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Befragung der GEW

Heilpädagogische Förderlehrer*innen und Unterrichtshilfen benennen Mängel

Die heilpädagogischen Förderlehrer*innen (HFL) und heilpädagogischen Unterrichtshilfen (HPU) gehören zum Lehrpersonal an den Förderschulen in Bayern. Derzeit arbeiten etwa 2.000 von ihnen an Förderzentren und schulvorbereitenden Einrichtungen. Im Jahr 2020 befragten wir die Beschäftigten dieser kleinen und oft übersehenen Berufsgruppe nach ihrer beruflichen Situation. Thema des Fragebogens war: »Was belastet heilpädagogische Förderlehrer*innen und heilpädagogische Unterrichtshilfen in den bayerischen Förderzentren und Förderschulen in Bayern?« Die Resonanz war sehr groß. Knapp ein Drittel der Lehrkräfte beschrieb seine berufliche Situation differenziert und in großer Offenheit. Mit den nachfolgenden Zitaten aus den Rückmeldungen und entsprechenden Erläuterungen möchten wir auf die Notwendigkeit, die Situation der HFLs und HPUs an den Förderschulen zu verbessern, aufmerksam machen.

»Und das wirklich Anstrengende ist für mich, dass ich oft gar nicht in Worte fassen kann, was mich da so anstrengt. «

Die Mehrzahl der Beschäftigten beschreibt die Arbeit mit den Kindern als erfüllend. Sie bilden sich privat fort, bringen sich in Arbeitskreise ein und bemühen sich um verantwortungsvolle Kooperation zum Wohle des Kindes. Viele Beschäftigte fühlen sich aber von den Einrichtungs- oder Schulleitungen
alleingelassen. Unklare Aufgabenverteilungen in der Zusammenarbeit mit Sonderschullehrer*innen, fehlendes Vertrauen in ihre Arbeit, mangelnde Würdigung ihres Einsatzes in Klassenleitungen und bei Vertretungen werden als belastend und demotivierend benannt.

»Unsere Einrichtung ist nicht kindgerecht, veraltet und stark renovierungsbedürftig. Sanitärräume sind dringend sanierungsbedürftig, es gibt keinen Außenspielbereich und keinen kindgerechten Brandschutz.«

Die bauliche und räumliche, aber auch am Inventar bemessene Ausstattung vieler Schulen ist mangelhaft. Weite Wege zu den Toiletten sind das eine, zu wenige kindgerechte Toiletten oder fehlende ergonomische Wickelmöglichkeiten das andere. Letzteres erschwert auch die Pflege. Es gibt kein warmes Wasser und keine Duschen in den Schulen. Die Bausubstanz vieler Gebäude ist schlecht: Im Winter sind die Räume oft kalt, im Sommer überschreiten die Temperaturen oft die 30-Grad-Grenze. Lohnt sich die Frage nach einem Konzept für den Arbeits- und Gesundheitsschutz, z. B. im Hinblick auf den Schallschutz? Nein, denn es ist praktisch keiner vorhanden!

»Vor fünf Jahren musste man Spielregeln erklären, heute muss man erklären, wie würfeln geht.«

Die zunehmenden pädagogischen und erzieherischen Bedarfe der Kinder werden von vielen Kolleginnen und Kollegen kritisch beschrieben. Die gezielte Förderung beginnt oft bei den absoluten Basics. Kinder kommen mit immer weniger Ressourcen in die Einrichtungen: »Sie zeigen massive Auffälligkeiten in allen Bereichen (Sprache, Kognition, Sozialverhalten, Wahrnehmung, Motorik). Sie leiden zusätzlich oft unter gesundheitlichen Störungen wie z. B. ADHS, Epilepsie, Traumata, Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen.« Mit den Sprach- und Kulturbarrieren wird auch die Elternarbeit immer anspruchsvoller. Für Gespräche müssen, oft in Eigenregie und in der Freizeit, Dolmetscher*innen organisiert werden. Häufig finden die Gespräche am Abend statt, weil entweder die Eltern oder die Übersetzer*innen tagsüber ihrer Arbeit nachgehen.

»Die Rahmenbedingungen haben sich innerhalb der letzten 18 Jahre von Jahr zu Jahr verschlechtert.«

Durch den intensiven Förderbedarf hat sich der Zeitaufwand für fachübergreifende Kooperationen wie Gespräche mit Kinderärzt*innen, Logopäd*innen, Ergo- und Physiotherapeut*innen, Psycholog*innen oder mit Verantwortlichen der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe dramatisch erhöht.
Parallel dazu steigt der Anteil der administrativen Arbeiten zusehends: Lehr- und Förderpläne erstellen, Gespräche und Zielvereinbarungen dokumentieren, an Besprechungen, Konferenzen, Teamsitzungen und Arbeitskreisen teilnehmen zählen dazu. Dabei wird die grundsätzliche Notwendigkeit von Lehr-, Förder- und Lernplanung nicht infrage gestellt. Doch es fehlt oft an der nötigen Zuordnung der Verantwortlichkeiten, v. a. in der Zusammenarbeit mit Sonderschullehrkräften. Kritisch betrachtet wird auch die zunehmende Kommunikation über E-Mails, die zu Recht als Entgrenzung der Arbeitszeit empfunden wird.

»Ich wünsche mir weniger hierarchisches Denken, mehr Hintergrundwissen über das Berufsbild und die Ausbildungsinhalte, gleichberechtigtes Nebeneinander von Heil- und Sonderpädagog*innen, Anerkennung und Wertschätzung.«

Das Gefühl, alleingelassen zu werden, wird vielfach benannt. Dafür liefern die befragten Kolleginnen und Kollegen auch Erklärungen: fehlende Kultur des Austauschs im Schulhaus, fehlende Konzepte hinsichtlich der Kooperation der unterschiedlichen Professionen (Schulbegleiter*innen, Praktikant*
innen, Kinderpfleger*innen, HFLs/HPUs, Heilpädagog*innen, Therapeut*innen, Sonderschullehrer*innen) und fehlendes Personal. Viele Tätigkeiten wie das Reinigen der Lern- und Spielmaterialien, der Regale und Schränke, das Lösen von Problemen z. B. mit dem Schulbus, die Einarbeitung der Praktikant*innen,
Schulbegleiter*innen und Zweitkräfte gehen über das eigentliche Tätigkeitsprofil hinaus, ohne nennenswert in der Arbeitszeit berücksichtigt zu werden. Die Antworten der Umfrage beschreiben nicht nur einen Missstand. Sie legen eine bildungspolitische Fehlentwicklung offen, die billigend in Kauf genommen
wurde und wird. Gespart wird nicht nur am Gehalt der Beschäftigten, die die prekären Arbeitsbedingungen nur den Kindern zuliebe aushalten. Gespart wird auch an den Kindern! Und dies, obwohl für Verbesserungen keine schulpolitischen Umstürze nötig sind.

»Ich fühle mich gleichbleibend ausgenutzt.«

Auf die Frage, wodurch die Arbeitssituation verbessert werden könnte, antworten die Kolleg*innen einhellig: weniger Pflichtstunden, mehr Gehalt, mehr Anerkennung und Wertschätzung. Auch kleinere Gruppengrößen und eine bessere räumliche Ausstattung werden durchgängig gefordert. Gewünscht werden darüber hinaus gesundheitliche und psychosoziale Vorsorgemaßnahmen. Die aktuelle Situation der Corona-Pandemie zeigt, wie wenig der Arbeits- und Gesundheitsschutz trotz bestehender Gesetze bisher gilt. Es besteht schon lange extremer Handlungsbedarf, der bisher von den Verantwortlichen in den Behörden verschlafen oder ignoriert wird!

»Vom Fachpersonal ist eine zutiefst humanistische Grundhaltung gefordert; das braucht eine entsprechend qualifizierte Ausbildung.«

Um für die pädagogischen Herausforderungen gewappnet zu sein, regen die Kolleginnen und Kollegen den Ausbau zielgerichteter Fortbildungen an. Zeit für Team- und Reflexionsgespräche müsste fest in das Stundendeputat eingeplant und es müsste flächendeckend die Möglichkeit für Supervision angeboten werden. Diese Forderungen sind nicht nur unverzichtbar, sie sollten selbstverständlich sein.

»Seit 40 Jahren hat sich die personelle Situation in den schulvorbereitenden Einrichtungen (SVEs) nicht geändert.«

Dringend nötig ist vor allem eine Verbesserung des Personalschlüssels in den Einrichtungen. Doppelbesetzungen, eine ausreichende Anzahl an Zweitkräften und eine unkomplizierte Regelung bei der Bewilligung von zusätzlichem Betreuungsbedarf, wie z. B. mehr Stunden für die Schulbegleiter*innen, sind hier
zu nennen. Die Berechnungs- und Zuteilungsquoten, mit denen gegenwärtig Lehrer*innenstunden sowie Stunden für Zweit- und Pflegekräfte zugeteilt werden, gehen bisher an der realen pädagogischen Situation vorbei. Papier ist geduldig, der Verwaltungsapparat weit weg und die Verantwortung wird – getreu dem »Dienststellenmodell« – einfach nach unten delegiert. Der von der Politik völlig verschlafene Mangel an Fachpersonal in pädagogischen Einrichtungen muss durch sinnvolle Maßnahmen schnellstmöglich behoben werden. Dazu gehört vor allem, diese Berufe durch eine gerechte Bezahlung sowie durch Aufstiegs- und Qualifizierungsmöglichkeiten attraktiv zu machen. Die Anerkennung von Berufserfahrungsjahren bei gleichzeitiger Möglichkeit eines Bewährungsaufstiegs könnten viele Beschäftigte motivieren, sich weiter zu engagieren. Gleichzeitig könnte so die Kompetenz, die Qualität und die Erfahrung langjähriger Mitarbeiter*innen den Einrichtungen erhalten bleiben!

Dieser Artikel erschien ursprünglich in unserer Mitgliederzeitschrift DDS Ausgabe Januar/Februar 2021