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Beamt*innenstreikrecht

GEW VS. BUNDESREPUBLIK

Am 1. März beginnt eine mündliche Verhandlung zum Streikrecht für Beamtinnen und Beamte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Das wird spannend: Am 1. März kommt es zwischen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zum Showdown in der Frage: Müssen Beamtinnen und Beamte ein Streikrecht erhalten? Die GEW sagt: „Ja“. Die Bundesrepublik sagt: „Nein“ – gestützt auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2018.

Was will die GEW?
Die GEW will das Beamtenrecht modernisieren. Sie will die Position der Beamtinnen und Beamten, der Lehrerinnen und Lehrer stärken. Bis heute sind diese vom Wohlwollen der Arbeitgeber in Bund, Ländern und Kommunen abhängig. Der Dienstherr verordnet, wie lange gearbeitet werden soll. Er entscheidet über die Einkommen, die Erhöhung oder Kürzung der Bezahlung und die Arbeitsbedingungen. Allein! Ohne ein demokratisches Mitspracherecht der Beschäftigten. Aus „Fürsorge“. Das hört sich stark nach Ständestaat des 18. Jahrhunderts, nicht aber nach dem 21. Jahrhundert an. Das will die GEW ändern, ohne dass sie den Beamtenstatus als solchen in Frage stellt.


Was passiert am und nach dem 1. März?
Vor dem EGMR wird in mündlicher Verhandlung die Beschwerde von vier GEW-Mitgliedern gegen die Bundesrepublik verhandelt. Die Lehrkräfte hatten 2009 dafür gestreikt, dass der Tarifabschluss für die Angestellten der Länder auf die Beamtenbesoldung übertragen wird. Das war damals  alles andere als selbstverständlich: Nach der Föderalismusreform 2006 hatten immer mehr Bundesländer beispielsweise
die Jahressonderzahlung gestrichen sowie Besoldungserhöhungen verspätet und/oder abgespeckt bezahlt.

2010 streikten die Lehrkräfte gegen eine höhere Lehrverpflichtung und die Streichung der Altersermäßigung. Alle Lehrkräfte erhielten eine Disziplinarstrafe und klagten sich dagegen mit GEW-Rechtsschutz durch die Instanzen. Das BVerfG entschied 2018, dass sich das Beamtenstreikverbot zwingend aus den „hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums“ (einem „ungeschriebenen Gesetz“) ergebe. Dahinter müsse die in Artikel 9 des Grundgesetzes garantierte Koalitionsfreiheit, die das Streikrecht begründet, zurückstehen. Dagegen legten die vier Lehrkräfte Beschwerde beim EGMR ein, weil sie in der BVerfG-Entscheidung eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sehen.

Nach der mündlichen Verhandlung wird der EGMR – voraussichtlich – in den nächsten Monaten ein schriftliches Urteil fällen. Sollte dieses im Sinne der Klägerinnen und Kläger positiv ausfallen, wird die GEW auch für Beamtinnen und Beamte echte Verhandlungen ihrer Arbeitsbedingungen gegenüber der Politik einfordern. Denn: Die Bundesrepublik muss den EGMR-Entscheid nicht automatisch in deutsches Recht umsetzen! Schlimmstenfalls muss die GEW erneut durch alle Instanzen ziehen. Geht das Urteil hingegen negativ aus, ist der juristische Weg beendet.

Warum rechnet sich die GEW Chancen aus?
Das Menschenrecht der Beschäftigten, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen, mit den Arbeitgebern über die Arbeitsbedingungen zu verhandeln und dabei als letztes Mittel den Streik einzusetzen, wird durch die EMRK und das Internationale Arbeitsrecht geschützt. In Deutschland wird den Beamtinnen und Beamten dieses Recht jedoch vorenthalten. 2009 hat der EGMR das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte in der Türkei in mehreren Urteilen als für nicht mit der EMRK vereinbar bezeichnet. Das gelte für Beamtinnen und Beamte wie Lehrkräfte, die nicht wie Bundeswehr oder Polizei direkt „hoheitliche
Aufgaben“ wahrnehmen. Auch in Deutschland hängt das Streikverbot nicht an der Funktion – also dem, was man tut – sondern am Status als Beamtin oder Beamter. Deshalb sieht die GEW die Chance, die Diskussion über eine Demokratisierung des Beamtenrechts auch in der Bundesrepublik voranzubringen. Dafür braucht es – nach der Klärung juristischer Grundsatzfragen – viel politischen Gestaltungswillen!

Weitere Informationen:

Übersicht zum Beamtenstreikrecht auf www.gew.de

Die wichtigsten Fragen und Antworten

GEW vs. Bund – Erklärt!

 

Kontakt
Martina Borgendale
Vorsitzende
Adresse Neumarkter Straße 22
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