Pressekonferenz
Bayerische Schulleitungen über dem Limit: Sie gehen viel zu oft krank in die Schule
Die GEW Bayern präsentiert die Ergebnisse der Studie zur Belastung von Schulleitungen in einer Pressekonferenz.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern schrieb in der Woche vom 30. September 5.900 Schulleitungen in Bayern per Fax an und bat die Schulleitungsmitglieder, an einer wissenschaftlichen Studie zur psychosozialen Belastung am Arbeitsplatz teilzunehmen.
700 Schulleitungsmitglieder haben die Online-Umfrage in ihrer Freizeit beantwortet und die GEW Bayern präsentiert nun die Ergebnisse in einer Pressekonferenz.
Der verwendete anonymisierte COPSOQ-Online-Fragebogen (Copenhagen Psychosocial Questionnaire) ist ein wissenschaftlich umfassend erprobtes Instrument zur Messung psychischer Belastungen im Arbeitskontext. Die Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften (FFAW) führte die Befragung im Auftrag der GEW durch. In Hamburg und Rheinland-Pfalz fand die Studie bereits im Frühjahr 2023 als Pilot statt. Im Herbst 2024 nahmen neben Bayern auch die GEW-Landesverbände Hessen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Schleswig-Holstein teil.
Weitere werden im Frühjahr folgen, sodass am Ende insgesamt von 14 Bundesländern Daten vorliegen werden.
Die GEW Bayern präsentiert heute in München im Beisein von Frau Häberle von der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften die bayerischen Ergebnisse. Zudem sind Frau Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW, Herr Florian Kohl, stellvertretender Landesvorsitzender und Mitglied des Hauptpersonalrates beim Kultusministerium, sowie Frau Angelika Altenthan und Herr Markus Weinberger, beide ebenfalls Mitglieder des Hauptpersonalrates, anwesend um die Ergebnisse einzuordnen und Fragen zu beantworten.
Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW, erläutert: „Besonders besorgt uns der extrem hohe Wert für „Präsentismus“. Schulleitungen erscheinen trotz Krankheit häufig am Arbeitsplatz. Dieser Wert ist bei Lehrkräften allgemein schon deutlich höher als bei anderen Berufsgruppen und bei den Schulleitungen nochmals signifikant über dem Wert der Lehrkräfte. Besonders ausgeprägt ist Präsentismus bei den Schulleitungen an den Grund- und Mittelschulen, also an den Schularten, wo der Lehrkräftemangel bisher am massivsten war. Anscheinend fühlen sich die Schulleitungen dort auch am wenigsten abkömmlich.“
80 Prozent der Schulleitungen geben an, dass sie oft oder immer den ganzen Tag in hohem Tempo arbeiten und 70 Prozent können selten oder nie ihre Pausenzeiten einhalten. Zusätzlich ist der Wert für die Entgrenzung der Arbeit bei den befragten Schulleitungen ähnlich hoch wie bei Lehrkräften und mehr als doppelt so hoch wie der Vergleichswert aus anderen Berufen.
Florian Kohl, stellvertretender Vorsitzender der GEW Bayern und Mitglied im Hauptpersonalrat, betont: „Schulleitungen sind eine hochgradig be- und überlastete Berufsgruppe. Es ist ein Unding, wenn Beschäftigte ihre Pausenzeiten mit großer Mehrheit nie oder fast nie einhalten können. Abzuschalten und sich grundlegend zu erholen gelingt ihnen viel zu selten. Da ist es kein Wunder, dass auch die Häufigkeit von Burnout-Symptomen bei den Schulleitungen gegenüber anderen Berufen deutlich erhöht ist. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, die Gesundheit des eigenen Personals zu schützen. Die Arbeitsschutzgesetze gelten für alle Beschäftigten, auch für Schulleitungen. Gefährdungsbeurteilungen sind vom Arbeitgeber regelhaft durchzuführen, um die gesundheitlichen Gefahren zu ermitteln und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die die Gesundheit des Personals schützen. Das findet so nicht statt. Das bayerische Dienststellenmodell, das auf betriebsärztliche und arbeitssicherheitstechnische Fachkräfte verzichtet, den Lehrberuf zum Bürojob macht und die Verantwortung für den Gesundheitsschutz des Personals den Schulleitungen überträgt, ist für diese Aufgabe ungeeignet. Mehr noch. Es ist ein Sparmodell auf Kosten der Gesundheit der schulisch Beschäftigten.“
Auch für die Schüler*innen hat die Überlastung der Schulleitungen negative Auswirkungen. 82 Prozent der gültigen Antworten auf die Frage „Meine Leitungsaufgaben geben Freiraum für gründliche Vor- und Nachbereitung meines Unterrichts“ lauten „trifft nicht“ oder „trifft wenig“ zu. Markus Weinberger, Mitglied im Hauptpersonalrat und Mittelschullehrer, kommentiert: „Neben der allgemeinen Überlastung der Schulleitungen ist das ein weiteres Argument dafür, Schulleitungen noch stärker von ihrer Unterrichtsverpflichtung zu befreien. Besonders dringend geboten scheint das an den Grund- und Mittelschulen, wo Schulleitungen noch sehr viele Stunden selbst unterrichten müssen. Nur eine spürbare Ausweitung der Leitungszeit würde hier zu einer Entlastung führen.“
Zu den deutlich gegenüber anderen Berufen erhöhten quantitativen Anforderungen bei den Schulleitungen kommen noch sehr stark erhöhte emotionale Anforderungen sowie ein signifikant höherer Wert beim „Emotionen verbergen“. Für Angelika Altenthan, Mitglied im Hauptpersonalrat und Gymnasiallehrerin, ein klarer Hinweis: „Wir brauchen dringend die vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen auch bei den Schulleitungen. Dazu gehört auch die systematische Erfassung der psychischen Belastung. Ich sehe den Freistaat als Arbeitgeber hier dringend in der Pflicht. Es kann nicht sein, dass die Schulleitungen selbst für den Arbeitsschutz des inneren Schulbetriebes zuständig sind, sich aber niemand um sie selbst kümmert.“
Besser als bei den Referenzgruppen aus anderen Berufen sind die Werte zu den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, der Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz und beim Einfluss auf die Arbeit. Zudem stechen die bayerischen Ergebnisse bei Ausstattung und Räumlichkeiten positiv hervor.
Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW, fasst zusammen: „Wir freuen uns sehr, dass unsere Umfrage bei den Schulleitungen so viel Anklang gefunden hat und wir eine solide Datenbasis erheben konnten. Zudem haben die teilnehmenden Schulleitungen in den Freitextfeldern 322 Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitssituation und zur Attraktivitätssteigerung von Führungspositionen an der Schule gemacht. Wir werden uns die Rückmeldungen nun im Detail ansehen und Vorschläge für Maßnahmen zur Entlastung der Schulleitungen erarbeiten. Mit diesen werden wir dann an das Kultusministerium und das für die Gesundheit der Lehrkräfte zuständige Arbeitsmedizinische Institut AMIS herantreten und hoffen auf offene Ohren für die Bedürfnisse der hoch belasteten Schulleitungen. Es sollte unser gemeinsames Ansinnen sein, Schulleitungen gesund zu erhalten und Leitungspositionen im Schulbereich attraktiver zu machen.“
81673 München
GEW Fachgruppe Grund- und Mittelschule
Im HPR für die Gruppe der Lehrer*innen an Grundschulen und Mittelschulen
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Pressemitteilung 02/2025: Bayerische Schulleitungen über dem Limit
21.01.2025 - (pdf - 233.43 KB) -
Ausführlicher Ergebnisbericht der Studie (COPSOQ) - Teile 1, 2 und 4
(pdf - 554.70 KB) -
Präsentation von Nicola Häberle, Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften (FFAW)
20.01.2025 - (pdf - 372.28 KB)