Das Problem
»Ich bin seit 20 Jahren Mitglied der GEW und seit diesem Jahr Personalratsvorsitzende an unserer Schule. Einer unserer größeren Streitpunkte mit der Leitung ist der, dass die Schulleitung keinen Beistand zu Gesprächen zulassen möchte. Mittlerweile sind die Fronten verhärtet. Woanders stellt dies kein Problem dar bzw. es ist sogar Usus.«
»Als Erzieherin und Mutter von drei Kindern bin ich wegen der Planung besonders auf die Verlässlichkeit von Aussagen im Juli bzgl. der Arbeitszeit im neuen Schuljahr (vormittags, nachmittags oder freie Tage) angewiesen. Weil in den letzten Jahren die gemachten Versprechungen von der Einrichtungsleitung teilweise nicht eingehalten wurden, bat ich die Leiterin um ein Gespräch und forderte, dass ich jemanden meines Vertrauens mitnehmen könne. Sie schlug ihre Stellvertretung als Begleitung vor.«
»Als teilzeitbeschäftigter Lehrer mit ca. der Hälfte des Pflichtstundenmaßes betrifft mich folgende Problematik besonders: Teilnahme an Gesamtkonferenzen, Stufenkonferenzen und Fallbesprechungen oder Teamsitzungen bzw. sonstigen Aufgaben, die das Schulleben betreffen. An unserer Schule gibt es trotz einiger Lösungsansätze einen seit Langem schwelenden und immer wieder aufflackernden Konflikt. Eine für alle Seiten akzeptable Regelung gibt es nicht und wird von Leitungsseite verweigert. Um weiter Druck zu machen, habe ich an zwei Konferenzen nicht teilgenommen. In zugespitzter Konfliktsituation wurde mir nach Nichtteilnahme nun ein Dienstvergehen vorgeworfen und mir wurde mit Disziplinarmaßnahmen gedroht. Ich forderte als Beistand zu einem Gespräch ein Mitglied aus dem Personalrat.«
Die Rechtslage im Überblick
Dienstgespräch – Personalgespräch
Die Schulleitung oder die Vorgesetzte kann jederzeit zu einem Gespräch über pädagogische, organisatorische oder sonstige für die Tätigkeit in der Einrichtung relevante Fragen bitten. Den Rechtsanspruch von Beamt:innen auf Gesprächsbegleitung und/oder anwaltliche Vertretung gibt es nur innerhalb recht enger Grenzen, er leitet sich aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz1 bzw. dem Disziplinargesetz2 ab. Er besteht nur bei statusbegründenden (Einstellung) oder statusverändernden (Beförderung/Zurückstufungen) oder statusbeendenden (Entlassung) Maßnahmen oder bei Disziplinarverfahren. Bei allen anderen Dienstgesprächen gibt es keinen Rechtsanspruch auf Gesprächsbegleitung. Eine Gesprächsbegleitung muss dann ausgehandelt werden und wird auch sehr häufig vereinbart. Ein Gespräch selbst kann nicht abgelehnt werden, es gibt aber rechtliche Grundlagen, die man kennen sollte, sowie deeskalierend wirkende Schritte im Vorfeld, die sinnvollerweise zu beachten sind.
Öffentlicher Dienst
Recht auf Beistand für Beamt:innen und Arbeitnehmer:innen
Der Anspruch auf Zuziehung eines Beistandes wird in Bayern in Art. 14 Abs. 4 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG)1 geregelt, wenn es nämlich um bestimmte Maßnahmen geht, die den Status betreffen: Statusbegründende Maßnahmen sind z. B. die Einstellung oder eine Beförderung bzw. Ernennung, statusverändernd ist allgemein die Beförderung oder die Übertragung von Dienstaufgaben eines anderen Amtes mit höherem oder niedrigerem Endgrundgehalt für die Dauer von mehr als sechs Monaten und dergleichen, statusbeendend ist die Entlassung oder die Versetzung in den Ruhestand. In diesen Fällen gibt es einen Anspruch, zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand zu erscheinen.
Als Beistand können neben Rechtsanwält:innen jede natürliche Person, sowie Mitglieder der Personalvertretung oder auch der Gewerkschaft auftreten.
Darüber hinaus besteht bei Einleitung oder Ausdehnung eines Disziplinarverfahrens nach Artikel 22 Abs. 1 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG)2 der Anspruch, sich einer Bevollmächtigten oder eines Beistands zu bedienen.
Für Arbeitnehmer:innen im öffentlichen Dienst gelten die Artikel 14 BayVwVfG1 und 22 Bayerisches Disziplinargesetz2 nicht. Es gibt jedoch Grundsätze, auf die sich Beschäftigte im Angestelltenstatus im öffentlichen Dienst berufen können.
Ermessensentscheidung des Arbeitgebers, einen Beistand zuzulassen
Mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und auch mit dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (Art. 2 Bayerisches Personalvertretungsgesetz – BayPVG)4 lässt sich der Antrag auf Herbeiziehung eines Beistandes begründen, eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht aber nicht. Die Fürsorgepflicht verlangt vom Dienstherrn im Rahmen der Ermessensausübung die Belange der Beschäftigten wohlwollend zu berücksichtigen. Sind diese berechtigt und gewichtig, dürfen sie nur aus zwingenden sachlichen Gründen zurückgestellt werden. Ein Beistand kann umso weniger abgelehnt werden, je größer die Tragweite des Gesprächsthemas und des Inhalts für die Belange der Beschäftigten ist. Personalratsmitglieder oder Beauftragte der Gewerkschaft können als Beistandspersonen zugelassen werden.
Privatwirtschaft bzw. private Einrichtungen
Recht auf Beistand für Beamt:innen und Arbeitnehmer:innen
Für sogenannte zugeordnete Beamt:innen bei privaten Trägern (hauptsächlich im Förder-schulbereich) gelten die obigen Ausführungen, es kommen jedoch noch Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)3 dazu.
Für Arbeitnehmer:innen (Beschäftigte beim privaten Träger) lässt sich der Anspruch auf Beistand neben der Fürsorgepflicht und der vertrauensvollen Zusammenarbeit, die auch im Arbeitsverhältnis gelten, auch auf die Unterrichtungs- und Erörterungspflichten des Arbeitgebers in § 81 ff. Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) stützen. Diese Fälle betreffen:
- Unterrichtung über Aufgaben der Arbeitnehmer:in und Veränderungen derselben, § 81 BetrVG3
- Unterrichtung über betriebliche Angelegenheiten, die die Arbeitnehmer:in betreffen, einschließlich Erörterung der Zusammensetzung der Vergütung und der beruflichen Zukunft, § 82 BetrVG3
- Gespräche im Rahmen der Einsicht der Arbeitnehmer:in in ihre Personalakte, § 83 BetrVG3
- Gespräche im Zusammenhang mit dem Beschwerderecht der Arbeitnehmer:in bei Benachteiligungen, § 84 BetrVG3
In diesen gesetzlich geregelten Fällen ist die Arbeitnehmer:in ausdrücklich berechtigt, ein Mitglied des Betriebsrats – sofern vorhanden – hinzuzuziehen. Dies gilt auch dann, wenn nur ein Teil des Gesprächsinhalts sich auf ein Thema bezieht, das unter § 81 ff. BetrVG3 fällt. Im Übrigen müssen Personalgespräche von der Arbeitnehmer:in persönlich wahrgenommen werden. Ein Recht auf Hinzuziehung einer Rechtsanwält:in oder eines Betriebsratsmitglieds besteht außerhalb der genannten Fälle grundsätzlich nicht. Jedoch kann der Arbeitgeber bei Grundsatzfragen (insbesondere im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses) nicht erwarten, dass die Arbeitnehmer:in sofort eine Entscheidung trifft. Vielmehr hat sie das Recht auf eine angemessene Bedenkzeit.
Was die GEW dazu meint
Charakter oder Inhalt des Gesprächs nicht klar?
Praktische Probleme tauchen dann auf, wenn der Charakter bzw. Inhalt des Gesprächs vorab nicht eindeutig klar ist. Wer bei der Aufforderung zur Teilnahme an einem Dienstgespräch Anhaltspunkte oder die Befürchtung hat, es könnte um Dinge gehen, bei denen der Anspruch auf einen Beistand besteht. und einen solchen auch hinzuziehen möchte, sollte vorab um Klarstellung des Gegenstandes des Gesprächs bitten. Führt dies nicht zur Klärung, so ist der Aufforderung zur Teilnahme an einem Dienstgespräch zunächst einmal Folge zu leisten. Die
bloße Befürchtung, es könne um Vorhaltungen bezüglich dienstlichen Fehlverhaltens, die Vorbereitung einer Abordnung oder Versetzung etc. gehen, reicht allein nicht, um die Teilnahme an einem Gespräch zu verweigern. Stellt sich allerdings während des Gesprächs heraus, dass das Gespräch eine Wendung in diese Richtung nimmt, so kann dann immer noch das Recht auf Zuziehung eines Beistandes wahrgenommen werden. Die oder der Betroffene kann dann erklären, das Gespräch jetzt beenden und nur mit einem Beistand fortsetzen zu wollen.
Konfliktsituationen
Besonders in Konfliktsituationen bzw. bei Gesprächen mit verhärteten Fronten ist es aus unserer Sicht sinnvoll, keine Tür- und Angelgespräche zu führen. Machen Sie Termine aus und bereiten Sie sich auf das Gespräch vor. Lassen Sie sich vorab beraten!
In besonders schwierigen Fällen kann auch folgendes Vorgehen hilfreich sein: Teilen Sie der Vorgesetzten mit, dass Sie der Weisung zur Teilnahme am Gespräch Folge leisten werden. Weisen Sie aber vorsorglich darauf hin, dass Sie sich im Gespräch weiter nicht äußern werden, wenn die Teilnahme eines Beistandes eigener Wahl abgelehnt wird. Sie werden jedoch mit Interesse hören, was die Gegenseite mitzuteilen hat, Verständnisfragen stellen und das Gespräch anderweitig auswerten und eine schriftliche Stellungnahme nachreichen.
Tipps für die Praxis
- Fragen Sie nach dem Inhalt des Gespräches, den Tagesordnungspunkten oder Anliegen.
- Entscheiden Sie dann, ob Sie einen Beistand mitnehmen möchten, und beziehen Sie sich auf die oben stehenden Themengebiete.
- Eine einvernehmliche Lösung bzgl. der Gesprächsteilnehmer:innen sollte stets vor allen anderen Schritten angestrebt werden.
- Besonders in Einrichtungen mit Betriebsrät:innen, Personalrät:innen und Mitarbeiter:innen-vertretungen eignen sich diese als »Begleitpersonen«, da sie mit den besonderen Gegebenheiten des Betriebes und meist auch mit der Konfliktsituation vertraut sind.
- Verweigern Sie die Aussage, wenn Sie den Eindruck haben, dass ihre Aussagen verdreht wahrgenommen oder gegen Sie verwendet werden.
- Fertigen Sie von den Gesprächen Gesprächsprotokolle an und fordern Sie die »Gegenseite« auf zu ergänzen oder zu erweitern. Eine Änderung Ihrer Sicht des Verlaufs durch eine mächtige Person müssen Sie nicht hinnehmen.
Zurück zu den Ausgangsfragen
- Die oben genannte Personalratsvorsitzende wird wohl nur über eine freiwillige Vereinbarung zwischen Personalrat und Leitung an ihrer Schule (Gymnasien, Realschulen und Berufsschulen) den für alle geltenden Anspruch auf Beistand verankern können, sonst ist sie angewiesen auf »Goodwill« bzw. Gesprächsinhalte wie oben beschrieben.
- Die Erzieherin kann wohl keinen Beistand zuziehen, wenn die Vorgesetzte dies nicht zulässt, ihr bleibt das Einfordern einer schriftlichen Bestätigung von Aussagen.
- Der teilzeitbeschäftigte, verbeamtete Lehrer hat ein Recht auf Beistand, weil ihm ein Dienstvergehen vorgeworfen wird und mit Disziplinarmaßnahmen gedroht wurde.
von Wolfram Witte
Quellen:
1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) § 14 Bevollmächtigte und Beistände (in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2010-1-I) veröffentlichten bereinigten Fassung), das zuletzt durch Art. 9a Abs. 1 des Gesetzes vom 25. März 2020 (GVBl. S. 174) geändert worden ist
2 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) S. 665 vom 24. Dezember 2005 (GVBl. S. 665, BayRS 2031-1-1-F), das zuletzt durch § 4 des Gesetzes vom 23. Dezember 2019 (GVBl. S. 724) geändert worden ist
3 Betriebsverfassungsgesetz BetrVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 1044) geändert worden ist
4 Bayerisches Personalvertretungsgestz (BayPVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. November 1986 (GVBl. S. 349, BayRS 2035-1-F), das zuletzt durch § 7 des Gesetzes vom 23. Dezember 2019 (GVBl. S. 724) geändert worden ist