Schule der Zukunft
Das neue GEW-Konzept für eine flexible Lehrer*innenbildung: Lehrer*in für Primar- oder Sekundarstufe
Auf ihrer Landesvertreter*innenversammlung in Fürth am 7. und 8. Oktober beschloss die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern einen wegweisenden Antrag für eine flexiblere Lehrer*innenbildung.
Die Ausbildung von Lehrer*innen für die Primarstufe (Klasse 1-6) oder Sekundarstufe (Klasse 7-13) würde die Lehrkräfte flexibler einsetzbar machen und dem Lehrer*innenmangel in bestimmten Bereichen langfristig vorbeugen. Zudem untermauert sie nochmals die langjährige Forderung der GEW nach einer gleichen Eingangsbesoldung in A13/E13 für alle Lehrämter.
Der Freistaat Bayern leidet an nicht mehr zu leugnendem Lehrer*innenmangel, besonders an den Grund-, Mittel- und Förderschulen. Aber auch an anderen Schularten zeichnet er sich in bestimmten Fächerkombinationen bereits ab. Die Folge ist z.B., dass über Sondermaßnahmen Personen, die einen Hochschulabschluss haben, direkt ins Referendariat einsteigen können. Ganz ohne Lehramtsstudium. Oder, dass fertig ausgebildete Gymnasial- und Realschullehrer*innen im Rahmen einer Zweitqualifikation zu Grund-, Mittel- oder Förderschullehrer*innen umgeschult werden. Neuerdings ist das Kultusministerium schon so verzweifelt, dass die Fächer Musik, Kunst und Sport an den Grund- und Mittelschulen durch externes Personal unterrichtet werden können, das nicht zwingend eine pädagogische Qualifikation mitbringen muss.
Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW, sieht hier die Lösung: „Die Problematik des altbekannten ‚Schweinezyklus‘ mit abwechselnder Knappheit und großen Überschüssen in den verschiedenen Lehrämtern könnte das Kultusministerium weitgehend entschärfen, wenn es die Lehrkräfteausbildung reformieren und flexibler gestalten würde. Lehrkräfte sollten nur für bestimmte Jahrgangsstufen ausgebildet werden, damit sie an verschiedenen Schularten eingesetzt werden können.“
Den ersten Aufschlag für eine neue Lehrer*innenbildung machte die GEW bundesweit bereits 2013 auf ihrem Gewerkschaftstag. Beim nächsten Gewerkschaftstag 2017 wurden die „Leitlinien für eine innovative Lehrer*innenbildung“ mit großer Mehrheit beschlossen. Diese Positionen waren die Grundlage für die Arbeitsgruppe der GEW Bayern, die den Antrag „Eckpfeiler für eine neue Lehrer*innenbildung in Bayern“ erstellte. Dieser wurde auf der Landesvertreter*innen-versammlung in Fürth am 7. und 8. Oktober 2021 einstimmig beschlossen. Damit geht die Bildungsgewerkschaft nun an die Öffentlichkeit und zeigt einen Ausweg aus dem wiederkehrenden und sich massiv verstärkenden Lehrer*innenmangel auf.
Christiane Wagner, stellvertretende Schulleiterin an einer Mittelschule in München, die das bayerische Konzept mit erarbeitet hat, stellt klar: „Das bildungspolitische Ziel der GEW bleibt die ‚Eine Schule für alle‘, eine Schule, in der alle Kinder gemeinsam zur Schule gehen und nicht nach voraussichtlich zu erwartendem Bildungserfolg ‚vorsortiert‘ werden. Nur ein solches Schulsystem kann Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit langfristig verwirklichen. Dafür ist eine flexiblere Lehrer*innenbildung die Grundvoraussetzung.“
Die GEW schlägt für die neue Lehrer*innenbildung diese drei Phasen vor:
I. Studium mit höheren Praxisanteilen
- Drei Jahre gemeinsames Bachelorstudium für alle Lehramtsstudierenden: Pädagogik, Psychologie, grundlegende Fachkenntnisse, zu wählender fachdidaktischer Schwerpunkt
- Danach drei Jahre Masterstudiengang Primarstufe (Klasse 1-6) oder Sekundarstufe (7-13): fachwissenschaftliche Vertiefung in zwei Schwerpunktbereichen (Unterrichtsfächer oder Sonderpädagogik oder Deutsch als Zweitsprache)
- im Bachelorstudium jeweils ein Praktikum im Primar- und eines im Sekundarbereich
II. Berufseinstiegsjahr bei voller Bezahlung
- Ein Berufseinstiegsjahr ohne 2. Staatsexamen (Master ist bereits vollwertiger Berufsabschluss)
- Reduzierte Zahl der Unterrichtsstunden bei voller Bezahlung
- Beratung ohne Bewertung
- Reflexion, Supervision, Coaching und Hospitationen sind auf die Unterrichtspflichtzeit anzurechnen.
III. Fort- und Weiterbildung
- Deutliche Stärkung der Fort- und Weiterbildung (Zusatzqualifikationen, vertiefte wissenschaftliche Kenntnisse etc.)
- Freistellungen für Weiterbildungen
- Staatliche Fortbildungsangebote sollen ausgebaut werden und weiterhin das Grundgerüst für Fortbildungen bilden. Andere Anbieter sollen aber nicht ausgeschlossen werden.
Große Vorteile sieht die GEW auch darin, dass nach dem vorliegenden Konzept Lehrkräfte mit sonderpädagogischer Ausbildung oder Kenntnissen in Deutsch als Zweitsprache an allen Schularten vorhanden sein würden. Dies würde wesentlich individuellere Schulprofile erlauben und ein wichtiger Schritt in Richtung Inklusion und individuellerer Förderung an den Regelschulen sein.
Das vorliegende Lehrer*innenbildungskonzept mit Masterabschluss für das Lehramt in jeder Altersstufe begründet zudem noch einmal die Forderung der GEW nach A13/E13 als Eingangsbesoldung in allen Lehrämtern. Deutschland ist eines der wenigen Länder weltweit, das Lehrer*innen verschiedener Altersstufen unterschiedlich gut bezahlt. Auch im Bereich der Pädagogik muss die alte gewerkschaftliche Forderung gelten: Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit!
Das ausführliche Konzept „Eckpfeiler für eine neue Lehrer*innenbildung in Bayern“ finden Sie unter diesem Link: https://www.gew-bayern.de/lehrerinnenbildung
81673 München