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Pressemitteilung

Gerichtliche Niederlage in erster Instanz

GEW Bayern verliert in erster Instanz gegen christlich-fundamentalistischen Sexualaufklärer Teenstar Deutschland und warnt Schulen vor Zusammenarbeit mit dem Verein.

Anfang Juli wurde ein Kurs des Sexualaufklärungsvereins Teenstar Deutschland an einer Grundschule in Regensburg nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks abgesagt. Die Richtlinien zur Sexualerziehung in Bayern seien mit dem Einsatz des Vereins an Grundschulen nicht vereinbar, hieß es vonseiten des Kultusministeriums. Die GEW Bayern recherchierte selbst: Wie der Standard (Faßmann: Schulen sollen nicht mehr mit Teenstar zusammenarbeiten, 01.09.2019) und zahlreiche andere österreichische Medien schrieben, wurden in 2018 in Österreich Inhalte interner Schulungsmaterialien des Vereins Teenstar öffentlich: Homosexualität sei eine Störung und ein heilbares Identitätsproblem, Sex vor der Ehe tabu und Masturbation schädlich. Der damalige Bildungsminister Faßmann beauftragte daraufhin Expert*innen mit der Analyse. Der Standard schreibt: „Sowohl die Analyse der im Ministerium angesiedelten Koordinationsstelle für Gesundheitsförderung als auch jene des Bundeszentrums für Sexualpädagogik fiel vernichtend aus: Erkannt wurden unter anderem Geschlechterdiskriminierung und menschenrechtlich bedenkliche Aussagen.“ Kultusminister Faßmann kam deshalb zu folgendem Entschluss: Er empfahl den österreichischen Schulen, die Zusammenarbeit mit Teenstar zu beenden. Außerdem kündigte er ein Akkreditierungsverfahren an.

Die GEW Bayern verfasste aufgrund der Vorkommnisse in Regensburg und der Recherche zu Teenstar in Österreich eine Pressemitteilung, veröffentlicht am 12.07.2022 unter dem Titel „Vertreter*innen von Teenstar haben in bayerischen Schulen keinen Platz!“, in der auch der stellvertretende Vorsitzende Florian Kohl zitiert wurde. Ein Satz aus diesem Zitat missfiel der Spitze von Teenstar Österreich jedoch. Und so stritt man sich juristisch unter anderem um die Bedeutung des Verbes „unterbinden“ und ob die Empfehlung Faßmanns nun eine ausreichende Maßnahme gewesen sei, dieses Verb zu begründen – oder nicht. Am 31. August kam es zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München. Die Richter*innen entschieden für Teenstar. Eine schriftliche Begründung liegt noch nicht vor. Die Empfehlung Faßmanns sei – so die mündliche Einschätzung des Gerichts – keine ausreichende Maßnahme gewesen, um zu behaupten, dass der Einsatz des Vereins in Österreich an den Schulen unterbunden wurde, zumal dessen Vorsitzende an Eides statt versichert hatte, im letzten Schuljahr an fünf österreichischen Schulen Kurse gehalten zu haben. Die Pressemitteilung muss nun geändert und der entsprechende Satz darf nicht mehr verwendet werden. Diese Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig.

Florian Kohl, der selbst vor Gericht erschienen war, zeigte sich enttäuscht: „Die Entscheidung ist aus unserer Perspektive heraus kaum nachvollziehbar. Zum Zeitpunkt der Äußerung Faßmanns war es unserer Kenntnis nach gar nicht möglich, Teenstar den Einsatz an Schulen zu verbieten, ohne auch sämtlichen anderen externen Anbietern den Zugang zu verwehren. Die einzige Maßnahme, um der Aktivität an den Schulen entgegenzuwirken, konnte meiner Meinung nach nur die Empfehlung des obersten Dienstherrn sein, eben nicht mehr mit Teenstar zusammenzuarbeiten.“

In Österreich läuft die Diskussion um Teenstar bereits seit einigen Jahren. Expert*innen wie beispielsweise von der Menschenrechtsorganisation Hosi Salzburg wehren sich gegen Teenstar und deren Aktivitäten im Bereich der Sexualaufklärung. Das Akkreditierungsverfahren sollte ursprünglich zum Schuljahr 2020/2021 erfolgen, ist aber bis heute nicht vollzogen.

„Wir sind natürlich enttäuscht, dass das Gericht so entschieden hat. Aber wir sind nach wie vor der Meinung, Teenstar darf im bayerischen Schulsystem keinen Platz haben. Im Jahr 2014 sagte die Gründerin von Teenstar Dr. Hanna Klaus auf einem Teenstar-Kongress in Augsburg, das Ziel des Vereins sei es, jungen Menschen dabei zu helfen, keusch zu bleiben. So würde Teenstar psychische Probleme verhindern. Das ist meiner Meinung nach weltfremd und beinahe schon absurd. Sexualaufklärung hat das Ziel, junge Menschen dabei zu begleiten, im Umgang mit ihrer Sexualität kompetent und selbstbewusst zu werden. Wir brauchen an Schulen keine modern angemalte, aber rückwärtsgewandte Sexualpädagogik, die Ehe und Keuschheit als einzige legitime Lebensform propagiert. Wir empfehlen deshalb den bayerischen Schulen dringend, auf eine Zusammenarbeit mit Teenstar zu verzichten. Außerdem würden wir uns wünschen, dass man sich auch im Kultusministerium genauer mit Teenstar beschäftigt und sich mit seinen österreichischen Kolleg*innen austauscht. Wir behalten uns zudem rechtliche Schritte gegen das Urteil des Landgerichts München vor“, sagt Martina Borgendale, Vorsitzende der GEW Bayern.

 

Die GEW Bayern hat einige Links für Interessierte zur weiteren Lektüre zusammengestellt:

05.08.2014: VIII. Internationaler TeenSTAR-Kongress im Bistum Augsburg, abgerufen auf bja-augsburg.de am 01.09.2022

07.02.2019: TeenSTAR: umstrittener Sexualpädagogik-Verein immer noch an Schulen tätig, abgerufen auf hosi.or.at am 01.09.2022

14.05.2022: Nach drei Jahren: queer.de gewinnt gegen Teenstar, abgerufen auf queer.de am 01.09.2022

23.08.2022: Sexualkunde anno 1900: Wie religiöse Hardliner an Österreichs Schulen „aufklären”, abgerufen auf moment.at am 01.09.2022

27.09.2020: Ein Thread über TeenSTAR, abgerufen auf „Dokumentieren gegen Rechts“ am 01.09.2022

07.07.2022: Umstrittener Verein: Sexualpädagogik-Kurs an Schule abgebrochen, abgerufen auf br.de am 01.09.2022
 

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Florian Kohl
stellvertretender Vorsitzender, Bereich Schule
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