Zum Inhalt springen

Das Problem

»Ich habe einen Brief der Schulleitung erhalten, in dem mir ein Betriebliches Wiedereingliede-rungsmanagement vorgeschlagen wird. Ich war einige Male erkrankt, aber nie länger als zwei Wochen am Stück.«

»Ich musste nach einem Sportunfall am Fuß operiert werden und war insgesamt 11 Wochen zu Hause. Langes Stehen oder das Treppensteigen bereiten mir noch Probleme. Auch Sport darf ich noch nicht machen. Bisher kann ich noch nicht arbeiten.«

Die Rechtslage im Überblick

Seit 2004 ist im § 84 Abs. 2 SGB IX a. F. (= § 167 SGB IX n. F.) die Pflicht des Arbeitgebers festgelegt, Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen erkrankt sind, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Mit dem KMS vom 5. November 2009 hat das Ministerium für Unterricht und Kultus diese Richtlinien auch für seine Beschäftigten rechtlich verankert. Für staatlich Beschäftigte gelten die Ausführungen ohne Einschränkungen. Für Lehrkräfte und Beschäftigte bei privaten Trägern ist Folgendes zu beachten: Bei personalrechtlich relevanten Aspekten wie stufenweise Wiedereinglie­derung, Teildienstfähigkeit, Ruhestandsversetzungen ist die personalverwaltende Stelle zu informieren. Für Belange, die den Unterrichtseinsatz, also Dauer oder Unterrichtstätigkeit, Einsatz in bestimmten Fächern, Aufsichten etc., betreffen, ist die Schulleitung zuständig, die sich gegenüber dem privaten Träger zu verantworten hat.

Verfahren

Durch das BEM soll die krankheitsbedingte Gefährdung des Arbeits- und Beschäftigungs­verhältnisses beseitigt bzw. gemindert, die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden sowie erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden und der Arbeitsplatz der Betroffenen erhal­ten bleiben. Viele Beschäftigte stehen dem BEM kritisch gegenüber, weil sie Zweifel an der Möglichkeit einer Entlastung haben und sich stattdessen kontrolliert fühlen.

Die Schulleitung bietet schriftlich ein erstes Gespräch an, wenn eine Lehrkraft innerhalb der letzten zwölf Monate in der Summe länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war.1 Das Einverständnis der betroffenen Lehrkraft muss vor Beginn des Betrieblichen Eingliederungs­managements eingeholt werden.2 Es besteht für die Lehrkraft auch die Möglichkeit, das BEM abzulehnen oder das Einverständnis hierzu jederzeit zu widerrufen.

Teilnehmer:innen

Das BEM-Gespräch führt die Lehrkraft mit der Schulleiterin oder dem Schulleiter; an Grund-und Mittelschulen nimmt auch die Schulrätin bzw. der Schulrat teil. Sinnvoll ist es, weitere Personen hinzuzuziehen, wobei dies nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich ist. Dies können sein:

  • ein Mitglied aus dem Personalrat
  • eine Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen
  • die Beauftragte für Schwerbehinderte oder Gleichstellung
  • die Betriebsärzt:in
  • weitere Personen wie die Lebenspartner:in

Inhalt

Zunächst findet eine Situationsanalyse statt:

  • Wie beeinträchtigt die Erkrankung die Arbeitsfähigkeit?
  • Wie kann mit den gesundheitlichen Einschränkungen umgegangen werden?
  • Welche Rehabilitationsmaßnahmen sind geplant?
  • Welche Bedingungen am Arbeitsplatz können geändert werden?

Anschließend können Eingliederungsmaßnahmen3 vereinbart werden, z. B.:

  • Fortbildungen
  • Kur
  • Technische Verbesserung des Arbeitsplatzes
  • Übertragung anderer Aufgaben
  • Wiedereingliederung durch Arbeitsversuch
  • Amtsärztliche Untersuchung zur Feststellung einer Teildienstfähigkeit, sofern entspre­chende ärztliche Atteste vorliegen

Wiedereingliederung – Arbeitsversuch

Nach schweren Erkrankungen sollte auf jeden Fall beim Dienstherrn/Arbeitgeber eine Wie-dereingliederung4 beantragt werden. Die behandelnde Ärzt:in verordnet den Umfang und die Art, mit der eine Eingewöhnung in den Dienst/die Arbeit stattfinden soll (z. B. verminderte Ar­beitsleistung, Erholungsphasen, Beschränkung der Arbeitsaufgaben). Rechtlich gesehen zählt diese Zeit als Krankheit. Beamtinnen und Beamte erhalten weiterhin ihre Bezüge, Angestellte erhalten während der Dauer einer Krankheit bis zu 72 Monate Krankengeld , danach muss ein Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt werden. Wenn kein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, zahlt die Rentenversicherung auf Antrag Übergangsgeld.5

Aufenthaltsort bei Krankheit

Während einer Erkrankung sollte eine Lehrkraft alles tun, was für die Genesung förderlich ist. Ein Verlassen des Wohnortes ist grundsätzlich möglich. Während einer Krankheit darf die verbeamtete Lehrkraft den Wohnort nur verlassen, wenn dies vorher der Dienstvorgesetzten unter Angabe des Aufenthaltsorts angezeigt wurde.6 Insbesondere bei Reisen empfiehlt es sich, vorher eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung einzuholen.

Dokumentation und Ende des BEM

In die Personalakte aufgenommen werden:

  • das Angebot, ein BEM durchzuführen
  • das Einverständnis bzw. die Ablehnung der Lehrkraft
  • ggf. die Maßnahmen, die aufgrund des BEM erfolgten, wenn die Unterlagen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen

Jede weitere Dokumentation setzt die ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Lehrkraft voraus.

Das BEM ist abgeschlossen, wenn die benannten Ziele erreicht wurden oder nach Gesprächen festgestellt wird, dass die Ziele nicht erreicht werden können. Das Scheitern schließt ein erneutes Betriebliches Eingliederungsmanagement nicht aus. Auf jeden Fall sollte es vor dem Ergreifen weitergehender Maßnahmen (z. B. Teildienstfähigkeit, Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand u. a.) durchgeführt werden.

Tipps für die Praxis

Längere Krankheiten belasten. Möglicherweise fehlen die Sozialkontakte zu den Kolleginnen und Kollegen. Auch kann bei der Rückkehr nach längerer Erkrankung ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Kollegium, Team oder der Leitung quälen. Dies sollte aber kein Grund sein, unvorbereitet ein BEM-Gespräch zu führen. Der Hinweis, dass das BEM-Verfahren in die Personalakte aufgenommen wird7, sollte ein Ansporn für eine sorgfältige Vorbereitung sein.

Dabei ist es sinnvoll, den Rat von Personalvertretung, Schwerbehindertenvertretung und Gewerkschaft einzuholen. Schlecht vorbereitete BEM-Gespräche, bei denen die Schulleitung um Rat gefragt wird, bergen das Risiko, dass der von Krankheit betroffenen Lehrkraft eine große Verantwortung hinsichtlich der Erkrankung zugewiesen wird und sie dann unbedacht Maßnahmen zusagt, die möglicherweise zu neuen Belastungen führen (z. B. Gehaltsverlust durch freiwillige Teilzeit, Einarbeitungsaufwand nach freiwilligem Dienststellenwechsel, fehlendes Gehalt nach Antrag auf Versetzung in den Ruhestand).

Forderungen der GEW

BEM ist eine Ergänzung des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Zurzeit fehlen für eine wirksame Prävention an bayerischen Schulen Betriebsärztinnen und -ärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Arbeits- und Gesundheitsschutz kann von Personalräten durch Dienstvereinbarungen gestärkt werden. Die Rechte der Beschäftigten im BEM-Verfahren können gestärkt werden, wenn auch die Beschäftigten ein Initiativrecht bekommen, um krank machende Arbeitsbedingungen zu benennen.8

von Erwin Saint Paul und Karo Höbner

Quellen:

1    Vgl. § 84 Abs. 2 SGB IX a. F. (= § 167 Abs. 2 SGB IX n. F.)

2    Vgl. Formblatt: Einverständniserklärung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement

3    Vgl. § 84 Abs. 2 SGB IX a. F. (= § 167 Abs. 2 SGB IX n. F.), und § 12 Abs. 2 Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) der LH-München vom 25.08.2011

4    Vgl. § 28 SGB IX und § 74 SGB V

5    Vgl. § 51 Abs. 5 SGB IX, § 20 f. SGB VI

6    Vgl. § 21 Abs. 3 Bay-URLV

7    Hinweise zur Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 167 Abs. 2 SGB IX an staatli­chen Schulen und an den Staatsinstituten für die Ausbildung von Fach- und Förderlehrern (Stand Juni 2019)

8    Vgl. § 9 Abs. 1 Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) der LH-München vom 25.08.2011