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Stellungnahme

„Kann Soziale Arbeit jede:r?“ – De-Konstruktion des Fachkräftemangels

Professions- und Gewerkschaftspolitische Stellungnahme von GEW, ver.di, und DBSH zu den angekündigten oder bereits umgesetzten Entwicklungen, dem aktuellen Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit in der Landeshauptstadt München mit einer Öffnung des Sozialdienstes für fachfremde Quereinsteiger:innen zu begegnen.

Die gesamte Stellungnahme kann unten auf der Seite heruntergeladen werden. 

Zusammenfassung 

Mit dieser Stellungnahme fasst das Bündnis von Ver.di München, dem bayerischen Landesverband DBSH e.V. und der GEW München ihre Position zur angekündigten und zum Teil bereits umgesetzten Öffnung des Sozialdienstes für fachfremde Quereinsteiger:innen zusammen.

Ausgangslage sind die Entwicklungen in der Landeshauptstadt München und dem Umland. Dieses Papier ist als Diskussionsgrundlage zu verstehen und lässt sich in vielen Punkten auch auf andere Regionen in Bayern bzw. Deutschland übertragen.

Soziale Arbeit hat seit vielen Jahren einen hohen Fachkräftebedarf – der eklatante Personalmangel führt vielfach zu einer dramatischen Lage an den Dienststellen. Dies betrifft inzwischen fast alle Tätigkeitsfelder, aber besonders eklatant die Bezirkssozialarbeit (BSA) bzw. den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) und die stationäre Kinder- und Jugendhilfe. Der hier geführte Diskurs befasst sich mit der Sozialen Arbeit und meint damit die Profession Sozialarbeit / Sozialpädagogik mit dem Hochschulabschluss des Bachelor of Arts (B.A.) / Diploms.

Der Öffnung des Sozialdienstes für fachfremde Quereinsteiger:innen ist aus Sicht der Fachkräfte, aufgrund der damit einhergehenden De-Professionalisierung grundsätzlich zu widersprechen. Gleichzeitig sind die Fachkräfte bereits mit der Öffnung konfrontiert. Diese Entwicklung wird unsererseits mit großer Sorge betrachtet und wir fordern daher, in Anbetracht der Gefahr der De-Professionalisierung, ein umfangreiches Bündel an grundlegenden Maßnahmen im Umgang mit dem Fachkräftebedarf und nachhaltige Konzepte seitens der
Arbeitgeber:innen und der Politik.

Bisher wurden keine nachhaltigen Konzepte seitens der Arbeitgeber:innen und der Politik vorgelegt. Das Bündnis fordert daher grundlegende Maßnahmen im Umgang mit dem Fachkräftebedarf.

  1. De-Professionalisierung verhindern und Eigenständigkeit der Sozialen Arbeit im Kontext der sozialen Praxis und Sozialwissenschaften erhalten.
  2. Eine Qualifizierung kann nur durch ein generalistisches Grundstudium erworben werden. Nachqualifizierungen müssen verbindlich konzipiert und standardisiert sowie auch für Freie Träger refinanziert werden.
  3. Studienplätze an öffentlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften und finanzielle Ressourcen zur Refinanzierung müssen ausgebaut und deren Aufbau an aktuelle Bedarfe der Interessent: innen angepasst werden.
  4. Es müssen Maßnahmen entwickelt werden, Bestandspersonal zu halten und sich verändernde Personalkosten zukünftig realistisch kalkuliert werden.
  5. Eine sinnvolle Personalentwicklung und -förderung steht im Zentrum der Frage, wie dem Fachkräftemangel begegnet werden kann.
  6. Eine kritische Betrachtung des Aufgabenspektrums der Sozialen Arbeit sowie die wiederholte Forderung nach Personalbemessungsmaßnahmen sind maßgeblich für die realistische Einschätzung des tatsächlichen Fachkräftebedarfs. Es ist eine Gesamtanalyse zum Fachkräftebedarf in der Metropolregion München erforderlich (bzw. in allen Ländern, Landkreisen und Kommunen).
  7. Die geschlechtsspezifischen Realitäten der Profession Sozialer Arbeit sind im Zusammenhang mit dem Fachkräftebedarf zu analysieren und deren Auswirkungen durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken.
  8. Es ist ein verbindliches Konzept für Einstellung, Einarbeitung und Weiterentwicklung zu erarbeiten. Die Sinnhaftigkeit multiprofessioneller Teams muss im Einzelfall geprüft und für deren Schaffung geeignete Konzepte entwickelt werden.

In Anbetracht der drohenden Gefahr der De-Professionalisierung und des Qualitäts- und Anerkennungsverlustes der Sozialen Arbeit ist dringende Eile für alle Professionsangehörigen geboten, sich deutschlandweit aktiv in ihren Verbänden, Gewerkschaften, Personal- und Betriebsratsgremien, Mitarbeitervertretungen sowie Fachgremien, auf professioneller und disziplinärer Ebene für die Stärkung der Sozialen Arbeit und ihrer Arbeitsbedingungen sowie den Qualitätserhalt für die Zielgruppen einzusetzen.

Das Bündnis beteiligt sich aktiv an Lösungsentwicklungen, wie dem aktuellen Fachkräftebedarf begegnet werden kann und lädt zu einem Diskurs mit allen Akteur:innen ein.

Kontakt
Siri Schultze
Gewerkschaftssekretärin und Geschäftsführerin des Stadtverband München
Adresse Neumarkter Straße 22
81673 München
Telefon:  089 544081-50
Fax:  089 544081-22