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Das Problem

»Sportlehrer Müller stürzte vom Fahrrad und erlitt dabei einen komplizierten Bruch am rech­ten Fußgelenk. Er wurde mehrmals operiert und war ein halbes Jahr krankgeschrieben, als er eine Einladung zu einer amtsärztlichen Untersuchung erhielt. Im Anschreiben der Regierung las er, dass Zweifel an seiner Dienstfähigkeit bestünden, was ihn sehr erstaunte. Ich bin doch nicht bekloppt, dachte er ...«

Dienstunfähigkeit (arbeitsrechtlich »Arbeitsunfähigkeit«)

Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Dienstunfähigkeit:

  1. Die aktuell bestehende, vorübergehende Dienstunfähigkeit (bzw. Arbeitsunfähigkeit)
  2. Die länger dauernde, möglicherweise dauerhafte Dienstunfähigkeit im Sinne des § 26 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG)

Die aktuelle, vorübergehende Dienstunfähigkeit wegen einer Erkältung, eines grippalen In­fekts usw. ist der häufigste Grund für das Fernbleiben vom Dienst (vgl. Art. 95 BayBG). Eine Erkrankung rechtfertigt das Fernbleiben vom Dienst, wenn sie zur Dienstunfähigkeit geführt hat. Dienstunfähigkeit bedeutet in diesem Fall, dass der Beamte bzw. die Beamtin durch die Erkrankung nicht in der Lage ist, die Dienstpflichten zu erfüllen. Bei einer Dienstunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen (auf Verlangen der Schulleiterin oder des Schulleiters auch früher) ist ein ärztliches Zeugnis vorzulegen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 LDO). Einzelheiten sind in § 16 der Bayerischen Urlaubs- und Mutterschutzverordnung (UrlMV) geregelt. Bei begründeten Zweifeln am Vorliegen der Dienstunfähigkeit kann der Beamte bzw. die Beamtin zum Amtsarzt geschickt werden. Eine amtsärztliche Untersuchung zur Feststellung der Dienstfähigkeit wird routinemäßig angeordnet, wenn Beamt:innen innerhalb eines halben Jahres drei Monate oder länger dienstunfähig sind (s. u.).

Die Dienstbezüge werden während der Dauer einer Dienstunfähigkeit weitergezahlt.

Dienstunfähigkeit und Versetzung in den Ruhestand

Beamt:innen auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres kör­perlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig sind (§ 26 BeamtStG).

Als dienstunfähig können Beamt:innen auch dann angesehen werden, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden (Art. 65 BayBG). Diese Tatbestände liegen der unter b) genannten länger dauernden, möglicherweise dauerhaften Dienstunfähigkeit zugrunde.

Die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit können Beamtinnen und Beamte in begründeten Fällen auch von sich aus beantragen.

Gemäß Art. 66 BayBG können Beamt:innen auch gegen ihren Willen wegen gesundheitlich begründeter Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden

Berufsunfähigkeitsversicherung

Beamtinnen und Beamte, die sich gegen das mit dem Eintritt dauerhafter Dienstunfähigkeit verbundene finanzielle Risiko absichern wollen, müssen darauf achten, dass der Versicherungsvertrag sich ausdrücklich auf »Berufsunfähigkeit« bezieht.

Feststellung der Dienstunfähigkeit (Art. 65 BayBG)

In der Regel findet eine Untersuchung durch eine Amtsärzt:in statt. Gutachten behandelnder Ärzt:innen sollten dabei vorgelegt werden. Die formale Feststellung der Dienstunfähigkeit erfolgt auf der Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens durch die Dienstvorgesetzte bzw. die vorgesetzte Behörde.

Verwendung in einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit (§ 27 BeamtStG)

Mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten ist auch eine Weiterbeschäftigung in einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit möglich.

Wiedereingliederungsmaßnahme bzw. Rekonvaleszenzmaßnahme

Nach längerer Erkrankung wird vom Dienstherrn in der Regel eine sog. Rekonvaleszenzmaß-nahme angeboten. Sie zeichnet sich durch folgende Besonderheiten aus:

  • Die volle Dienstfähigkeit muss laut amtsärztlichem Gutachten voraussichtlich wieder innerhalb eines Kalenderjahres hergestellt sein.
  • Die anfangs reduzierte Unterrichtspflichtzeit wird innerhalb der Laufzeit der Maßnahme schrittweise wieder auf das Stundenmaß der vollen Unterrichtspflichtzeit erhöht.
  • Die Beamtin bzw. der Beamte erhält weiterhin die Bezüge wie vor der Rekonvaleszenz-maßnahme.

Sollte sich abzeichnen, dass die volle Dienstfähigkeit nicht erreicht werden kann, wird das Verfahren der Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit eingeleitet (siehe dort).

Wenn eine Rekonvaleszenzmaßnahme infrage kommt, weist die personalverwaltende Stelle davon Betroffene darauf hin, dass ein Gutachten der behandelnden Ärzt:innen vorgelegt werden sollte mit konkreten Vorschlägen für das Stundenmaß und dessen Erhöhungsintervalle.

Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement (BEM)

Gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX sind alle Arbeitgeber zum Angebot eines Wiedereingliederungsma-nagements verpflichtet, sobald eine Arbeitnehmer:in innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Das gilt auch für Beamt:innen. Für den Bereich des bayerischen KM gibt es einen Leitfaden für das BEM unter dem Titel »Hinweise für die staatlichen Schulen und die Staatsinstitute für die Ausbildung von Fach- und Förderlehrern«. Sinn und Zweck dieser Regelung ist die Klärung der Fragen,

  • wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann und Fehlzeiten verringert werden können,
  • mit welchen Hilfen und Leistungen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann,
  • wie der Arbeitsplatz erhalten, die Fähigkeiten der Arbeitnehmer:in weiter genutzt und

eine erhöhte Einsatzfähigkeit und Produktivität sichergestellt werden können.

Die o. g. Rekonvaleszenzmaßnahme ist Teil des BEM.

Wenn Beschäftigte dieses BEM-Angebot nicht annehmen, darf ihnen aus dieser Ablehnung

kein Nachteil entstehen.

Begrenzte Dienstfähigkeit (§ 27 BeamtStG, Art. 7 und Art. 59 BayBesG)

Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit soll abgesehen werden, wenn Beamt:innen unter Beibehaltung ihres Amtes die Dienstpflichten noch mindestens zur Hälfte erfüllen können. Die Arbeitszeit ist entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabzusetzen. Die Feststellung einer begrenzten Dienstfähigkeit bzw. Teildienstfähigkeit erfolgt auf die gleiche Weise. Da es um das Festsetzen eines speziellen Teilzeitmaßes aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens geht, sollte bei der amtsärztlichen Untersuchung ein Gutachten der behandelnden Ärzt:innen vorgelegt werden mit einer Prognose, in welchem Umfang die Dienstfähigkeit voraussichtlich wieder hergestellt sein wird.

Besoldungsrechtlich handelt es sich um eine Teilzeittätigkeit, d. h. das Gehalt wird nur anteilig gezahlt. Dazu kommt ein Zuschlag, der der Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen den anteiligen Teilzeitbezügen und der Besoldung entspricht, die bei Vollzeittätigkeit zu zahlen wäre.

Reaktivierung (§ 29 BeamtStG)

Die Dienstunfähigkeit ist in regelmäßigen Abständen amtsärztlich zu überprüfen. Falls die Dienstfähigkeit wiederhergestellt sein sollte, erfolgt die Reaktivierung bzw. die Wiederaufnahme des Dienstes.

Ruhegehalt bei Dienstunfähigkeit

Die Berechnung der Versorgungsbezüge bei Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit erfolgt analog dem »normalen« Ruhegehalts (siehe dort). Einige Besonderheiten:

  • Die sog. »Zurechnungszeit«, die im Fall einer Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit zur »aktiven« Dienstzeit hinzugerechnet wird, beträgt 2/3 der Zeit zwischen der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und dem vollendeten 62. Lebensjahr.
  • Beim Dienstunfall werden die Versorgungsbezüge anteilig aus der Endstufe der Besoldungsgruppe berechnet, ansonsten aus der letzten erreichten Stufe.

Bestimmungen für Lehrkräfte auf Arbeitsvertrag bzw. Arbeitnehmer:innen

Annähernd vergleichbar mit dem beamtenrechtlichen Begriff der Dienstunfähigkeit ist die Arbeitsunfähigkeit bei Arbeitnehmer:innen. Auch hier befreit eine Krankheit nur dann von der Arbeitspflicht, wenn dadurch die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung unmöglich ist. Dies zu beurteilen ist auch hier zunächst Aufgabe der behandelnden Ärzt:in, deren Bescheinigung bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen spätestens am folgenden allgemeinen Arbeitstag der Dienststelle vorzulegen ist. Einzelheiten der Anzeige- und Nachweispflichten sind in § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt.

Das Entgelt wird nur bis zur Dauer von sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit fortgezahlt. Anschließend gibt es Krankengeld und ggf. Krankengeldzuschuss nach § 22 TV-L bzw. TVöD. Ist die Arbeitsunfähigkeit von Dauer, kann Rente wegen Erwerbsminderung infrage kommen (§ 43 Sozialgesetzbuch VI). Dort wird zwischen teilerwerbsgeminderten und vollerwerbsge-minderten Versicherten unterschieden. Volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn eine Arbeit­nehmerin bzw. ein Arbeitnehmer nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein kann; teilweise Erwerbsminderung bei weniger als sechs Stunden. Dabei handelt es sich um Vollzeitstunden. Unterrichtstunden müssten entsprechend umgerechnet werden.

Auswirkungen der Erwerbsminderung

Erhält eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer neben der gesetzlichen Rente wegen voller Erwerbsminderung eine Zusatzrente z. B. von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), endet in der Regel das Arbeitsverhältnis gem. § 33 TV-L bzw. TVöD. Dies gilt nicht, wenn die Rente nur befristet gewährt worden ist. Auch bei Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen, wenn eine Beschäftigte bzw. ein Beschäftigter innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheides die Weiterbe­schäftigung schriftlich beantragt und dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.

Die Voraussetzungen für den Rentenbezug und die damit zusammenhängenden Fragen im Einzelnen können bei den Rentenversicherungsträgern und deren Beratungsstellen abgerufen werden.

Berufsunfähigkeitsversicherung

Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente wurde durch die »Rente wegen Erwerbsminderung« ersetzt. Dies ist mit einer erheblichen Kürzung der Versicherungsleistungen in diesen Renten­fällen verbunden. Es ist daher überlegenswert, für dieses Risiko durch den Abschluss einer privaten Versicherung vorzusorgen.

Tipps für die Praxis

Im Fall einer Erkrankung bzw. akuten Dienstunfähigkeit unverzüglich Mitteilung an die Schu-le/Dienststelle. Bei Erkrankungen, die länger als drei Kalendertage dauern, ist ein ärztliches Attest (»AU«) vorzulegen, auf Anordnung der Schulleitung bzw. der Dienststelle auch schon früher.

Üblicherweise enthält die Einladung zu einer amtsärztlichen Untersuchung den Hinweis, Gutachten der behandelnden Mediziner:innen mitzubringen, was in jedem Fall anzuraten ist.

von Wolfgang Fischer

Quellen:

Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) v. 29.07.2008 i. d. F. v. 23.12.2019

Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) v. 05.08.2010 i. d. F. v. 19.03.2020

Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) v. 05.08.2010 i. d. F. v. 19.03.2020

Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) v. 17.06.2008 i. d. F. v. 10.11.2019

Hinweise zur Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 167 Abs. 2 SGB IX an staatlichen Schulen und an den Staatsinstituten für die Ausbildung von Fach- und Förderlehrern, Stand: Juni 2019 (https:// www.km.bayern.de/lehrer/dienst-und-beschaeftigungsverhaeltnis/lehrergesundheit/betriebliches-eingliederungs-management.html)

Bayerische Urlaubs- und Mutterschutzverordnung (UrlMV) v. 28.11.2017 i. d. F. v. 01.10.2019

Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)

Rentenversicherung: www.deutsche-rentenversicherung.de

Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) Art. 76