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Pressemitteilung

Federführender Landtagsausschuss stimmt für Gesetz zur Förderung der Bundeswehr und verkürzt Beratungszeit

Die Bildungsgewerkschaft GEW und die Friedensgesellschaft DFG-VK fordern eine öffentliche Debatte zur Militarisierung von Schulen und Universitäten und ein Ende des Gesetzesvorhabens.

Am gestrigen Dienstag, den 11. Juni 2024, beriet der Bayerische Landtagsausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten den Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Förderung der Bundeswehr in Bayern. Nach weniger als 30 Minuten empfahlen die Abgeordneten des in dieser Sache federführenden Ausschusses die Annahme des Gesetzesvorhabens. Lediglich die Grünen-Abgeordneten MdL Cemal Bozoğlu und MdL Benjamin Adjei stimmten dagegen. MdL Bozoğlu (Grüne) begründete die Gegenstimmen mit der geplanten Verpflichtung für Hochschulen, dass diese ihre Forschungsergebnisse der NATO bereitstellen müssen, und dem Mangel an Jugendoffizier*innen.

Landtagsvizepräsident Markus Rinderspacher (SPD) begründete im Ausschuss die voraussichtliche Zustimmung der BayernSPD für das Gesetzesvorhaben mit der vom Kanzler ausgerufenen „Zeitenwende“. Im Wissen um die Vorgaben der Bayerischen Verfassung stellte MdL Rinderspacher jedoch auch fest, dass die in Art. 138 festgestellte Selbstverwaltung von Hochschulen durch das Gesetz berührt werde, und vermutete, dass sich noch der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit dem geplanten Gesetz wird auseinandersetzen müssen.

Damit spielte er wohl auf die Ankündigung der bayerischen Landesverbände der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) an, die zusammen mit der Anwältin und ehemaligen MdL Adelheid Rupp angekündigt hatten, mit einer Petition und einer Popularklage gegen das Gesetzesvorhaben vorzugehen. MdL Rinderspacher (SPD) riet der regierenden CSU, sich an das verfassungsrechtliche Debakel um ihr Gesetz zur Leitkultur zu erinnern, stimmte dann aber für das Vorhaben des Gesetzes zur Förderung der Bundeswehr von CSU und Freie Wähler (FW).

Die AfD erklärte, dass sie kein Problem mit dem Vorhaben habe, Jugendoffizier*innen verpflichtend in den Schulunterricht zu holen und die freiwillige Zivilklausel für Hochschulen und Universitäten zu verbieten. Ihre Enthaltung begründete sie damit, dass die Bundeswehrförderung in dem Gesetz zu wenig sei und es in Bayern vor allem die „Bevorratung von Munition, Munition, Munition“ brauche. Die AfD beantragte zudem im Anschluss, Bayern müsse die „Voraussetzungen zur Reaktivierung der Wehrpflicht schaffen“.

Die Regierungsfraktionen CSU und FW verfügen über eine stabile Mehrheit im Bayerischen Landtag. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Gesetzesvorhaben in kürzester Zeit ohne notwendige öffentliche Debatte den Landtag passiert. Die Bildungsgewerkschaft GEW ist schockiert, dass damit über Nacht – im Rahmen der „Zeitenwende“ – wissenschafts- und bildungspolitische sowie pädagogische Grundsätze über Bord geworfen werden. In einer Stellungnahme im Rahmen der Verbändeanhörung hatte die GEW auf acht Seiten ausführlich Gegenargumente benannt, vermisst bisher jedoch eine inhaltliche Erwiderung der Staatskanzlei oder der sie unterstützenden Fraktionen.

MdL Alex Dorow (CSU) erwähnte in seinem einleitenden Bericht lediglich die zustimmenden Stellungnahmen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, unterschlug dabei jedoch, dass die ebenfalls angefragte Bildungsgewerkschaft GEW in ihrer Stellungnahme grundsätzliche politische und verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht hatte. Auf unsere Argumente zur verdeckten Rekrutierungspraxis von Minderjährigen über den Auftritt der Jugendoffizier*innen ist weder der berichterstattende Abgeordnete der Regierungsfraktion noch ein Abgeordneter im federführenden Ausschuss eingegangen. Stattdessen stimmte der Ausschuss der Empfehlung nach Verkürzung der Beratungszeit auf drei Wochen zu, damit das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden könne.

Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW Bayern, betonte in ihrer Rede auf der Demonstration von Studierenden und Hochschulangehörigen letzten Freitag in München:

„Wir meinen, dass die Bundeswehr mit den persönlichen Besuchen unter dem Vorwand gesellschaftspolitischer Information versucht, sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. So werden Schulen zu Rekrutierungsorten durch die Hintertür. Und das selbst bei minderjährigen Schüler*innen!
In Bayern gab es von Anfang 2022 bis Mitte 2023 über 160 Werbeeinsätze in Bildungseinrichtungen. Zusätzlich wirbt die Bundeswehr mit sogenannten ‚Karrieretrucks‘ auf Jobmessen und sogar auf der Spielemesse ‚Gamescom‘. Ob auf dem Schulgelände oder außerhalb: Wir als GEW sind gegen solche Formen der Information, die in Wirklichkeit Werbung sind. (…)
Im vergangenen Jahr waren 10,6 Prozent aller neu eingestellten Soldat*innen unter 18 Jahre alt. Das stellt einen Rekord seit Beginn der Erfassung dar!
Deshalb fordert die GEW eine Anhebung des Rekrutierungsalters auf 18 Jahre sowie ein Verbot jeglicher Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen, damit die Kinderrechte umfassend verwirklicht werden.“

Julian Mühlfellner, Landessprecher der DFG-VK Bayern, erklärte im Anschluss an die Beratung im Europa-Ausschuss des Bayerischen Landtags am 11. Juni:

„Der Gesetzesentwurf instrumentalisiert die Hochschulen für die Imagepflege von CSU und Freien Wählern (FW), bedroht die Wissenschaftsfreiheit und treibt die Militarisierung der Gesellschaft voran. Die SPD unterstützt dieses verfassungswidrige Vorhaben, während es die Grünen nur halbherzig ablehnen. Anders als die AfD begreifen die demokratisch gesinnten Parteien SPD und Grüne wohl nicht, dass der politische Rechtsruck und die Militarisierung der Gesellschaft zwei Seiten derselben Medaille sind. Damit ist eines klar: Es liegt an den Schüler*innen, Studierenden, Lehrenden und Forschenden in Bayern, gegen die Militarisierung von Forschung und Lehre zu demonstrieren.“

Abschließend erklärt Martina Borgendale:

„Der aktuelle sicherheitspolitische Kontext begründet nicht die im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Änderungen im Bildungs- und Forschungsbereich. Zu groß sind die verfassungsrechtlichen Bedenken angesichts der geplanten Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre und die pädagogischen Einwände gegen die Umsetzung.“

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