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Hochschule und Forschung in Bayern

Demokratisierung statt Kommerzialisierung!

Es sollte »Deutschlands modernstes Hochschulrecht« werden, hieß es letztes Jahr aus dem Wissenschaftsministerium unter Leitung des Staatsministers Markus Blume (CSU) anlässlich des neuen bayerischen Hochschulgesetzes. Doch liefert der Freistaat mit seiner jüngsten Hochschulnovelle tatsächlich das, was er vollmundig versprach? Wohl kaum. In Wahrheit treibt Bayern mit dem zum Jahresbeginn 2023 in Kraft getretenen Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG) die bereits in den 1990ern einsetzende Neoliberalisierung der Hochschullandschaft massiv voran.

Besonders deutlich zeigt sich das an Neuerungen wie den Gründungsfreisemestern: Seit Jahresbeginn können sich Professor*innen nun zwei Semester bei vollen Dienstbezügen von ihren Aufgaben in Forschung und Lehre freistellen lassen, um Unternehmensgründungen nachzugehen. Darüber hinaus können Hochschulen ihren Mitgliedern und Alumni hochschulische Infrastruktur kostenfrei oder vergünstigt zu eben diesem Zweck zur Verfügung stellen. Auf diese Weise subventioniert der Freistaat wirtschaftliche Tätigkeiten, anstatt endlich genug Geld in die marode und überlastete Infrastruktur bayerischer Hochschulen zu investieren, damit diese ihren Hauptaufgaben Forschung und Lehre adäquat nachgehen können.

Die Bereiche Studium und Lehre wurden im Reformprozess vernachlässigt. Daher ändert sich für sie auf gesetzlicher Ebene erst einmal wenig. Stärker betroffen sind die Studierenden: Unter dem Fokus der Ökonomisierung und des Unternehmer*innentums von Hochschulangehörigen werden mittelfristig auch die Studien- und Lehrbedingungen leiden. Darüber hinaus können Bayerns Hochschulen künftig Studiengebühren von Studierenden aus dem Nicht-EU-Ausland erheben. Noch ist unklar, wie viele Hochschulen davon letztlich Gebrauch machen werden. Aber bereits die Option darauf sendet das falsche Signal. Bildungsgebühren für Studierende aus Drittstaaten sind angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels hierzulande nicht nur kontraproduktiv, sondern auch sozial ungerecht. Zudem hemmen sie die Internationalisierung.

Für Unruhe sorgte eine Panne bei den studentischen Beschäftigten: Der Gesetzgeber vergaß kurzerhand, die einschlägigen Regelungen zur Beschäftigung von Studentischen und Wissenschaftlichen Hilfskräften (SHK/WHK) aus dem alten Bayerischen Hochschulpersonalgesetz in das BayHIG zu übernehmen. Für die Betroffenen bedeutete dies zunächst rechtliche Unklarheit und temporäre Einstellungsstopps. Das versehentliche Abschaffen von WHKs mit Masterabschluss – eine Personalkategorie zum Zwecke des Lohndumpings, um tariflich vergütete E-13-Stellen für Promovierende zu umgehen – ist aus gewerkschaftlicher Sicht zwar grundsätzlich begrüßenswert. Solange der Freistaat aber die Personalmittel der Hochschulen nicht aufstockt, wird es de facto auch keine Überführung der alten WHK-Stellen in reguläre E-13-Stellen geben – die Betroffenen gehen also leer aus und stehen ohne Arbeitsverhältnis da.

Für den akademischen Mittelbau bringt das BayHIG vor allem Stillstand: Trotz der seit über zwei Jahren lautstark in die Öffentlichkeit getragenen #IchBinHanna-Proteste von »Nachwuchswissenschaftler*innen« finden sich im neuen Hochschulgesetz keine Maßnahmen, um die Situation befristeter
Wissenschaftler*innen nachhaltig zu verbessern. Weder führt der Gesetzgeber – der zugleich auch Arbeitgeber der Hochschulbeschäftigten ist – Befristungshöchstquoten ein, noch nimmt Bayern eine umfassende Personalstrukturreform in Angriff, die der gewachsenen Bedeutung des akademischen Mittelbaus für gute Forschung und Lehre Rechnung trägt.

Eine erste Bilanz des BayHIG fällt daher ernüchternd aus: Das neue Hochschulgesetz setzt weder an den Bedürfnissen von Wissenschaftler*innen und wissenschaftsstützendem Personal an noch an denen der Studierenden. Es treibt vielmehr die Kommerzialisierung der Wissenschaft weiter voran und beschädigt damit die Vielfalt und Unabhängigkeit von Forschung, Lehre und Studium nachhaltig.

Die GEW Bayern folgt deshalb auch mit ihren Forderungen zur Landtagswahl 2023 der Vision einer demokratischen und vielfältigen Hochschul- und Forschungslandschaft

Endlich demokratische und diverse Hochschulen und Forschungseinrichtungen

  • Der Anteil der Grundfinanzierung an der Hochschulfinanzierung sank in den vergangenen 50 Jahren sukzessive und liegt heute nur noch knapp über 50 Prozent. Grundständige Aufgaben in Forschung und Lehre können heute vielerorts nur noch durch zeitlich befristete und hart umkämpfte Drittmittel gedeckt werden. Dies erschwert nicht nur längerfristige Planungen, sondern beeinträchtigt auch die Unabhängigkeit der Wissenschaft. Wir pochen daher auf eine Erhöhung der Grundfinanzierung aller Hochschulen. Massive Kürzungen an einzelnen Standorten und zunehmende Drittmittelabhängigkeit lehnen wir ab.
  • Wissenschaft lebt von Pluralität – das gilt sowohl für die in ihr tätigen Personen als auch für die Fülle der unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen. Ungeachtet dessen ist seit einigen Jahren eine Verengung in der (staatlichen) Forschungsförderung zu beobachten. Während die MINT-Fächer, in Bayern insbesondere die Hightech- und KI-Forschung, überproportional von der Drittmittelvergabe profitieren, leiden die Geistes- und Sozialwissenschaften besonders stark unter Kürzungen. Wir fordern eine Kehrtwende und setzen uns ein für den Erhalt der Fächerdiversität, insbesondere auch der Geistes- und Sozialwissenschaften. Die Hightech- Monokultur lehnen wir ab.
  • Die Neoliberalisierung der Hochschulen in den vergangenen drei Dekaden ging mit einem Abbau der bereits zuvor recht beschränkten Mitbestimmungsmöglichkeiten einher: Entscheidungsbefugnisse der akademischen Selbstverwaltung wurden beschnitten und im Gegenzug Leitungsgremien wie die Präsidien gestärkt sowie mit Einführung von Hochschulräten innerhochschulische Angelegenheiten an Externe delegiert. Das schwächt auf Dauer auch die Wissenschaft. Wir streiten daher für eine Mitbestimmung für alle Hochschulmitglieder und fordern den Ausbau der hochschulpolitischen Demokratie statt der Stärkung der Präsidien.
  • 84 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen (ohne Professur) sind befristet beschäftigt, bei den unter 45-Jährigen sind es sogar 93 Prozent. Vielen bleibt trotz jahrelanger Arbeit als hoch qualifizierte Wissenschaftler*innen am Ende oft nur der Ausstieg aus der Wissenschaft. Die fehlende Planungsperspektive ist nicht nur für die Betroffenen belastend, sondern wirkt sich auch negativ auf die Betreuungssituation von Studierenden aus und verschlechtert mangels personeller Kontinuität die Qualität von Lehre und Forschung. Wir fordern daher Dauerstellen für Daueraufgaben und verlässliche Karrierewege für Lehrende und Forschende statt Dauerbefristungen bis zur Rente.
  • Bundesweit arbeiten über 300.000 studentische Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen und tragen zum reibungslosen Ablauf des Wissenschaftsbetriebs bei. Häufig erhalten sie dafür nur Mindestlohn, haben keine Personalvertretung und selbst gesetzlich verankerte Mindeststandards wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubstage werden ihnen oft verwehrt. Dies zu ändern, machte sich die bundesweite Bewegung TVStud – eine Tarifkampagne studentischer Beschäftigter – zur Aufgabe. Die GEW unterstützt die Kampagne und fordert Tarifverträge für alle Hilfskräfte statt Billiglöhnen und arbeitsrechtlicher Unklarheit.
  • Bayern ist das einzige Bundesland, in dem es keine Verfasste Studierendenschaft (mehr) gibt. Daran ändert auch der neu eingeführte Landesstudierendenrat wenig, der lediglich ein Anhörungs- und Informationsrecht – wie es auch ohne gesetzliche Verankerung schon seit Langem praktiziert wird – gegenüber dem Wissenschaftsministerium festschreibt, aber keine wirkliche Mitbestimmung in Form einer Selbstverwaltung studentischer Anliegen ermöglicht. Wir fordern daher vom Freistaat die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft mit Satzungs- und Finanzautonomie sowie politischem Mandat.

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Mitgliederzeitung DDS – Ausgabe 9/23 mit dem Schwerpunkt Hochschule.

Christiane Fuchs ist im Organisationsbereich Hochschule und Forschung der GEW Bayern aktiv und politische Geschäftsführerin des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi).

Mehr Informationen zur Fachgruppe Hochschule und Forschung sowie Kontaktdaten findest du hier