weitergehender Art über Lerninhalte, Lernziele, Zeitrahmen und räumliche Gegebenheiten sind leider ausdrücklich nicht vorgesehen. Gerade diese Aspekte würden jedoch dem Anspruch auf demokratische Mitbestimmung der SchülerInnen entsprechen, prägen doch auch sie entscheidend das Leben und Lernen an unseren Schulen.

Für etwaige Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung!

Mit freundlichen Grüßen,

Kathrin Frieser
GEW Bayern
Mitglied des Landesvorstands
Kathrin.frieser@gmx.de

Andreas Hofmann
GEW Bayern
Mitglied des Landesvorstands
andreas.hofman@gew-bayern.de

Kontakt in der Landesgeschäftsstelle:
Bernhard Baudler, Gewerkschaftssekretär Bereich Schule
bernhard.baudler@gew-bayern.de
Tel.: 089 / 54 40 81 -21