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Politik

50 Jahre Berufsverbote – und nichts gelernt

Am 28. Januar 1972 wurde der sogenannte „Radikalenerlass“ von den Ministerpräsidenten der Länder unter dem Vorsitz des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD) beschlossen.

Dieser Tag jährte sich letzten Freitag ein trauriges 50. Mal und wirkt bis heute nach.

In seiner Folge wurden ca. 3,5 Millionen Bewerber*innen für den öffentlichen Dienst überprüft. Wer vom Verfassungsschutz als „Radikaler“ oder „Verfassungsfeind“ eingestuft wurde, wurde aus dem öffentlichen Dienst entfernt oder erst gar nicht eingestellt.

Bundesweit gab es 11.000 offizielle Berufsverbotsverfahren, 2.200 geführte Disziplinarverfahren, 1.256 abgelehnte Bewerbungen und 265 entlassene Personen. Betroffen waren vor allem Kommunist*innen, andere Linke und Gewerkschafter*innen. In Bayern auch Sozialdemokrat*innen und Engagierte der Friedensbewegung.

Die Berufsverbote stehen im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz, rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien sowie den Kernnormen des internationalen Arbeitsrechts, wie die ILO seit 1987 feststellt. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte 1995 die Praxis der Berufsverbote.

Das Aussprechen von Berufsverboten hat die Berufsbiographien vieler Kolleg*innen in der GEW nachhaltig geprägt. Und auch heute gibt es gelegentlich noch Fälle, in denen junge Kolleg*innen unter Druck gesetzt werden, weil sie zu systemkritisch sind.

Der „Radikalenerlass“ ist auch in Bayern seit 1991 offiziell abgeschafft. Doch heute noch müssen Anwärter*innen auf Stellen im öffentlichen Dienst einen „Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue“ ausfüllen und dort angeben, in welchen politischen Organisationen sie aktiv sind oder waren. Eine „Extremismusliste“ ist jedoch völlig ungeeignet, menschenfeindliche Ideologien aus staatlichen Institutionen fernzuhalten.

Die GEW Bayern kritisiert die aktuelle Praxis der Staatsregierung und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, die Beschäftigten sowie Anwärter*innen auf eine Stelle im öffentlichen Dienst, kollektiv zum Ausfüllen dieses sogenannten „Fragebogens zur Prüfung der Verfassungstreue“ zu nötigen. Die Gewerkschaft verlangt die Abschaffung dieses Fragebogens und damit das Ende des bayerischen Sonderwegs.

Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW in Bayern, fordert: „Statt sich auf linke Gruppierungen zu fokussieren sollte die Staatsregierung sich dem ausbreitenden Neofaschismus und damit den wahren Verfassungs- und Demokratiefeinden entgegenstellen.“

Im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung stehen diese Ankündigungen: „Um die Integrität des öffentlichen Dienstes sicherzustellen, werden wir dafür sorgen, dass Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Dienst entfernt werden können.“ Und ferner: „Die in anderen Bereichen bewährte Sicherheitsüberprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern weiten wir aus.“ Dies klingt beinahe so, als ob die früheren Opfer der Berufsverbots-Praxis verhöhnt werden sollen. Die für den Koalitionsvertrag Verantwortlichen haben anscheinend bisher nicht die Absicht, Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit zu ziehen.

„Wir fordern die Bundesregierung auf, aus der unsäglichen Praxis des Radikalenerlasses endlich die richtigen Schlüsse zu ziehen: Grundgesetz, Strafrecht und Disziplinarverfahren reichen aus, um gegen rechte Netzwerke in Polizei, Militär, Justiz und Behörden vorzugehen“, unterstreicht Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW Bayern.

 

 

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Martina Borgendale
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