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aus der DDS 9-2023

Tarifvertrag für studentische Beschäftigte

Seit etwas mehr als zwei Jahren geistert durch GEW- und ver.di-Gremien die ominöse Forderung nach einem TVStud. Doch was ist das? TVStud ist eine gemeinsame Kampagne der beiden Gewerkschaften und richtet sich an die studentischen Hilfskräfte in den Hochschulen.

Studentische Hilfskräfte (SHKs) sind überall im Hochschulalltag anzutreffen. Sie scannen für ihre Professorin einen Artikel oder lesen die Quellen im Aufsatz des Lehrstuhlinhabers Korrektur. In vielen Fachbereichen leisten sie durch die Leitung von Tutorien und Laborpraktika, Sprechstunden oder Korrekturen von Hausaufgaben einen unverzichtbaren Teil der universitären Lehre. Das herausstechende Merkmal studentischer Hilfskräfte ist, dass sie immatrikulierte Studierende sind und Aufgaben erledigen, die eng mit Forschung
und Lehre verknüpft sind.

Doch warum ist diese Definition so wichtig? SHKs nehmen tariflich bislang eine Sonderstellung ein. Sie sind nach § 1 Absatz 3 Buchstabe c TV-L vom Tarifvertrag der Länder ausgenommen und verdienen an den meisten Hochschulen vor ihrem Bachelorabschluss nur den Mindestlohn. An dieser Stelle hakt TVStud ein: Die Aktivist*innen der Bewegung fordern die Aufnahme der studentischen Hilfskräfte in den Tarifvertrag der Länder (TV-L). Sie sind Angestellte des jeweiligen Bundeslandes, also auch des Freistaates Bayern. Deshalb müssen sie beim TV-L (mit)verhandelt werden.

Exkurs: Studentische Beschäftigte, die verwaltungstechnische Aufgaben übernehmen, müssten schon jetzt nach TV-L eingruppiert werden. Doch fast alle bayerischen Hochschulen begehen hier Tarifflucht, gegen die sich nur wenige wehren. Die studentischen Beschäftigten der Universitätsbibliothek Regensburg gingen 2018 dagegen vor: Erfolgreich erkämpften sie die Eingruppierung nach TV-L, mit Unterstützung der GEW-Rechtsabteilung und der lokalen GEW-Hochschulgruppe.

Warum ist ein Tarifvertrag wichtig?

Dass ein Tarifvertrag wirkt, zeigt der bislang bundesweit einmalige TVStud in Berlin1, z. B. wenn es um die Länge der Laufzeit von Arbeitsverträgen geht. Während die Laufzeit im Bundesdurchschnitt bei knapp fünf Monaten (ein Semester) liegt, liegt sie in Berlin bei mindestens 14 Monaten. Der erste Fall mündet meist in sogenannte Kettenbefristungen oder in ein plötzliches Ende des Arbeitsverhältnisses. Für die Studierenden bedeutet dies ein Leben in großer Planungsunsicherheit. Auch bezüglich der Vergütung konnte bei der Neuverhandlung des TVStud Berlin 2018 eine deutliche Verbesserung erkämpft werden.

Die nächste Tarifrunde bietet eine historische Chance für die Eingruppierung studentischer Hilfskräfte in den TV-L: Durch die stete Arbeit der TVStud-Bewegung hielten bereits sechs Bundesländer die Tarifierung studentischer Beschäftigter in ihren Koalitionsverträgen fest, zwei sprechen sich für Verbesserungen aus und in Berlin existiert der Tarifvertrag bereits. Nachdem Hessen kein Mitglied in der Tarifgemeinschaft der Länder ist, steht es derzeit also neun zu sechs für einen studentischen Tarifvertrag.

Der Weg zum Tarifvertrag

Um tarifiert zu werden, sollten studentische Beschäftigte im Herbst streikfähig sein. Für alle Gewerkschaftsmitglieder wird im Rahmen des Arbeitskampfes dann auch Streikgeld gezahlt. Doch um streiken zu können, müssen noch die Zielzahlen der verhandlungsführenden
Gewerkschaft, also ver.di, erreicht werden. Das bedeutet für die TVStud-Bewegung: Es müssen noch viele 1:1-Gespräche geführt sowie Tarifbotschafter*innen und neue Gewerkschaftsmitglieder gewonnen werden. Und es müssen noch viele die Onlinebefragung ausfüllen.
Nachdem nun ver.di und GEW ihre Verhandlungskommissionen besetzt haben, wird jetzt vor allem online mobilisiert, um möglichst alle auf die Kampagne aufmerksam zu machen, bevor es dann im Herbst in den Arbeitskampf geht. Ein Blick in die Gruppen zeigt: Die Bewegung ist auf dem besten Weg! Nach mehreren Semestern des Organizings ist TVStud bundesweit an vielen Hochschulstandorten vertreten.

Sollten studentische Beschäftigte nicht in den TV-L aufgenommen werden, bleibt: Über zwei Jahre lang setzten sich Studierende bundesweit mit Tarifpolitik auseinander, sie machten sich mit dem Organizing-Ansatz vertraut und erlernten ein Bewusstsein für ihre Position. Viele organisierten sich hier zum ersten Mal, hoffentlich wird ihr Einsatz von Erfolg gekrönt.

Lea Dahms ist Mitglied im Landesvorstand der GEW Bayern und Aktivistin bei TVStud Passau.

Dieser Artikel erschien in der DDS September 2023 mit dem Schwerpunkt Hochschule. 

Anmerkungen:

1 Dieser Tarifvertrag wurde 1968 erstmals erkämpft und hat eine turbulente Geschichte, die Interessierte hier nachlesen können: Gerold Büchner: Bis hierher und nicht weiter: der Berliner Tutorenstreik 1986. Hamburg, VSA-Verlag, 1986. Celia Bouali u.a. (Hg.): Ohne uns läuft hier nix! Der Arbeitskampf der studentischen Beschäftigten in Berlin. Hamburg, VSA-Verlag, 2019

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