Kirchliche Arbeitsverträge
Mehr Kirchlichkeit? Weniger Rechte?
Arbeitgeber fordert zu neuen Arbeitsverträgen auf und macht Druck. Wir informieren die Mitglieder.
Der Arbeitgeber hat Anfang Dezember die Beschäftigten der Coburg Inklusiv in einem Schreiben dazu aufgefordert, neue Arbeitsverträge zu unterschreiben. Sie sollen die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Diakonie Bayern zur Anwendung bringen. Nach seiner Auffassung bietet das offenbar ausschließlich Vorteile. Um Widerspruch vorzubeugen und den Druck zu erhöhen, erklärt er zusätzlich in klassischer Arbeitgebermanier, dass sich nun alle in der so genannten kirchlichen Dienstgemeinschaft befänden, dass das kirchliche Arbeitsvertragsrecht für die Coburg Inklusiv alternativlos sei, es keinen Tarifvertrag geben werde und oben drein, dass die Gewerkschaften lügen würden. Doch ist das wirklich alles so? Nein.
Niemand muss unterschreiben
Keine Kolleg*innen müssen sich vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt fühlen, einen neuen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen. Daran ändert auch die Fristsetzung bis zum 15. Dezember nichts. Wer einfach nichts tut, für den/die gilt der Arbeitsvertrag wie bisher weiter. Wer sich unsicher ist und Fragen hat, kann sich gern an GEW und ver.di wenden.
Gehaltsunterschiede AVR und TVöD
Schon mehrfach sind Vergleiche angestellt worden. Fazit bleibt: Die Gehälter sind, wenn nicht von Beginn an, nach wenigen Jahren monatlich unter denen des TVöD. Ausschließlich höher qualifizierte Beschäftigte liegen etwa gleichauf. Über eine lange Beschäftigungsdauer gesehen ist der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes für die Beschäftigten der Coburg Inklusiv also vorteilhafter.
Unser Ziel bleibt der Tarifvertrag
Der Arbeitgeber denkt, er kann nach Gutsherrenart festlegen, dass es keinen Abschluss eines Tarifvertrages geben wird. Es zeigt, wie sehr er die organisierten Beschäftigten der Coburg Inklusiv unterschätzt und wie sehr ihre Grundrechte mit Füßen getreten werden sollen.
Liebe Kolleg*innen, ihr seid die Gewerkschaften im Betrieb. Ihr entscheidet über die Forderung und Durchsetzung eines Tarifvertrages. Das kann euch der Arbeitgeber – kirchlich oder nicht kirchlich – nicht verbieten. Es ist euer Grundrecht.
Der Arbeitgeber will keinen Tarifvertrag. Das hat er deutlich gemacht. Dann werden wir ihn mit gewerkschaftlichen Mitteln überzeugen. Dafür braucht es uns alle!
Arbeitgeber unter Druck
Da die Beschäftigten der Coburg Inklusiv zu Recht widerständig sind, setzt der Arbeitgeber ihnen nun eine knappe und vorgeblich letztmalige Frist, schnell neue Arbeitsverträge zu unterzeichnen. Und ganz nebenbei erklärt der Arbeitgeber, warum das kirchliche Recht nun gewerkschaftliche Grundrechte ersetzen würde, da die Beschäftigten nun in der kirchlichen Dienstgemeinschaft angekommen seien. Dabei hat das alles nichts mit Kirchlichkeit zu tun. Es geht um Betriebswirtschaft. Der Betrieb ist dank jahrelangem schlechten Management in einer wirtschaftlich angespannten Situation. Jetzt sollen die Beschäftigten ihren Beitrag zur Sanierung leisten. In der Coburg Inklusiv sollte das durch Stundung der Jahressonderzahlung geschehen, im restlichen Diakonischen Werk sind bereits Notlagenregelungen beabsichtigt. Der Arbeitgeber behauptet zudem, es gäbe nach wie vor keine abschließenden Zahlen zur wirtschaftlichen Situation der Coburg Inklusiv. Weder MAV noch Gewerkschaften haben bislang Informationen erhalten. Das wirft die Frage auf, warum der Arbeitgeber ausgerechnet in dieser Situation durch Druck neue Arbeitsverträge durchsetzen will.
AVR: Kürzungen betrieblich möglich
Der Arbeitgeber lässt in seinem Schreiben einige wichtige Fakten vermissen. Wer einen AVR-Vertrag unterzeichnet, wird künftig davon betroffen sein, wenn der Arbeitgeber bei wirtschaftlichen Notlagen eine betriebliche Regelung über z.B. Kürzungen treffen will (Anlage 7 AVR-Bayern). Er ist dann nicht mehr darauf angewiesen jede*n Einzelne*n vorher zu fragen, sondern kann das mit der MAV verhandeln. In der Coburg Inklusiv ist so eine Absicht des Arbeitgebers eine reale Gefahr, wie die aktuelle Situation und wie sich auch schon zuvor gezeigt hat. Es bleibt also dabei: Sanierungsvorhaben müssen mit den Gewerkschaften verhandelt werden. Nur so behalten die Beschäftigten die Entscheidungen über das Ob und das Wie gemeinsam in der Hand.
AVR: Konsequenzen bei „kirchenfeindlichem Verhalten“
Wer einen Arbeitsvertrag mit der Anwendung der AVR unterzeichnet geht auch die besonderen kirchlichen Loyalitätsverpflichtungen ein, unabhängig von der eigenen Konfession oder Konfessionsfreiheit. Das bedeutet, wer sich „kirchenfeindlich“ verhält, setzt sich der Gefahr aus, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen, bis zu hin zur außerordentlichen Kündigung. Welche „Vergehen“ als „kirchenfeindlich“ anzusehen sind, ist nicht abschließend festgelegt. Ein konkretes Beispiel ist aber der Kirchenaustritt aus der Evangelischen Kirche, der zur außerordentlichen Kündigung führen kann (§ 13 Abs. 4 AVR-Bayern), unabhängig von den Gründen des Beschäftigten. Jede*r muss sich also gut überlegen, ob diese zusätzlichen, kirchlichen Loyalitätspflichten und dieser mittelbare Durchgriff des Arbeitgebers auf die eigene Lebensführung mit der Unterzeichnung eines AVR-Vertrages gewollt sind.
Arbeitgeber gerügt
Der Arbeitgeber hat behauptet, die Gewerkschaften würden lügen. Selbstverständlich ist das nicht der Fall. Im Schreiben geht es darum, wie der rechtliche Zusammenhang zwischen AVR und dem Tarifvertrag der Länder ist. Rechtlich richtig und somit wahrheitsgemäß ist: AVR sind kein Tarifvertrag. Es sind Allgemeine Geschäftsbedingungen, die erst dadurch für das einzelne Arbeitsverhältnis wirken, wenn und soweit sie im einzelnen Arbeitsvertrag in Bezug genommen werden. Ein Tarifvertrag wirkt kollektiv und unmittelbar und zwingend wie ein Gesetz und ohne mögliche Abweichungen zu Ungunsten der Mitglieder der vertragschließenden Gewerkschaften. Wir haben dem Arbeitgeber die Rechtslage nochmals erläutert und ihn aufgefordert, solche Äußerungen künftig zu unterlassen.