Das Problem
»Mir wurde geraten, einen Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung zu stellen. Habe ich dadurch Nachteile zu befürchten?«
»Ich habe einen GdB von 50 anerkannt bekommen. Ab wann bekomme ich die Unterrichtsermäßigung?«
»Ich soll als Schwerbehinderte als Begleitperson ins Schullandheim mitfahren. Wegen meiner Behinderung sehe ich mich dazu nicht in der Lage.«
Die Rechtslage im Überblick
Rechtsgrundlage ist das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX). Schwerbehindert im Sinne des Gesetzes sind Personen mit einem Grad der Behinderung von 50. Eine rechtliche Gleichstellung ist bei einem Grad der Behinderung ab 30 möglich, wenn infolge der Behinderung ohne die Gleichstellung ein geeigneter Arbeitsplatz nicht erlangt oder behalten werden kann. Der Antrag auf Gleichstellung muss bei der Agentur für Arbeit gestellt werden-
Die »Richtlinien über die Inklusion behinderter Angehöriger des Öffentlichen Dienstes in Bayern« gelten für sämtliche Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Freistaates Bayern, somit auch für den Bereich des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. In diesen Richtlinien wird ausgeführt, dass für Menschen mit einem Grad der Behinderung von 30, die nicht gleichgestellt sind, im Einzelfall geprüft werden soll, ob besondere, der Behinderung angemessene Maßnahmen in Betracht kommen.
Darüber hinaus hat das Kultusministerium in eigenen Bekanntmachungen diese Regelungen für den Bereich der Schulen konkretisiert. Die jeweiligen Inklusionsvereinbarungen sind, getrennt nach Schulform und Regierungsbezirk, auf der Internetseite des KM nachzulesen. Bei einigen Bezirksregierungen existieren auch Integrationsvereinbarungen zwischen Bezirkspersonalrat, Schwerbehindertenvertretung und Dienststelle.
Einstellung
Bewerbungen schwerbehinderter Lehrkräfte ist bei sonst im Wesentlichen gleicher Eignung der Vorzug zu geben.
Schwerbehinderte Menschen können auch dann in ein Beamt:innenverhältnis auf Lebenszeit berufen werden, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich ist. Sie müssen nach dem amtsärztlichen Gutachten lediglich noch wenigstens fünf Jahre dienstfähig sein.
(Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 3 LlBG, BayInklR Kapitel 4.6 , besonders 4.6.1 und 4.6.2)
Dienstliche Beurteilung
Schwerbehinderte Beamtinnen und Beamte dürfen bei der Beurteilung nicht benachteiligt werden. Auch bei der Vergabe von Leistungsprämien ist das Vorliegen einer Schwerbehinderung angemessen zu berücksichtigen. (Art. 67 BayBesG, außertarifliche Maßnahmen im Arbeitnehmerbereich)
Die Schwerbehindertenvertretung ist frühzeitig über das Anstehen der dienstlichen Beurteilung und über das der Beurteilenden bekannte Ausmaß der Behinderung zu informieren. Dies gilt nicht, wenn schwerbehinderte Beschäftigte auf Befragen die Beteiligung ablehnen. Die Information der Schwerbehindertenvertretung muss konkret über jede einzelne zu beurteilende Beamt:in erfolgen. (BayInklR, Kapitel 9.6)
Stundenermäßigung
Um die Integration von schwerbehinderten Lehrkräften zu erleichtern, haben diese Anspruch auf folgende Nachteilsausgleiche:
GdB | Wochenstunden |
50-60 | 2 |
70-80 | 3 |
90-100 | 4 |
Die Stundenermäßigung wird ab Vorlage des Schwerbehindertenausweises gewährt. (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 22. August 2019, Az.III.5-BP7004-4b.72 879, BayMBl. Nr. 384)
Mehrarbeit
Schwerbehinderte Beschäftigte werden auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt. (SGB IX §§ 124 und 207, BayInlR Kapitel 6.5)
Arbeitsbedingungen
Für schwerbehinderte Menschen müssen die jeweils bestmöglichen Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Bei Lehrkräften betrifft dies z. B. die Organisation des Unterrichts, die Stundenplangestaltung, die Pausenaufsicht und den Einsatz bei Schullandheimaufenthalten und Wanderungen. In Integrationsvereinbarungen sind hierzu konkrete Festlegungen getroffen worden. (BayInklR Kapitel 7, Arbeitsbedingungen)
Beförderung
Bei einer Bewerbung auf höher bewertete Stellen sind schwerbehinderte Menschen bei im Wesentlichen gleicher fachlicher und persönlicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen. (BayInklR Kapitel 6.8, Übertragung höherwertiger Tätigkeiten, Gesetz über die Leistungslaufbahn LlbG Art. 21 Abs. 1 und 2)
Steuerfreibeträge für die Lohn- und Einkommenssteuer
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 können anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG einen Steuerfreibetrag (Pauschbetrag) bei der Einkommenssteuererklärung geltend machen.
Die Höhe des Pauschbetrags richtet sich nach dem dauernden Grad der Behinderung. Als Pauschbeträge werden gewährt bei einem Grad der Behinderung.
von 25* und 30* | 310 Euro |
von 35* und 40* | 430 Euro |
von 45* und 50 | 570 Euro |
von 55 und 60 | 720 Euro |
von 65 und 70 | 890 Euro |
von 75 und 80 | 1060 Euro |
von 85 und 90 | 1230 Euro |
von 95 und 100 | 1420 Euro |
(§ 33b Abs. 3 EstG und § 65 EstDV, Nachweis der Behinderung)
* Die Pauschbeträge können nur bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen abgesetzt werden. Die Pauschbeträge wurden zuletzt 1975 angepasst. Stand Oktober 2020 hat der Bundesrat einen Gesetzesentwurf zur Erhöhung der Pauschbeträge beschlossen. (Deutscher Bundestag, Drucksache 19/21985)
Mobile Reserve
Schwerbehinderte Menschen sind vom Dienst in der Mobilen Reserve freigestellt, können jedoch auf Antrag einbezogen werden (KMBek vom 27.03.2000 Nr. IV/3-P 7028-4/11 179, veröffentlicht im KWMBl. I 2000 S. 95). In den einzelnen Integrationsvereinbarungen der Bezirksregierungen wird hierzu formuliert: »Der Einsatz schwerbehinderter Beschäftigter in der Mobilen Reserve ist nur mit deren Zustimmung möglich.«
Maßnahmen der medizinischen Vorsorge, medizinischen oder beruflichen Rehabilitation
Schwerbehinderten verbeamteten Lehrkräften kann eine stationäre Rehabilitation auch außerhalb der Ferienzeiten genehmigt werden. (Ziff. 12.4.1 BayInklR) Für angestellte Lehrkräfte ist dies ohnehin außerhalb der Ferienzeiten möglich.
Ruhestandsversetzung
Auch im Rahmen der neuen Ruhestandsregelungen (Stand Oktober 2020) können schwerbe-hinderte Kolleginnen und Kollegen nach Vollendung des 60. Lebensjahres auf Antrag in den Ruhestand versetzt werden, müssen dabei aber einen Versorgungsabschlag hinnehmen. ( Art. 64 Nr. 2 BayBG und Art. 14 Abs. 3 BeamtVG) Der Versorgungsabschlag beträgt bei Ruhestandseintritt vor den oben genannten Terminen für jeden Monat 0,3 %, d. h. für jedes volle Jahr 3,6 %. Der Abschlag ist jedoch auf maximal 10,8 % begrenzt. Das Alter, ab dem es keinen Versorgungsabschlag mehr gibt (Referenzalter), liegt seit der Dienstrechtsreform bei 65 Jahren.
Es gibt allerdings eine Übergangsregelung (Art. 106 Abs. 2 BayBeamtVG):
- An die Stelle des 65. Lebensjahres tritt bei vor dem 1. Januar 1952 Geborenen die Vollendung des 63. Lebensjahres.
- An die Stelle des 65. Lebensjahres treten bei nach dem 31. Dezember 1951 und vor dem 1. Januar 1964 Geborenen folgende Referenzalter für die abschlagsfreie Versorgung:
Geburtsdatum bis | Lebensalter | |
Jahr | Monat | |
31. Januar 1952 | 63 | 1 |
29. Februar 1952 | 63 | 2 |
31. März 1952 | 63 | 3 |
30. April 1952 | 63 | 4 |
31. Mai 1952 | 63 | 5 |
31. Dezember 1952 | 63 | 6 |
31. Dezember 1953 | 63 | 7 |
31. Dezember 1954 | 63 | 8 |
31. Dezember 1955 | 63 | 9 |
31. Dezember 1956 | 63 | 10 |
31. Dezember 1957 | 63 | 11 |
31. Dezember 1958 | 64 | |
31. Dezember 1959 | 64 | 2 |
31. Dezember 1960 | 64 | 4 |
31. Dezember 1961 | 64 | 6 |
31. Dezember 1962 | 64 | 8 |
31. Dezember 1963 | 64 | 10 |
Wer zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung wegen Schwerbehinderung das 64. Lebensjahr vollendet hat und gleichzeitig eine Dienstzeit von 40 Jahren erreicht hat, muss keinen Abschlag hinnehmen.
Schwerbehindertenvertretung
An jeder Dienststelle, in der wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, werden eine Vertrauensperson und mindestens ein stellvertretendes Mitglied gewählt. (§ 177 Abs. 1 SGB IX) Die Schwerbehindertenvertretung ist in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe betreffen, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung zu hören. (§ 178 Abs. 2 SGB IX)
Tipps für die Praxis
Niemand sollte sich aus Unwissenheit über die rechtliche Absicherung von der Anerkennung der Schwerbehinderung abhalten lassen.
Der Antrag auf Feststellung des Vorliegens einer Behinderung kann im Internet auf der Seite des Zentrums für Familie und Soziales in Bayern (www.zbfs.bayern.de) online gestellt bzw. heruntergeladen werden. Vor der Antragstellung ist es ratsam, Kontakt mit der Schwerbehindertenvertretung (Vertrauensperson) aufzunehmen.
Da in diesem Ratgeberartikel nur ein Überblick über wichtige Bestimmungen gegeben werden kann, empfiehlt es sich, besonders die Teilhaberichtlinien und ggf. die Integrationsvereinbarungen genau zu lesen.
von Karoline Höbner
Quellen:
Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016, BGBI.l S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 14. Dezember 2019 (BGBI.l S. 2789)
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat über die Richtlinien über die Inklusion behinderter Angehöriger des Öffentlichen Dienstes in Bayern (Bayerische Inklusionsrichtlinien – BayInklR) vom 29. April 2019 (BayMBl. Nr. 165)
https://www.km.bayern.de/lehrer/dienst-und-beschaeftigungsverhaeltnis/schwerbehinderte-lehrkraefte.html Dienstordnung für Lehrkräfte an staatlichen Schulen in Bayern (Lehrerdienstordnung – LDO), § 8 Abs. 1 Bayerische Arbeitszeitverordnung § 12 Arbeitszeit für schwerbehinderte Beamte
Schwerbehinderte Beamt:innen sind auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freizustellen (§ 2 Abs. 3, § 5 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 1)
Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3366, 3862), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 28. Juli 2015 (BGBl. I S.2702)
Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslauf-bahngesetz – LlBG) vom 5. August 2010 (GVBl. S. 571), zuletzt geändert am 17.07.2015m 24. Juli 2020 (§3 GVBl. S. 240, 368)
Bayerisches Beamtengesetz vom 29. Juli 2008 (BayBG)
Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) vom 5. August 2010 (GVBl. S. 410, 528), zuletzt geändert am 24.07.2015 (§5 GVBl. S. 266)
Integrationsvereinbarungen mit den Bezirksregierungen, jeweils veröffentlicht in deren Schulanzeigern
Bayerisches Staatsministerium der Finanzen: Hinweise zum Öffentlichen Dienst. Hinweise zum Thema Schwerbehinderung (Februar 2010)
ein Überblick über wichtige Bestimmungen gegeben werden kann, empfiehlt es sich, besonders die Teilhaberichtlinien und ggf. die Integrationsvereinbarungen genau zu lesen.