Das Problem
Kollege Walter erhält seit vier Jahren jeweils auf ein Jahr befristete Arbeitsverträge. Bisher musste er jedes Jahr an eine andere Schule wechseln. Die damit verbundenen Einarbeitungszeiten waren unglaublich belastend und eine kontinuierliche pädagogische Arbeit so fast unmöglich. Die erhöhten Fahrtkosten und Fahrtzeiten zur jeweiligen Dienststelle sind weitere belastende Faktoren im Alltag; denn ein Umzug lohnt sich bei einer Perspektive auf ein Jahr nicht. Als Befristungsgrund ist in seinen Verträgen immer »Aushilfe für ...« genannt. Er zweifelt an der Rechtmäßigkeit dieser Verträge und an der Existenz der genannten Personen.
Auf der Anfangskonferenz werden wiederum zwei neue Kolleg:innen vorgestellt, obwohl die beiden »Neuen« des letzten Jahres gerne geblieben wären, alle ihre Arbeit schätzten, sie eingearbeitet waren und die Eltern der Klassen eine Weiterbeschäftigung befürwortet hatten. Wie vor einem Jahr erhielten diese auch heuer nur 20-Stunden-Verträge, die auf ein Jahr befristet sind. Im Kollegium wundert man sich sehr über diese Maßnahme. Mit Verständnis und Hilfsbereitschaft reagieren die Lehrer:innen auf die Frage einer der beiden, ob denn jemand eine Nebentätigkeit wisse, weil sie vom Verdienst dieses Vertrages in der Großstadt kaum leben könne.
Die Rechtslage im Überblick
Für angestellte Lehrkräfte an öffentlichen Schulen ist die Befristung in § 30 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – gilt für die Beschäftigten beim Bund und den Kommunen – bzw. Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) geregelt. Diese Vorschrift verweist für die Zulässigkeit von Befristungen auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Danach ist gem. § 14 Abs. 2 TzBfG die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Sie soll in der Regel zwölf Monate nicht unterschreiten und muss mindestens sechs Monate betragen (§ 30 Abs. 3 S. 1 TVöD/TV-L). Unzulässig ist eine sachgrundlose Befristung, wenn bereits vorher schon ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand. Die Praxis mancher Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis bis Ferienbeginn zu befristen und mit Unterrichtsbeginn nach den Ferien einen neuen, wiederum sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, ist damit nicht vereinbar.
Befristungen mit sachlichen Gründen sind auch nacheinander für einen zwei Jahre übersteigenden Zeitraum möglich. Allerdings darf die Dauer des einzelnen Vertrages fünf Jahre nicht übersteigen (§ 30 Abs. 2 S. 1 TVöD/TV-L). Mit Sachgrund kann aber auch kürzer als sechs Monate befristet werden.
Die sachlichen Gründe sind beispielhaft in § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG aufgeführt. Der im Schulbereich am häufigsten auftretende Fall ist der in Nr. 3 genannte, wonach die befristete Arbeitnehmer:in zur Vertretung einer anderen Arbeitnehmer:in beschäftigt wird. Die Vertretung kann wegen Erkrankung, Elternzeit, Beurlaubung, Pflegezeit und dgl. erforderlich sein. Dabei wird nicht verlangt, dass die Aushilfslehrkraft nur an der Stelle eingesetzt wird, an der Vertretungsbedarf entstanden ist. Vielmehr reicht es aus, wenn sie in dem Bereich der Stellen eingesetzt wird, der der Personalbewirtschaftung der vertretenen Lehrkraft unterliegt.
Im Grund- und Hauptschulbereich reicht es daher aus, dass die Stellen der vertretenen und der Aushilfslehrkraft im gleichen Regierungsbezirk liegen. Dadurch ist es sehr schwierig, im Einzelfall zu überprüfen, ob es sich bei dem befristeten Arbeitsverhältnis tatsächlich um einen Vertretungsfall handelt. Klarheit darüber müsste sich im Zweifelsfall mithilfe des Personalrats verschafft werden.
Als weiterer sachlicher Grund kann für eine Befristung im Schulbereich ein in der Person der Arbeitnehmer:in liegender Grund (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG) in Betracht kommen, insbesondere wenn die befristete Lehrkraft nicht die volle Lehramtsbefähigung besitzt. In diesem
Zusammenhang kann auch die befristete Erteilung der schulaufsichtlichen Genehmigung durch die zuständige Schulaufsichtsbehörde ein sachlicher Befristungsgrund sein. Jedoch entschied das LAG Hamm am 25.2.2015, dass eine fehlende Qualifikation der Vertretungslehrkraft dann nicht mehr als Rechtfertigung für die konkrete Handhabung der Befristungen geeignet ist, wenn das Arbeitsverhältnis über einen Zeitraum von 9,5 Jahren durchgeführt wurde.
Rechtlich zweifelhaft sind Befristungsgründe, wie beispielsweise zur Unterrichtsabdeckung oder zur Abdeckung vorübergehenden (Mehr-)Bedarfs in den Fächern ... und dergleichen. Hier ist eine rechtliche Beratung empfehlenswert.
Liegt jeweils ein sachlicher Grund für die Befristung vor, können mehrere aufeinanderfolgende Arbeitsverhältnisse begründet werden, ohne dass sich daraus ein Anspruch auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag ergibt. Die weitverbreitete Ansicht, dass nach drei aufeinanderfolgenden Befristungen das vierte Arbeitsverhältnis unbefristet sein müsse, trifft nicht zu. Allerdings steigen die Anforderungen an den Befristungsgrund mit steigender Anzahl der Arbeitsverträge, da zu prüfen ist, ob es sich dann nicht um einen Dauerbedarf handelt, der mit einem unbefristeten Vertrag abgedeckt werden müsste. Mit der Klärung der damit zusammenhängenden Fragen und der Vereinbarkeit der Befristung aus diesen Gründen mit dem europäischen Unionsrecht war bereits mehrmals der Europäischen Gerichtshof in Luxemburg betraut (zuletzt EuGH 21. September 2016 - C-614/15):
Der Umstand, dass ein Arbeitgeber wiederholt dauerhaft auf befristete Verträge zurückgreife, widerspreche nicht der Annahme eines sachlichen Grundes. Allein deswegen liege kein Missbrauch vor. Die Gerichte dürfen sich aber bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des Sachgrunds der Vertretung beschränken. Sie sind aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, die einen Hinweis auf Missbrauch geben können. Von Bedeutung sind die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen. Letztlich wird es bei der Prüfung, ob eine Kettenbefristung missbräuchlich ist, immer auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommen.
Eine besondere gesetzliche Regelung findet sich in § 21 BEEG (Bundeselterngeld- und Eltern-zeitgesetz), wonach die Vertretung einer anderen Arbeitnehmer:in für die Dauer eines Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit, einer auf Teilzeitvertrag, Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglichen Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes einen sachlichen Grund für eine Befristung darstellt.
Eine weitere besondere gesetzliche Regelung enthält § 6 Pflegezeitgesetz, wonach die Vertretung einer Beschäftigten bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung und in Pflegezeit ein sachlicher Grund für die Befristung ist.
Verfahrensrechtliche Regelungen bei Befristung
Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist nur dann wirksam, wenn sie schriftlich erfolgt (§ 14 Abs. 4 TzBfG) und der Vertrag vor Arbeitsaufnahme unterzeichnet worden ist.
Gem. § 30 Abs. 2 S. 2 TVöD/TV-L sind bereits befristet Beschäftigte bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen bevorzugt zu berücksichtigen, wenn die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Vor Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrages hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob eine unbefristete Weiterbeschäftigung möglich ist (§ 30 Abs. 3 S. 2 TVöD/TV-L).
Hier ist es auch Aufgabe der Personalräte, darauf zu achten, dass diese Vorschriften eingehalten werden, und widrigenfalls die zur Verfügung stehenden Sanktionen zu ergreifen.
Urlaub und Befristung
Für die Vertragsdauer hat das Kultusministerium mit Schreiben vom 18.4.2013 festgelegt, dass befristete Arbeitsverträge mit Ablauf des vorletzten Tages der Sommerferien enden sollen, wenn das Arbeitsverhältnis spätestens vier Wochen nach dem ersten Schultag begonnen und bis zum Schuljahresende angedauert hat. Einzelheiten können dem angegebenen KMS entnommen werden.
Dort wurde auch folgende detaillierte Urlaubsregelung getroffen:
- Der Urlaubsanspruch entspricht bei einer Tätigkeit von mindestens zweimonatiger Dauer der Zahl der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Unterrichtstage. Bei einer kürzeren, aber mindestens einmonatigen Tätigkeit beträgt der Urlaub die Hälfte der in Satz 1 genannten Unterrichtstage, aufgerundet auf volle Tage. Die Abgeltung des Urlaubs einschließlich eines Zusatzurlaubs erfolgt ggf. durch Einbeziehung von Schulferien in die Vertragsdauer, ansonsten durch Verlängerung der Vertragsdauer.
- Bei einer Tätigkeit von mehr als drei- bis zu sechsmonatiger Dauer werden Schulferien (ohne Sommerferien) bis zum Umfang von höchstens drei Wochen – ohne Staffelung – in die Vertragsdauer einbezogen.
- Bei einer Tätigkeit von mehr als sechs Monaten werden alle Schulferien (ohne Sommerferien) im Vertragszeitraum in die Vertragsdauer miteinbezogen.
- Mit den Regelungen in Buchstabe b und Buchstabe c gilt der Urlaub einschließlich eines Zusatzurlaubs als abgegolten.
- Soweit innerhalb eines Beschäftigungszeitraums Schulferien nicht zu vergüten sind, ist die Vergütung der Ferientage dadurch auszuschließen, dass mit der Lehrkraft vertraglich für die Ferienzeit die Freistellung vom Dienst ohne Fortzahlung der Vergütung, jedoch unter Anrechnung auf die Beschäftigungszeit vereinbart wird.
Sofern sich während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses der Umfang der vereinbarten Beschäftigung ändert, ist auch für die erhöhte/verminderte Beschäftigung hinsichtlich des Urlaubsanspruchs die im ursprünglichen Vertrag vorgesehene Zeitdauer maßgebend. Dies gilt auch, wenn sich verschiedene Beschäftigungsverhältnisse unmittelbar aneinander anschließen. Voraussetzung ist, dass die Tätigkeit an der gleichen Schule oder an mehreren Schulen der gleichen Schulart – auch in einem anderen Regierungsbezirk – erfolgt. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass die jeweils übertragenen Tätigkeiten in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen (§ 2 Abs. 2 TVöD/TV-L).
Die Tätigkeit an mehreren Schulen verschiedener Schularten hingegen bedingt den Abschluss mehrerer selbstständiger Arbeitsverhältnisse; diese sind auch urlaubsrechtlich selbstständig zu behandeln. Berufliche Schulen gelten als eine Schulart.
Die Abgeltung des Urlaubs ist nur unter den in § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) genannten Voraussetzungen möglich.
Gerichtliche Geltendmachung
Zur gerichtlichen Überprüfung der Rechtswirksamkeit der Befristung ist es erforderlich, dass innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht erhoben wird (§ 17 TzBfG).
GEW-Mitglieder können dafür den gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.
von Hans Schuster
überarbeitet von Katharina Müller
Quellen:
Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1966), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 22. November 2019 (BGBl. I S. 1746) geändert worden ist
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 2015 (BGBl. I S. 33), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 1061) geändert worden ist
Pflegezeitgesetz vom 28. Mai 2008 (BGBl. I S. 874, 896), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 23. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2208) geändert worden ist
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Oktober 2006 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005