Sechs Wochen vorher Raumantrag… …oder Großeinsatz der Polizei?!
In den letzten Wochen gab es mehrere kleine Besetzungen von Hörsälen an verschiedenen Hochschulstandorten in Nürnberg und Erlangen im Zeichen von #endfossil. Studium, Lehre und Arbeit am Campus wurde davon nicht eingeschränkt… bis zum Montag, dem 12.12.2022. Lehramtsstudierende wollten auch am Campus Regensburgerstraße in Nürnberg das Lehrangebot der Universität durch selbstorganisierte Vorträge und Diskussionen zum Umgang mit der Klimakrise im Flur ergänzen.
Die Reaktion des Prodekanats? Es schränkte kurzerhand selbst die Lehre ein, indem alle Studierenden und Beschäftigten kurzfristig per Mail informiert wurden, dass aus nicht weiter spezifizierten „Sicherheitsgründen“ alle Veranstaltungen ab 17:15 ausfallen und die Gebäude verlassen werden müssen. Die Aktivist_innen rechneten dementsprechend mit einer potenziell gewaltsamen Räumung durch die Polizei – nichtsahnende Studis dachten teilweise, es gäbe eine Bomben- oder Amoklaufdrohung. Als die Polizei mit einem martialischen Aufgebot von 10 (!) Mannschaftswagen mit Unterstützungskommando (USK) einfuhr, traf sie auf friedliche Aktivist_innen, die sich noch im Gebäude befanden und bei der ersten Aufforderung hinaus gingen sowie etwa 50 weitere, die auf einer spontan angemeldeten Kundgebung lautstark ihren Unmut über das Vorgehen von Universitätsverwaltung und Polizei äußerten.
Mittlerweile konnte ein Kompromiss ausgehandelt werden: das Programm durfte die Woche über in Hörsälen stattfinden. Vizepräsidentin Bärbel Kopp schrieb eine Entschuldigungsmail an alle Studis und Beschäftigten des Standortes. Darin schenkt sie den Studierenden der FAU „das Vertrauen […], dass das Programm vor Ort ohne Störung uns Sicherheitsrisiken ablaufen wird“. Dass es dieses Vertrauen zuvor nicht gab, wird unter anderem damit begründet, dass man zuvor nicht gewusst hätte, dass die Aktivist_innen tatsächlich Lehramtsstudierende der FAU sind. Das zeigt: mehr Kommunikation im Vorhinein hätte die Störung der Lehre und den einschüchternden Polizeieinsatz obsolet gemacht. Und: es ist durchaus möglich, kurzfristig und selbstorganisiert Bildungsangebote auf dem Campus durchzuführen, ohne dass es irgendjemandem schadet._
_Wir möchten an dieser Stelle daran erinnern, dass progressivem studentischen Engagement an der FAU hier nicht zum ersten Mal Steine in den Weg gelegt werden. Alle Veranstaltungen, auch ein popeliger Infostand, müssen 6(!) Wochen im Voraus beantragt werden. Wenn eine Hochschulgruppe sich also bei Semesterbeginn das erste Mal zusammensetzt und Pläne schmiedet, dann noch Referent_innen anfragen muss und nach vier Wochen Vorlesungszeit mal so weit ist, die Veranstaltung fest terminieren zu können, bleibt im Wintersemester nur noch die Zeit nach Weihnachten – und da sind gleich schon wieder Prüfungen und niemand interessiert sich im Lernstress für weiterführende Inhalte. Hat man sehr diszipliniert alles schon im Vorfeld geplant (was die Gruppe natürlich wiederum unattraktiv für Erstsemester macht) und alle Fristen eingehalten, heißt das aber noch lange nicht, dass die Veranstaltung wirklich stattfinden kann. Laut den Richtlinien der FAU zur Raumvergabe sind nämlich „[a]llgemeinpolitische, parteipolitische, weltanschauliche sowie religiöse Veranstaltungen universitärer Einrichtungen […] in Universitätsräumen nur unter bestimmten Voraussetzungen genehmigungsfähig!“. Was das konkret bedeutet? Nun ja, uns wurde im Jahr 2019 ein Argumentationstraining gegen Rechts vom Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ verboten. Ist das politisch zu einseitig? Hätten wir vielleicht ein „Argumentationstraining für und gegen Rechts“ veranstalten dürfen? Auch die Vorstellung einer wissenschaftlichen Publikation zur Extremismustheorie, die der SDS ausrichten wollte, wurde vor einigen Jahren verboten. Wir sehen da keine Parteipolitik, wohl aber kritische Inhalte, denen man scheinbar keinen Raum geben wollte.
Laut der oben zitierten Mail, „[mag] das Polizeiaufgebot unverhältnismäßig erscheinen […]“ und dies sei „nachvollziehbar“, „der Einsatz war jedoch seitens der Polizei rein als „Kommunikationseinsatz“ geplant und die Manpower nur deshalb nötig, damit die Beamt_innen die Sicherheit in einem so unübersichtlichen und weitläufigen Gebäude gewährleisten kann“. Uns ist neu, dass das K in USK für Kommunikation steht. Auch verstehen wir nicht, warum der Prodekan sich unbewaffnet den Studierenden aussetzen konnte, die zur „Kommunikation“ herbeigerufene Polizei dafür aber mehr als 30 Bewaffnete in Schutzausrüstung braucht. Und wenn dieses einschüchternde Aufgebot nötig ist, um sicherzustellen, dass sich niemand mehr im Gebäude befindet, wie macht das denn der Schließdienst sonst am Abend? Wir fühlen uns in unserer Uni sicher. Uns ist auch kein_e einzige_r Studierende_r oder Beschäftigte_r bekannt, der/die sich am 12.12. unsicher gefühlt hat – bis zu den unklaren Warnungen und dem Polizeieinsatz jedenfalls. Solche Drohszenarien können tatsächlich gefährliche Situationen herbeiführen, wenn Menschen in Panik handeln. Jede_r der/die schon einmal mit dem USK zu tun hatte, weiß, dass ein solcher Einsatz auch wenn alles friedlich bleibt, durchaus einschüchternd sein kann. Und müssen wir wirklich erklären, dass unspezifische Sicherheitswarnungen jede*n das Schlimmste annehmen lassen und hier wirklich nicht angemessen waren??
Wir wollen eine sichere Uni, an der wir voneinander lernen können und unsere Zukunft in die Hand nehmen. Und das heißt:
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Keine Polizeieinsätze gegen studentische Proteste!
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Weg mit den Einschränkungen politischer Veranstaltungen durch Hochschulgruppen!
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Drängende Probleme können keine sechs Wochen warten und gestresste Studis sind keine professionelle Veranstaltungsagentur mit Jahresplan – weg mit den unrealistischen Antragsfristen!
Wir brauchen, insbesondere nach Corona und im Zeichen von menschheitsbedrohenden Krisen, dringend mehr (nicht nur) politisches Campusleben! Und wo Leben ist, da geht es nicht immer strikt bürokratisch zu. Gut so! Macht es wie #endfossil und nehmt euch den Raum zum Leben, Lernen und Kämpfen. Es lohnt sich!
English summary:
On December 12th, student climate activists wanted to protest on university ground at the “Campus Regensburgerstraße” by offering Workshops in the hallway all through the week. In the end, campus administration shut down the campus at 5pm (obviously interfering with teaching) and called the police who arrived with an absurd manpower of more than 30 heavily equipped officers while there were some peaceful activists remaining in the building. Everyone left the building after being asked to do so and there was no violence or criminal action. Still, students were unnecessarily intimidated and while the university climate protests of the last weeks never disturbed anyone, the university’s overreaction caused a mayor disturbance for teaching. By now, an apology email was written by the vice president for education and the activists were allowed to resume. This shows that calling the police was completely unnecessary as is the overly bureaucratic process student groups have to go through when they want to orderly register their events. They do not only have to register them six weeks in advance (almost half of a lecture period). Talks are sometimes even forbidden for being “too political” in a “one-sided” way, like the anti-right-wing argumentation workshop we wanted to do in 2019. We, the GEW Studis FAU, don’t want police on our campus. We want more student life without the present restrictions, and we want to thank the #endfossil activists for making a start!