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Ein Kommentar

Gegen Denk- und Sprachverbote – Bildung muss frei bleiben

Der stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Bayern, Florian Kohl mit einem Kommentar zum "Genderverbot" in allen bayerischen staatlichen Behörden, und damit auch in Schulen und Hochschulen.

Die CSU verkündete die Entscheidung der Staatsregierung laut, deutlich und äußerst medienwirksam. Ab sofort gibt es ein „Genderverbot“ in allen bayerischen staatlichen Behörden, und damit auch in Schulen und Hochschulen. Mehrgeschlechtliche Schreibweisen durch Wortbinnenzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt, Unterstrich oder Mediopunkt sind im dienstlichen Schriftverkehr damit unzulässig. Das wird nach einer Entscheidung des Ministerrates ab dem 1. April 2024 ausdrücklich in der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) stehen.

In erster Linie ändert sich dadurch nicht viel. Die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung war bereits bislang in den Behörden und Schulen anzuwenden. Erst im Dezember 2023 bekräftigte der Rat für deutsche Rechtschreibung seine Empfehlung, allen Menschen mit einer geschlechtergerechten Sprache zu begegnen, sprach sich aber gegen die Aufnahme der Schreibung mit Sonderzeichen ins amtliche Regelwerk aus. Die Begründung: Geschlechtergerechte Texte müssten sachlich korrekt, verständlich und lesbar sowie vorlesbar und mit Blick auf Blinde, Sehbehinderte und die Tendenz, Texte in den Medien in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen, barrierefrei sein. 

Das Kultusministerium konkretisierte das „Genderverbot“ mit einem kurzen Schreiben an alle Schulen. In der Kommunikation mit Eltern und in veröffentlichten Texten in Jahresberichten oder auf der Schulhomepage ist von der Verwendung von Wortbinnenzeichen abzusehen. Das gilt allerdings nur für staatliche Schulen. Das Kultusministerium empfiehlt privaten und kommunalen Schulen aber deutlich (fett und unterstrichen), ebenso zu verfahren. Unterrichtsmaterial soll frei sein von amtlich nicht abgesegneten Wortkonstruktionen und Lehrkräfte werden angewiesen, die Verwendung von verbotenen Sonderzeichen im Genderkontext anzustreichen, aber nicht als Fehler zu werten.

Es hat schon seinen Grund, dass vor allem die CSU das „Genderverbot“ so laut und deutlich präsentiert und medial aufbläst. Es ist mehr als nur ein Sprach- und Schreibverbot. In einem von der AfD erschaffenen „Kulturkampf“ ergreift sie Partei und führt einen harten Schlag gegen eine menschenfreundliche und humane Community aus, die angeblich die Freiheiten aller bedroht. Dabei bleibt die CSU ihrer Rhetorik treu: Man kämpfe eben gegen alles, was dem einfachen Mann (!) vorschreiben wolle, was man zu essen, zu trinken, zu konsumieren und wie man zu sprechen habe. Und sorgt mit einem autoritären Verbot ohne vorherige Absprache mit den betroffenen Ministerien genau für das Gegenteil: Deutschland lacht über die Verbotspartei CSU. Wer applaudiert? Die AfD, die ebenfalls gegen „linksgrüne Sprach- und Sprechvorgaben“ ist – die es freilich nie gab. Billigen Stimmenfang im rechten Lager könnte man das nennen, populistische Ablenkungsmanöver von den wahren Problemen – die CSU hat sich mit ihrer Entscheidung, ohne Not in den vermeintlichen „Kulturkampf“ einzusteigen, aber auch für eine politisch ultrarechte Seite entschieden. 

Menschen verwenden das Wortbinnenzeichen in ihrer Sprache, um eine weltanschauliche Haltung auszudrücken, die ungerechte und ausgrenzende Strukturen überwinden und alle Menschen sichtbar machen will. Die Welt ist nicht binär und die Vorstellung von „Männlein und Weiblein“ auch wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Dank der gesellschaftlichen Entwicklung ist schwul, lesbisch, bisexuell, trans, inter oder queer zu sein kein Tabu mehr – und das ist im Sinne einer demokratischen, offenen und freien Gesellschaft auch gut so.

Und dennoch: Wir sind weit von der Gleichberechtigung aller Menschen in unserer Gesellschaft entfernt, und das fängt schon bei der klassischen Dichotomie Mann und Frau an. Vorurteile, Bedrohung, Diskriminierung und Gewalt begleiten queere Menschen nach wie vor in ihrem Alltag. Es ist gut und wichtig, dass sich Menschen, allen voran Betroffene, Gedanken darüber machen, wie Diskriminierung bekämpft werden kann, damit niemand in unserer Gesellschaft Angst haben muss, weil er*sie nicht einer vermeintlich mehrheitlichen Norm entspricht. Und es ist gut und wichtig, wenn auch dafür gestritten wird, dass diese Haltung selbstverständliche Grundlage unseres Zusammenlebens wird. Dazu gehört natürlich auch das Denken über Sprache und das Sichtbarmachen von Denkmustern und -strukturen, die erst durch den Sprachgebrauch entstehen. Gerade an Schulen und Hochschulen müssen diese Diskussionen und Debatten in angstfreien Räumen möglich sein.

Sprache erzeugt Bilder. Mit ihrem „Genderverbot“ hat die bayerische Staatsregierung nicht nur einen bestimmten Sprachgebrauch verboten, sondern auch Bilder in den Köpfen der Menschen – und bewegt sich dabei in unheilvoller Tradition. Doch Bilder in den Köpfen der Menschen haben sich noch nie verbieten lassen. Ich wünsche mir von allen Menschen den Mut, Bilder weiterzudenken und die Diskussionen weiterzuführen. Das Schreiben des Kultusministeriums endet übrigens mit dem Auftrag an alle Lehrkräfte: Sie seien angehalten, auch weiterhin „für einen reflektierten, toleranten und von gegenseitigem Verständnis getragenen Umgang mit der Thematik der geschlechtergerechten Sprache zu sensibilisieren.“ Zynischer geht es kaum.

von Florian Kohl

stellvertretender Vorsitzender der GEW Bayern

Kontakt
Florian Kohl
stellvertretender Vorsitzender, Bereich Schule
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