Das Problem
An Privatschulen arbeiten häufig verbeamtete Lehrer:innen, aber auch angestellte staatliche Lehrkräfte, insbesondere Heilpädagogische Unterrichtshilfen (HPU) und Heilpädagogische Förderlehrer:innen (HFL) an Förderschulen, die zur Dienstleistung einem privaten Träger »zugeordnet« sind. Dieses »Leiharbeitsverhältnis« führt zu einer Reihe von Konflikten: Welche Rechte bleiben den Beamt:innen, und wie weit reichen die Kompetenzen des privaten Schulträgers? Bayern besitzt ein sehr großzügiges Privatschulrecht.1,2,3,4 In weiten Bereichen des Förderschulwesens nehmen die privaten Träger nahezu eine Monopolstellung ein. Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung und Schulen mit dem Förderschwerpunkt Soziale und Emotionale Entwicklung sind fast ausschließlich in privater Trägerschaft. Ganze Landkreise haben nur private Förderschulen. Folglich haben dort Studienrät:innen im Förderschuldienst nahezu keine Möglichkeiten, mit ihren im Studium gewählten Schwerpunkten an staatlichen Schulen zu arbeiten!
Die Rechtslage im Überblick
Angestellte beim privaten Träger
Natürlich gibt es an Einrichtungen mit privater Trägerschaft Kolleg:innen unterschiedlicher pädagogischer Professionen – nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Erzieher: innen, Pflegekräfte usw., deren Arbeitsverhältnis als Angestelltenverhältnis zu betrachten ist. Für sie gelten entweder die Tarifverträge TVL oder TVöD oder ein individuell ausgehandelter Vertrag, wenn der Arbeitgeber nicht mehr in einem Arbeitgeberverband (z. B. KAV, kommunaler Arbeitgeberverband in München) organisiert ist. Besondes in letzterem Fall wird eine Vergütung manchmal völlig frei verhandelt, über Jahressummenverträge vereinbart oder in Anlehnung an TVL festgesetzt. Hier regelt leider der Markt bzw. die Arbeitsmarktlage die Bedingungen und geschicktes Verhandeln zahlt sich aus. Rechtlich gilt das Angestelltenrecht.
Zugeordnete Beamt:innen bei privaten Trägern
Die folgenden Ausführungen beziehen sich schwerpunktmäßig auf die rechtliche Situation der zugeordneten Beamt:innen. Seit 2005 gibt es nach der Neufassung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes 4 für die rechtliche Situation der Arbeitsleistung von Beamt:innen an Privatschulen den Begriff der »Zuordnung zum Schulträger«. Im Bayerischen Beamtengesetz findet sich diese Hilfskonstruktion jedoch nicht. Damit ist der Status solcher Lehrkräfte beamtenrechtlich nicht eigens definiert, sondern von staatlicher Seite so festgelegt, dass sich die rechtliche Ausgestaltung der Zuordnung nach § 20 Abs.1 Nr. 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtSTG)6 richtet: »Dem Beamten kann (...) mit seiner Zustimmung vorübergehend eine seinem Amt entsprechende Tätigkeit zugewiesen werden 1. (...) 2. bei einer anderen Einrichtung, wenn öffentliche Interessen es erfordern.« In den aktuellen Einverständniserklärungen ist also von »Zuordnung an eine private Schule im Rahmen einer Zuweisung« die Rede. Das Einverständnis dazu gibt die Beamt:in per Unterschrift.
Es existieren eindeutig zwei »Zuständigkeiten«:
Der Freistaat Bayern ist der Dienstherr, der durch das Kultusministerium bzw. die Bezirksregierung vertreten wird, d. h. alles, was den Beamt:innenstatus betrifft, hat jenes oder im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Regierung zu regeln. Angelegenheiten, die den Status betreffen, sind zum Beispiel Beförderungen, Versetzungen, Abordnungen, Ruhestand, aber auch Beihilfe, Reisekosten oder Trennungsgeld.
Der Träger der Schule ist der Arbeitgeber, zu dem die Beamt:in auch ohne Vertrag in einem »arbeitnehmerähnlichen« Verhältnis steht. Der Arbeitgeber hat ein Direktionsrecht gegenüber allen Beschäftigten, die in seinen Betrieb eingeordnet sind, auch gegenüber den »zugeordneten« Beamt:innen. Diese sind sozusagen quasi »Leiharbeiter:innen«. Die Lehrkräfte werden für den Unterricht und die damit verbundenen Aufgaben »zugeordnet«, d. h. dass sich das Weisungsrecht des Schulträgers auf den Lehrplan, die Lernmittel, die Lehrmethode und die Organisation beschränkt. (Art. 31 BaySchFG)4.
Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung darf von »zugeordneten« Beamt:innen nicht mehr verlangt werden, als der Staat im eigenen Bereich zulässt, etwa bei der Unterrichtspflichtzeit. Innerhalb dieser Grenzen, die durch Lehrerdienstordnung (LDO)5 und Bayerisches Erziehungs-und Unterrichtsgesetz (BayEUG)3 gesetzt werden, kann der Träger die Arbeitsbedingungen nach seinen Vorstellungen gestalten. In Art. 31 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (BaySchFG)4 steht: »Die Lehrkräfte werden für den Unterricht und die damit verbundenen Aufgaben sowie gegebenenfalls zur Leitung einer Schule zugeordnet; die Unterrichtspflichtzeiten des zugeordneten staatlichen Personals sind die gleichen wie an staatlichen Schulen. Andere Tätigkeiten bedürfen der Vereinbarung zwischen Schulträger und dem staatlichen Personal; die Tätigkeiten sind Nebentätigkeiten im Sinn des staatlichen Dienstrechts. Der Schulträger kann durch seinen gesetzlichen Vertreter über die Schulleiterin oder den Schulleiter dem staatlichen Personal Weisungen zum Lehrplan, zur Lehrmethode und zu den Lernmitteln sowie zur Organisation geben. Dem Schulträger obliegt die örtliche Fürsorgepflicht auch für die ihm zugeordneten staatlichen Beamten und Angestellten.« Dagegen können »zugeordnete« Lehrkräfte nicht in Schüler:innenfreizeiten während der Ferien eingesetzt werden, es sei denn, der Träger trifft hierzu eine eigene Vereinbarung mit der Lehrkraft.
Betriebsverfassungsrechtliche Stellung an der Privatschule
Seit einer Änderung des § 5 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVB)7 von 2009 gelten nunmehr zugeordnete Beamt:innen als Arbeitnehmer:innen im Sinne des Betriebsverfassungsrechts: »Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamt:innen, Soldat:innen sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.« Dies wiederum bedeutet u.a., dass sie sowohl das aktive wie passive Wahlrecht zur Betriebsratswahl beim privaten Träger besitzen.
Personalvertretungsrechtliche Stellung der zugeordneten Beamt:innen
Bezüglich aller statusrechtlichen Angelegenheiten (s. o.!) haben die Beamt:innen eine zweite Personalvertretung, nämlich den jeweils zuständigen Personalrat. Dies ergibt sich eben auch aus den oben geschilderten zwei Zuständigkeiten.
Auswirkungen der gesetzlichen Regelungen
Jede verbeamtete Lehrkraft kann auf eigenen Antrag oder auf Antrag des Schulträgers unter Aufhebung der Zuordnung wieder zurück in den staatlichen Schuldienst. Dass Kolleg:innen die Zustimmung zur Zuordnung zurückziehen, um somit wieder an einer staatliche Schule zu arbeiten, kommt durchaus vor und ist ein legitimes Mittel. Der Träger kann seinerseits jede »zugeordnete« Beamt:in wieder an den Staat zurückgeben, wenn er mit ihrer Tätigkeit nicht einverstanden ist. In der Praxis kommt dies nur hin und wieder nach Zerwürfnissen von Schulleitungen mit den Schulträgern vor. Die »Rückgabe« von Beamt:innen ist sehr, sehr selten. Diese Rückgabe bedeutet keine beamtenrechtliche Versetzung, bei der der Personalrat einzuschalten wäre, sondern nur das Ende der Zuordnung. Allerdings sollte bei einer nur durch den Träger veranlassten Rückgabe der Betriebsrat gehört werden.
Das Kultusministerium bzw. die Regierung muss dann die verbeamtete Lehrkraft entsprechend ihrer Qualifikation und Dienststellung wieder adäquat einsetzen. Sie verspricht, diesen Einsatz möglichst wohnortnah zu gestalten. Besonders bei Lehrkräften an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung (weitgehende Privatisierung, siehe Ausführung oben) wird dieses Versprechen nicht leicht einzuhalten sein.
Der private Träger kann nicht nur seine Vorstellung bei der Auswahl der beschäftigten Lehrkräfte einbringen, zusätzlich hat er auch das Recht, die Stelle der Schulleitung zu besetzen. Ausschreibungen finden zwar meist statt, der Träger ist aber nicht gehalten, nach den staatlichen Kriterien (Dienstliche Beurteilung, Ausschreibung) zu entscheiden, d. h. besser Beurteilte haben u. U. das Nachsehen. Überwirft sich nun nach einiger Zeit der Träger mit einer so ausgewählten Schulleitung und gibt sie dem Staat zurück, hat die verbeamtete Lehrkraft als Versorgungsfall Anspruch auf eine entsprechende staatliche Stelle.
Der private Träger kann aufgrund der Privatschulfreiheit (Art. 7 Abs. 4 GG, Art. 134 BV)1,2 an seiner Schule auch eigene Vorschriften erlassen. Denn: BayEUG3 und Schulordnungen gelten nur zum Teil, die LDO5 gilt möglicherweise überhaupt nicht. Dem privaten Träger wird nur empfohlen, nach LDO zu verfahren.
Tipps für die Praxis
- Führen Sie ausführliche Gespräche mit dem Träger und der Schulleitung über die Gestaltung des Dienstverhältnisses oder Arbeitsverhältnisses als Angestellte.
- Fragen Sie nach den an der Schule gültigen Regelungen (z. B. trägereigene Lehrerdienstordnung).
- Nehmen Sie Einblick in vorhandene Betriebsvereinbarungen.
- Schließen Sie mit dem Träger einen Beschäftigungsvertrag, in dem Ihnen Gleichbehandlung mit Lehrkräften an staatlichen Schulen garantiert wird.
- Informieren Sie sich bei der GEW.
- Geben Sie Ihr Einverständnis zur Zuordnung erst, wenn Sie über die Konsequenzen dieses Schrittes aufgeklärt wurden.
Was die GEW dazu meint
Die GEW lehnt das bayerische Privatschulrecht insbesondere wegen seiner eklatanten Bevorzugung der kirchlichen Träger ab. Solange die Rechtslage so verworren ist, sollte der Schritt zu einem privaten Träger gut überlegt sein. Vor allem sollte niemand die Zuordnung an die Schule eines privaten Trägers gegen den eigenen Willen hinnehmen, das Einverständnis ist bei Beamt:innen und Angestellten dafür Voraussetzung.
von Wolfram Witte
Quellen:
1 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG) Art. 7, Abs. 4
2 Bayerische Verfassung (BV) Art. 134
3 Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch Gesetz vom 24. Juli 2020 (GVBl. S. 386) geändert worden ist
4 Bayerisches Schulfinanzierungsgesetz (BaySchFG): Eine rechtliche Basis ergibt sich nur aus Art. 31, Abs. 2, und Art. 33, Abs. 2 des BaySchFG in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 455, 633, BayRS 2230-7-1-K), das zuletzt durch Verordnung vom 24. April 2020 (GVBl. S. 278) geändert worden ist
5 Lehrerdienstordnung (LDO) vom 5. Juli 2014 (KWMBl. S. 112), die zuletzt durch Bekanntmachung vom 12. November 2019 (BayMBl. Nr. 517) geändert worden ist
6 Beamtenstatusgesetz (BeamtSTG) vom 17.06.2008 (BGBl. I S. 1010), in Kraft getreten am 20.06.2008, 12.02.2009 bzw. 01.04.2009, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626)
7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 1044) geändert worden ist