Zum Inhalt springen

Dokumentation 2: zwei Fälle, eine Ablehnung im Beispiel

3.2.9. Der Fall K.: Wer nicht betet, ist noch kein Verfassungsfeind!

Der nachfolgende Bericht über den Rechtsschutzfall unseres Kollegen K. Ist keine aktuelle Sensationsmeldung mehr. Einzelaspekte dieses skandalösen Falls einer niederbayerischen "Radikalenjagd", die durch den Ministerpräsidentenbeschluß am 28. 1. 1972 ausgelöst, vom bayerischen Innenminister und vom Kultusminister gefördert und von der Regierung von Niederbayern durchgeführt worden Ist, sind von Zeit zu Zeit In der Öffentlichkeit aufgetaucht.

Trotzdem scheint es uns wichtig genug, diese Geschichte einer reaktionären Intoleranz bayerischer Schulbehörden, die vor der Existenzvernichtung kritischer Junglehrer nicht zurückschreckt, zusammenfassend darzustellen, denn

  • sie Ist typisch für die rechtswidrige Praxis bayerischer Schulbehörden bei der Handhabung des sogenannten „Radikalenerlasses,
  • sie wirft ein Schlaglicht auf die Hexenjagdmethoden reaktionärer Eiferer bei der Verfolgung Andersdenkender, die Im vorliegenden Fall zu einer verhängnisvollen Verquickung der Begriffe „nicht dorfgerecht" und "nicht verfassungsgerecht" führte,
  • sie Ist auch ein Beispiel für den Anpassungsdruck und die Einschüchterungsversuche

unterhalb der Schwelle der Berufsverbote, unter denen bayerische Junglehrer tagtäglich leiden und oft genug resignieren,

  • sie ist aber auch ein Beispiel dafür, daß sich die Betroffenen weh r e n müssen und dafür, daß sie sich erfolgreich wehren k ö n n e n, wenn auch wie im vorliegenden Fall der Richterspruch um Jahre zu spät kommt. Denn trotz der vernichtenden gerichtlichen Niederlagen hat die Bayerische Staatsregierung den Gerichtsweg bis zuletzt ausgeschöpft. Erst am 9. Juni 1981, fast neun Jahre nach dem Rechtsbruch bayerischer Behörden, wurde Kollege K. gerichtlich rehabilitiert und das Vorgehen bayerischer Behörden als rechtswidrig verurteilt. Zu spät für K. Er arbeitet seit Jahren als Masseur, verantwortliche Politiker behaupten trotzdem, es gäbe hierzulande kein Berufsverbot.

 

A. Vorgang

1. Ausbildung

Kollege K. bestand im Jahre 1965 in München die Reifeprüfung, leistete anschließend zwei Jahre Wehrdienst und schied als Leutnant d. R. aus. Er studierte ab Wintersemester 1967/1968 an den Universitäten Gießen und -München Germanistik, ab Sommersemester 1969 an der Pädagogischen Hochschule (PH) München der Universität München Pädagogik. Die Erste Prüfung für das Lehramt an Volksschulen 1971/II bestand er mit der Gesamtnote „gut" (2,13). Vom 1. 9. 1971 bis 15. 7. 1972 war er beim Kreisjugendring München-Stadt als Freizeitpädagoge im Jugendfreizeitheim Neuhausen beschäftigt.

2. Bewerbung

Mit Schreiben vom 29. 7. 1972 bewarb sich K. bei der Regierung von Niederbayern um Einstellung in den Schuldienst an Volksschulen und bat um Einsatz im Raum Teisnach/ Bodenmais (Landkreis Regen), weil er im Hause eines Freundes im Bayerischen Wald wohnen könne. Auf seinen Antrag auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst vom 8. 8. 1972 teilte ihn das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus am 14. 8. 1972 dem Regierungsbezirk Niederbayern zu.

3. Einstellung

Mit Urkunde vom 14. 8. 1972, ausgehändigt am 18. 9. 1972, wurde K. unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Lehramtsanwärter für den Volksschuldienst ernannt. Am gleichen Tage wurde K. vereidigt und über die Bekanntmachung der Bayer. Staatsregierung vom 25. 4. 1961 über verfassungsfeindliche Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Kenntnis gesetzt.

4. Dienstantritt

K. trat noch am 18. 9. 1972 seinen Dienst an der Volksschule Patersdorf/Kaikenried an und übernahm als Aushilfe ein 5. Schuljahr. K. wohnte abseits des Dorfes am Waldrand in einem Häuschen als Gast eines Bekannten aus der Studentenzeit, der ihm das Haus vorübergehend überließ. Glück und Friede in der Einsamkeit des Bayerischen Waldes währten jedoch nicht lange: Der kath. Ortspfarrer Zitterbart und 2. Bürgermeister Kauschinger leiteten die Radikalenjagd ein:

5. Gesundes Volksempfinden

Mit Schreiben vom 17. 1. 1973 teilte der zweite Bürgermeister der Gemeinde Patersdorf dem Staatlichen Schulamt im Landkreis Regen, Dienststelle Viechtach, mit, daß

a) die Klasse K. bei Unterrichtsbeginn kein Gebet mehr zu sprechen brauche wie es·in allen anderen Klassen der Schule Patersdorf selbstverständlich sei.

b) Herr K. seit dem 18. 9. 1972 in Auerkiel Hs.-Nr. 171 Gemeinde Böbrach mit zweitem Wohnsitz gemeldet sei. Bei diesem Haus habe man im Sommer/Herbst 1972 Sexspiele im Freien beobachten können. Außerdem sei an diesem Haus die Rote Fahne ausgehängt.

c) Herr K. sei gegenüber seinen Kollegen sehr verschlossen.

Es wurde gebeten, den Herrn K. schnellstmöglichst zu versetzen.

Später teilte Pfarrer Zitterbart der Presse mit, daß er - erfolglos - versucht hatte, die Kinder gegen ihren Lehrer aufzubringen, diese müßten sich gegen die angebliche „Gottlosigkeit" des Lehrers durchsetzen, sonst sei „die ganze Erste HI. Kommunion umsonst". Auf Fragen der Presse, warum er sich nicht an K. gewandt habe, antwortete Zitterbart: ,,Was soll man denn mit so einem schon reden!".

6. Schulbürokratle

Einmal in Gang gebracht, mahlten die Mühlen der bayerischen Schulbürokratie von selbst weiter:

Mit Schreiben der Regierung von Niederbayern vom 6. 3. 1973 wurde dem K. mitgeteilt, daß Zweifel laut geworden seien, ob er in seiner Eigenschaft als Beamter und Erzieher für die freiheitlich demokratische Grundordnung zu wirken bereit und gewillt sei.

7. Verfassungsschutz

Bereits mit Schreiben. vom 20. 9. 1972 teilte das Bayer. Staatsministerium des Innern dem Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit, daß K. am 12. 12. 1969 als Vertreter der Fachschaften Basisgruppen/links LFB-Liste) in den 17. Konvent der Universität München gewählt worden sei.

Im Dezember 1970 wurde er von den Studenten der Pädagogischen Hochschule München-Pasing bei 8 % Wahlbeteiligung zusammen mit vier anderen in den 18. Konvent der Universität München gewählt.

8. Anhörung

Am 20. 3. 1973 gab Koll. K. bei der Regierung von Niederbayern auf Vorladung., laut Urteilstext vom 18. 2. 1975 an, ,,es sei richtig, daß er Ende 1969 als Vertreter der Fachschaften Basisgruppen/links (LFB) in den 17. Konvent der Universität München gewählt worden sei. Diese Gruppen · hätten kein klar definiertes politisches Programm, wohl aber bestimmte links gerichtete Zielvorstellungen gehabt, die er im Wesentlichen gebilligt habe.

Er sei auch heute noch politisch interessiert, wolle aber seine politische Meinung noch unmißverständlicher als damals in dem Rahmen, den das Grundgesetz vorschreibe, verwirklichen. Die Grundzüge der demokratischen Grundordnung bejahe er uneingeschränkt. Er sei jetzt Mitglied in der SPD.

Es sei richtig, daß er das gemeinsame Schulgebet in seiner Klasse abgeschafft habe, weil er darin eine Indoktrination und Manipulation sehe. Wenn die Eltern oder die Kinder selber dieses Gebet wünschten, würde er sich dem nicht widersetzen. Das Haus, in dem er in Auerkiel wohne, gehöre einem seiner Freunde, der in München wohne. Es sei richtig, daß vor diesem Haus auf einer Stange die rote Fahne hänge. Er habe diese Fahne nicht aufgezogen, sondern bei seinem Einzug bereits vorgefunden. Sie störe ihn nicht, er wolle sie auch nicht als Manifestierung seiner politischen Meinung verstanden wissen. An den Sexspielen vor dem Hause, in dem er wohne, habe er sich weder beteiligt noch habe er sie initiiert. Er glaube auch nicht, daß solche Spiele überhaupt stattgefunden haben.

9. Versetzung

Ohne weitere Vorwarnung wurde Koll. mit Wirkung vom 2. 5. 1973 an die Volksschule Zwiesel überwiesen.

10. GEW-Rechtsschutz

Angesichts der nun deutlichen Anzeichen für eine Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst beantragte Koll. K. am 31. 7. 1973 den Rechtsschutz der' GEW, die umgehend einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung der Interessen des Kollegen beauftragte.

11. Personalrat

Am 1. 8. 1973 stimmte der Personalrat bei der Regierung von Niederbayern der beabsichtigten Entlassung zu, ohne selbst den betroffenen Kollegen zu hören.

12. Entlassung

Am 9. 8. 1973 erhielt Kollege K. folgenden Bescheid der Regierung von Niederbayern:

1. Der Lehramtsanwärter für den Volksschuldienst wird mit Ablauf des 30. 9. 1973 aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen.

2. Die sofortige Vollziehung wird angeordnet.

3. Für diesen Bescheid werden keine Kosten erhoben.

Gründe:

Erst nach Begründung des Beamtenverhältnisses und nach seinem Einsatz in der Schule wurde von den Organen des Verfassungsschutzes folgendes festgestellt:

a) Im Dezember 1969 wurde Kordatzki als Vertreter der Fachschaften Basisgruppen-Links (LFB-Liste) in den 17. Konvent der Universität München gewählt.

b) lm Januar 1970 unterzeichnete er neben 5 anderen Studierenden ein Flugblatt des „lnitiativausschusses Rote Zelle Pädagogik", das die Überschrift „Zur Situation der Lehrerbildung in der Bundesrepublik" trug. Darin ist im wesentlichen ausgeführt, daß in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Bildungssektor objektiv eine Unterdrückung vorherrsche, die bislang mit Erfolg verschleiert werde.

c) In der Zeitung „Kandidaturen für die Wahlen zum 18. Konvent" stellte er sich im Spätherbst 1970 als Kandidat vor und bezeichnete sich als Mitglied der Roten Zelle Pädagogik.

Mit Schreiben vom 17. 1. 1973 teilte der 2. Bürgermeister der Gemeinde Patersdorf dem Staatlichen Schulamt im Landkreis Regen, Dienststelle Viechtach, mit, daß

d) vor dem Hause Nr. 171 in Auerkiel, in dem Kordatzki seit 18. 9. 1972 wohnt, die Rote Fahne ausgehängt sei,

e) in der Klasse des Herrn Kordatzki im Gegensatz zu allen übrigen Klassen der Schule Patersdorf kein Schulgebet mehr gesprochen werde .. . "

Immerhin wurden nunmehr die angeblichen, noch am 18. 4. 1973 amtlich „beglaubigten," „Sexspiele" schamhaft verschwiegen und tauchten auch in späteren Schriftsätzen mit Ausnahme des Urteils, nicht mehr auf.

Weiter heißt es in der Entlassungsbegründung:

,“Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf war nach Sachlage geboten, denn K. bietet nicht die Gewähr dafür, daß er jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Bayer. Verfassung eintreten wird (Art. 9 Abs. 1 Ziffer 2 BayBG) . . ..

Da das In der Zukunft liegende Verhalten eines Menschen weder vorausgesagt noch voraus analyslert werden kann, kommt es nur darauf an, daß diese Zweifel In sich schlüssig sind. Nicht notwendig ist der Nachweis, daß der Bewerber sich unter allen Umständen auch hinfort verfassungswidrig verhalten wird und ein verfassungskonformes Verhalten nicht einmal theoretisch denkbar ist. ...

Die Erklärungen, die K. zu Protokoll gegeben hat, sind nicht geeignet, die Zweifel an seiner Verfassungstreue auszuräumen ....

Glaubhaft ist auch nicht die Behauptung, er habe sich mittlerweile von den Vorstellungen seiner Studentenzeit gelöst und stehe heute fest auf dem Boden der Verfassung. Die Tatsache, daß er seit seiner Berufung in das Beamtenverhältnis freiwillig in einem Hause wohnt und dort zu wohnen bestrebt war, vor dem die rote Fahne aufgezogen ist, macht deutlich, daß er sich Innerlich nicht gewandelt hat. Darüberhinaus wurde von Organen des Verfassungsschutzes festgestellt, daß eben jenes Haus auch jetzt noch wiederholt Treffpunkt von Angehörigen linksgerichteter Vereinigungen ist.

Auch die Tatsache, daß K. von sich aus und ohne Rücksprache mit Schülern, Eltern oder anderen Erziehern das Schulgebet in seiner Klasse abgeschafft hat, nährt die Zweifel an seiner Verfassungstreue.

Wer es eigenmächtig beseitigt, verletzt das Verfassungsgebot.

Einer Vielzahl von Eltern darf nicht zugemutet werden, ihre Kinder in den entscheidungsträchtigsten Jahren ihres Lebens einem die Staatsautorität verkörpernden Lehrer anzuvertrauen, gegen dessen Verfassungstreue erhebliche Bedenken bestehen. Auch der Staat selbst, als öffentlicher Erziehungsträger, kann dies nicht dulden."

13. Widerspruch

Am 11. 8. 1973 legte der GEW-Anwalt gegen die Entlassung Widerspruch ein, mit der Begründung, Kollege K. habe nicht das Schulgebet abgeschafft, sondern dessen Durchführung und Respektierung durch anders gesonnene Schüler geschützt und gefördert. Er empfinde sich auch nicht als ,,Antiklerikaler".

Die vor dem Hause· hängende „Rote Fahne" sei ein vom Winde zerfetzter, zerschlissener und verblichener rosa-weißer Fahnenrest, dem K. keinerlei Bedeutung beim Einzug beigemessen hatte und der auch keinerlei Rückschlüsse auf mangelnde eigene Verfassungstreue zulasse. Im übrigen wehe die rote Fahne auch am Sitz des Bundesvorstands der SPD in Bonn und habe darüberhinaus eine ehrenvolle und zutiefst demokratische Tradition.

Die langatmigen Vorwürfe hinsichtlich der studentischen Aktivitäten des Kollegen K. seien in keiner Stelle geeignet, Zweifel an der Verfassungstreue des K. zu belegen.

14. Antrag auf Weiterbeschäftigung

Am 28. 8. 1973 stellte der Anwalt den Antrag auf Aussetzung des sofortigen Vollzugs der Entlassung nach §§ 80 (5) und 80 (3) VwGO.

In der 23seitigen Begründung wird die absolute Glaubwürdigkeit der Aussagen des Kollegen K. herausgestellt und mit den Methoden der Regierung von Niederbayern verglichen :

„Die eigenen Wertungen des Bescheidverfassers spotten jeder justizförmigen Einordnung und lesen sich wie ein staatliches Dokument aus dem Dritten Reich . . . Es wird im vorliegenden Verfahren darauf ankommen, klar herauszuarbeiten, daß der Geist unserer Verfassung nicht verwechselt werden darf mit dem Geist einer rechtsrestaurativen Subkultur."

15. Gutachten

Am 4. 9. 1973 bescheinigte Rektor Zitzelsberger der Volksschule Patersdorf dem Kollegen K. nach erfolgter Entlassung :

„Auf Wunsch bescheinige ich gerne, daß Herr K. während seiner Dienstzeit an der Volksschule Patersdorf von September 1972 bis Ostern 1973 sich weder in der Schule noch in der Öffentlichkeit politisch betätigte ....Auch als mir die Sache vom unterlassenen Schulgebet in K.s Klasse bekannt wurde und ich ihn daraufhin in einer Aussprache darauf aufmerksam machte, daß er sich damit ins Unrecht setze, wenn auch nur ein einziges Kind wirklich beten wolle und ihn dabei auf die Verfassung hinwies, meinte Herr K.: ,,wenn das so ist, dann beten wir halt". Eine Beschwerde von Seiten der Eltern wegen des unterlassenen Schulgebetes wurde bei mir nicht vorgebracht. Ansonsten zeigte sich Herr K. bei uns als stiller, freundlicher junger Kollege."

16. Gerichtsbeschluß

Am 4. 10. 1973 entsprach das Verwaltungsgericht Regensburg dem Antrag des Anwalts vom 28. 8. 1973 und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Entlassungsbescheid wieder her mit der Maßgabe, daß die weitere Vollziehung der Entlassung ausgesetzt würde. Koll. K. wurde „zur Fortführung seiner Ausbildung" der Volksschule Schöllnach zugewiesen.

17. Widerspruchsbescheid

Am 12. 12. 1973 wies die Regierung von Niederbayern den Einspruch des Kollegen K. gegen seine Entlassung zurück.

In dem Widerspruchsbescheid heißt es unter anderem:

Das Verfassungsverständnis von Staat und Kirche geht nicht vom Grundsatz der völligen Trennung der beiden aus, wie es etwa in den Vereinigten Staaten seit 1787 und in Frankreich seit 1789 der Fall ist. Die durch Art. 140 in das GG übernommenen Artikel 136- 139 und 141 der Weimarer Verfassung haben einen so gearteten Laizismus nicht zum Inhalt und schreiben auch den Ländern einen solchen nicht vor. Das ergibt sich aus der Fortgeltung der vor 1945 geschlossenen Konkordate und Kirchenverträge (Art. 123 Abs. 2 GG; Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 6, 309; Art. 182 BV), die vom Geiste guter Partnerschaft zwischen Staat und Kirche getragen sind; es ergibt sich ferner aus den vielfachen Vermögenszuwendungen des Staates an die Kirche und aus den vielfachen Schutzfunktionen, die der Staat den Kirchen gegenüber eingenommen hat und einnimmt. ...

Der Umstand, daß bisher keine Klagen über eine · politische Beeinflussung seiner Schüler und seiner Ihm nicht besonders nahestehenden Umgebung bekanntgeworden sind, kann die Zweifel an seiner Einsatzbereitschaft für die freiheitlich-demokratische Staatsordnung genausowenig ausräumen wie · das übrige Vorbringen in der Widerspruchsbegründung.

Der Widerspruch war deshalb zurückzuweisen."

18. Klage

Am 1. 1. 197 4 reichte der Anwalt die Klage zum Verw.-Gericht Regensburg ein mit dem Antrag, die Entlassung des Kollegen K. aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 16. 5. 1974 stellte der Anwalt die Klageanträge auf eine Feststellungsklage um, weil Kollege K. aus gesundheitlichen Gründen sein Beamtenverhältnis auf Widerruf beenden mußte.

19. Staatsanwalt

Nach der scheinbar erfolgreichen Existenzvernichtung eines Junglehrers sollte natürlich auch kein Richterspruch mehr den Jagderfolg der Niederbayern trüben:

Am 27. 12. 1974 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Verwaltungsgericht Regensburg die kostenpflichtige Abweisung der Klage vom 1. 1. 1974 - nach einem Jahr der Untätigkeit und Verschleppungstaktik!- in erster Linie mit der Begründung, daß „es am erforderlichen berechtigten Interesse zur Erhebung der Fortsetzungsfeststellngsklage fehlt."

Am Ende seines Schriftsatzes offenbarte Erster Staatsanwalt Ruland noch einmal, sozusagen zusammenfassend, den Beweismechanismus der behördlichen Hexenjagdmethoden: Wer sich zu seiner Überzeugung bekennt, Ist schuldig - wer behauptet, seine Meinung geändert zu haben, dem glauben wir nicht!

Ruland wörtlich: „Die Entscheidung des Rechtsstreits wird daher vor allem von der Beurteilung der Frage abhängen, ob ein späterer Gesinnungswandel des Betroffenen zu berücksichtigen ist und bejahendenfalls wie sich dann die materielle Beweislast hierfür verteilt. Dabei ist Insbesondere zu berücksichtigen, daß nicht nur ein Abrücken von den bisherigen (verfassungsfelnlichen) Zielen verlangt werden muß, sondern auch ein positives Bekenntnis zum freiheitlich demokratischen Rechtsstaat und daß dieses Bekenntnis nicht durch eine eidesstattliche Versicherung oder durch ein Lippenbekenntnis in der mündlichen Verhandlung Genüge getan ist. Die Staatsanwaltschaft verkennt dabei keineswegs, daß ein derartiger (posltiver) Beweis in der Praxis dem Betroffenen schwer fallen wird, sie Ist jedoch der Meinung, daß sich der Kläger diese Beweisschwierigkeiten selbst zuzurechnen hat."

B. Urteil

Am 18. 2. 1976 (!!) sprach nach mündlicher Verhandlung das Verwaltungsgericht Regensburg unter dem Aktenzeichen R/N 6 1 74 das Urteil:

I. Der Bescheid der Regierung von Niederbayern vom 3. 8. 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. 12. 1973 war rechtswidrig.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

III. Das Urteil ist in Ziffer II gegen Sicherheitsleistung von 700,- DM vorläufig vollstreckbar.

C. Begründung

I.

„Die als Anfechtungsklage erhobene, auf eine sog. Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellte Klage ist zulässig . .. .

Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist oder nicht, denn eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis wegen mangelnder Verfassungstreue stellt für den Betroffenen einen so schweren Makel dar, daß eine gerichtliche Klärung auch dann gerechtfertigt ist, wenn sich der Verwaltungsakt zwischenzeitlich erledigt hat.

II.

Die Klage ist begründet, denn der Verwaltungsakt war rechtswidrig.

1. Nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayBG kann der Beamte auf Widerruf zwar ,jederzeit' durch Widerruf entlassen werden. Damit ist dem Dienstherrn ein sehr weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Es muß aber stets ein sachlicher Grund für die Entlassung vorliegen . .. . Ein solches Beamtenverhältnis darf nur aus Gründen widerrufen werden, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen.

Nach Art. 43 Abs. 2 Satz 1 BayBG soll nämlich dem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden, den Vorbereitungsdienst abzuschließen und die Anstellungsprüfung abzulegen . .. .

2. Mangelnde Verfassungstreue ist nur dann ein Widerrufsgrund, wenn sie sich als Verletzung der Dienstpflicht des Art. 62 Abs. 2 Satz 1 BayBG darstellt. . ..

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 39, 334/350) hat nämlich erkannt, daß die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst wegen mangelnder Verfassungstreue nur aufgrund eines begangenen konkreten Dienstvergehens möglich sei. Das Dienstvergehen bestehe nicht einfach in der ,mangelnden Gewähr' des Beamten dafür, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde .. . .

3. Die Entlassung wegen eines Dienstvergehens setzt voraus, daß tatbestandsmäßig ein rechtswidrig und schuldhaft begangenes Dienstvergehen des Beamten auf Widerruf vorliegt und daß die Verfahrensvorschriften des Art. 116 Abs. 3 BayDO beachtet worden sind. Dies war vorliegend nicht der Fall.

a) Die formellen Voraussetzungen waren nicht erfüllt, denn die Regierung von Niederbayern hatte gegen den Kläger eine auf Entlassung wegen eines Dienstvergehens gerichtete Untersuchung nicht eingeleitet (Art. 116 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 BayDO). Sie hatte dementsprechend auch dem Kläger die Einleitung der Untersuchung nicht mitgeteilt. . ..

b) Auch die materiellen Voraussetzungen für eine Entlassung waren nicht erfüllt, denn der Kläger hatte gegen die Dienstpflicht des Art. 62 Abs. 2 BayBG nicht verstoßen. Die Nichtdurchführung des Schulgebets berührt nicht die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Bayer. Verfassung . ... Die demokratische Grundordnung im Sinne der Bayer. Verfassung ist keine andere wie die des Grundgesetzes. Da in Bayern für das Schulgebet keine Bestimmungen bestehen, es vielmehr dem einzelnen Lehrer überlassen bleibt, ob die erste Unterrichtsstunde am Morgen mit einem Schulgebet begonnen wird . . . , ist nicht zu ersehen, daß der Kläger dadurch, daß er das Schulgebet entgegen der vorherigen Übung nicht weiter durchgeführt, aber auch nicht untersagt hat, gegen Verfassungsgebote, geschweige denn gegen die Grundprinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung verstoßen hat.

Ein Verstoß gegen Art. 62 Abs. 2 BayBG ist auch nicht darin zu sehen, daß der Kläger in ein Haus eingezogen ist, vor dem die rote Fahne angebracht war und daß er diese dort belassen habe. Es mag schon zweifelhaft sein, ob diese rote Fahne, die der Kläger nicht selbst aufgestellt, sondern bereits vorgefunden hat, ihm als Manifestation einer bestimmten Geisteshaltung zugerechnet werden kann. Es erscheint darüberhinaus fraglich, ob einem zerschlissenen Fahnenrest Symbolkraft zukommt. . . .

Schließlich vermag die Vermutung, das Haus in Auerkiel sei wiederholt Treffpunkt junger Leute gewesen, die sich zuweilen als Mitglieder einer ,Roten Front' oder der ,Roten

Zellen' bezeichnet haben sollen, mangels konkreten Bezugs zum Kläger nicht den Nachweis eines Dienstvergehens zu erbringen. An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn man das vordienstliche Verhalten des Klägers mit berücksichtigt. Die vor seiner Ernennung zum Beamten liegenden Vorgänge können auch für sich allein genommen kein Dienstvergehen darstellen.

Nach alledem war der Klage stattzugeben."

Die bayerischen Radikalenjäger In den Schulbehörden sind unbelehrbar. Der bereits erwähnte „Landesanwalt" Ruland hat am 20. 7. 1976 im Auftrag des Freistaates Bayern gegen das Urteil Berufung eingelegt.

 

D. Berufungsverfahren

Am 29. August 1978 verkündete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unter Az: Nr. 278 111 76 folgenden Beschluß:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

11. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

111. Die Revision wird nicht zugelassen.

Begründung

,, ... Ein früheres Verhalten des Beamten kann bei der Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit zwar mitberücksichtigt werden. Das Eignungsurteil darf sich aber nicht ausschließlich oder in erster Linie darauf stützen. Die dem Kläger zur Last gelegten Verhaltensweisen während des Vorbereitungsdienstes lassen Schlüsse auf die Persönlichkeit des Klägers, wie sie der Beklagte gezogen hat, nicht zu. Auf die vom Erstgericht hierfür gegebene Begründung wird insoweit verwiesen ... "

Zu diesem Zeitpunkt hätte auch aus Altersgründen noch gute Gelegenheit bestanden, Koll. K. zum Vorbereitungsdienst zu. zulassen, wenn die Staatsregierung nunmehr ihr Unrecht eingesehen hätte.

Doch auch gegen die Nicht-Zulassung der Revision wurde mobil gemacht in allen Fällen, in denen der VGH die rechtswidrigen Praktiken der Staatsregierung verurteilt hatte, so auch hier.

 

E. Revisionsverfahren

Der von der Staatsregierung beauftragte, aus Steuermitteln bezahlte Anwalt legte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Und obwohl solche Beschwerden bei gegebener Rechtssprechung und klarer Rechtslage ohne jede Aussicht auf Erfolg zu sein pflegen, erwies sich nunmehr der neu und komplett besetzte 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts als wahrer Freund der Bayer. Staatsregierung: Er gab im Herbst 1980 sämtlichen Beschwerden der Staatsregierung nach mit einem einzigen kurzen stereotypen Begründungssatz, verwies umgekehrt entsprechende Beschwerden unterlegener Kläger aus anderen Bundesländern mit langen Begründungen zurück.

Bei K. lautete die Zulassungsbegründung des Senats unter dem Vorsitzenden Richter Niedermeier (ehemals Beamter des Bayer. Finanzministeriums):

„Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Entscheidung im erstrebten Revisionsverfahren geeignet ist, zu einer Klärung der Frage beizutragen, inwieweit Verhaltensweisen vor der Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Widerruf bei der Entlassung des Beamten auf Widerruf berücksichtigt werden können."

Die umfassende Antwort des Bundesverwaltungsgerichtes auf den Spruch des Bundesverfassungsgerichtes vom 22.5. 1975 und auf die Liberalisierungstendenzen in einigen Bundesländern war eingeläutet. (siehe S. 23 )

Trotzdem kam Koll. K. rehabilitiert, die Bayerische Staatsregierung als Verlierer und Rechtsbrecher aus der Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht am 4. Juni 1981 heraus.

Am 9. Juni 1981 verkündete der 2. Senat das Endurteil:

Die Revision des Beklagten gegen den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. August 1978 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen:

Der Bescheid der Regierung von Niederbayern vom 3. August 1973 und deren Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1973 werden aufgehoben.

„Die vom Beklagten festgestellten in erster Linie maßgeblichen Verhaltensweisen des Klägers im Vorbereitungsdienst ergeben aber - wie die Vorinstanzen mit Recht ausgeführt haben - auch unter Beachtung der Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn keine hinreichende Anhaltspunkte für Zweifel an der Gewähr der Verfassungstreue des Klägers. Das gilt zunächst für das Nichtsprechen des Schulgebets und auch für die rote Fahne vor dem Haus, in dem der Kläger als Mieter wohnt." Das heißt: Kollege K. ist nicht aus dem Vorbereitungsdienst zu entlassen. Er ist in vollem Umfang rehabilitiert.

Das heißt auch: Kollege K. könnte jetzt - inzwischen 35jährig seinen Anspruch auf Fortsetzung seiner Lehrerausbildung geltend machen. Abgesehen vom Altersproblem - würde die Staatsregierung jemals ohne seine dienstrechtliche Gleichstellung mit andern Prüfungsteilnehmern seines Jahrgangs garantieren, würde sie ihn jemals finanziell entschädigen?

Kollege K. wird wohl als Masseur. wie seit Jahren, schon weiterarbeiten. Die Kosten der Steuerzahler für seine Lehrerausbildung und sein Studium waren umsonst, die Kosten für einen neunjährigen, sinnlosen Rechtsstreit ebenso .

Die Staatsregierung hat trotz Aufforderung im Landtag bis jetzt keine Konsequenzen aus dem Urteil gezogen. Sie behauptet auch weiterhin, in Bayern gäbe es kein Berufsverbot.

 

3.2.10. Friedensfreunde als ,,Verfassungsfeinde" -

Der Fall Heinrich Häberlein

Die Vorgeschichte

Häberlein, der Pfarrersohn ist, absolvierte eine Lehre als Feinmechaniker, kam über den Zweiten Bildungsweg zum Abitur und begann anschließend in Nürnberg ein Studium. Der jetzt 32jährige hat sich in der evangelischen Jugendarbeit stark engagiert und trat aus Sympathie zu Pfarrer Niemöller der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VNN) und der ,,Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner e. V. (DFG-VK)" bei, deren Landesvorsitzender er ist. Nach zwei Anhörungsterminen im September 1976 und Februar 1977 verweigerte ihm die Bezirksregierung von Mittelfranken in Ansbach die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen. Ausschlaggebend dafür, so wurde damals betont, sei nicht die Mitgliedschaft Häberleins in der DFG-VK, die nach Meinung des Verfassungsschutzes kommunistisch beeinflußt ist, sondern die nach Ansicht der Bezirksregierung unklar gebliebene Einstellung des Lehramtsanwärters zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dieser Auffassung schloß sich im Januar 1978 das Verwaltungsgericht Ansbach an.

Es vertrat die Auffassung, nicht nur Bestrebungen zum Sturz der· freiheitlich-demokratischen Grundordnung schlössen die Aufnahme in den öffentlichen Dienst aus, sondern bereits eine ,,gleichgültig distanzierte Haltung". Häberlein hatte damals unter anderem erklärt, da er nicht Mitglied einer kommunistischen Partei sei, sei es auch nicht zulässig, ihn über die Ziele des Kommunismus zu befragen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach fand ein ungewöhnlich starkes Echo. In einer Sonntagspredigt in der Nürnberger Lorenzkirche meinte der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Pfarrer Hans Roser: ,,Wenn einer fürchten muß um seine pazifistische Grundhaltung, die ein respektabler Ausdruck christlichen Glaubens sein kann, wenn er durch diese Überzeugung in die Nähe von Leuten gerät, gegen die schwerwiegende Sicherheitsbedenken des Staates vorliegen, wenn er dazu fürchten muß, daß in einem solchen Verfahren ihm die Chance genommen wird, seine Berufsausbildung abzuschließen , dann muß das einschüchternd wirken, dann muß das Ängste auslösen ."

Landesbischof Hanselmann wiederum nahm den Fall Häberlein zum Anlaß, mit den Regierungsbehörden Gespräche über die Anwendung des Extremistenbeschlusses zu führen. Er erklärte, er werde alles tun, ,,um zu einem Optimum an Gerechtigkeit zu gelangen und destruktive Ängste abzubauen".

Im November des gleichen Jahres verpflichtete dann der 3. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes den Freistaat Bayern durch eine Einstweilige Anordnung, Häberlein bis zum Abschluß des Hauptsacheverfal1rens vorläufig in den öffentlichen Dienst einzustellen.

Ungeachtet des deutlichen Hinweises des VGH, auch im Hauptsacheverfahren sei eine Entscheidung zugunsten Häberleins zu erwarten , hat sich das Kultusministerium im Herbst vergangenen Jahres erneut geweigert, den Junglehrer nach dem erfolgreichen Abschluß der Lehramtsprüfungen in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen . Aus diesen Grund ist Häberlein zur Zeit arbeitslos.

In der zum Hauptsacheverfahren gehörenden Verhandlungen am Mittwoch machte Häberlein vor dem 3. Senat erneut unmißverständlich deutlich, daß er sich der vom Kommunismus angestrebten „Diktatur des Proletariats" widersetzen würde. Gleichzeitig bezeichnete er sich als „christlich engagierten Pazifisten" und beklagte, daß er bei den Anhörungsgesprächen bei der Bezirksregierung von Mittelfranken nicht gefragt worden sei, warum er sich für den Frieden engagiere, auch habe er seine Rolle bei der DFG-VK nie darlegen können. Stattdessen habe man ihn mit Zitaten von Organisationen konfrontiert, deren Auffassung er nicht teile.

Häberleins Anwalt Hans-Eberhard Schmitt-Lermann erklärte, sein Mandant vertrete mit seiner pazifistischen Überzeugung Gedanken „vieler integerer und angesehener Organisationen und Persönlichkeiten", Schauspieler wie Heinz Rühmann oder Inge Meisel hätten dasselbe gesagt wie Häberlein, ohne deswegen als Verfassungsfeinde abgestempelt zu werden. Schließlich befinde sich Häberlein auch in Übereinstimmung mit den Teilnehmern des Evangelischen Kirchentages in Hamburg im Sommer dieses Jahres.

Das Gericht ließ anklingen, daß die Bezirksregierung von Mittelfranken bei den Anhörungsgesprächen mit Häberlein einige Anforderungen nicht beachtet habe, die das Bundesverwaltungsgericht in Berlin an solche Befragungen geknüpft habe. So sei bei einigen Fragen versäumt worden ,,nachzustoßen", um Unklarheiten zu beseitigen. Einiges sei „im dunkeln" geblieben und habe die Behörde zu falschen Schlüssen veranlaßt. Vor und während der Verhandlung gingen beim 3. Senat über 500 Briefe aus dem In- und Ausland ein, deren Unterzeichner sich für Häberlein verwenden. Vorgelegt wurde unter anderem auch ein Brief von Landesbischof Hanselmann, der schreibt, jeder müsse der „Versuchung widerstehen, in die Mentalität des kalten Krieges zurückzuverfallen".

(aus: Süddeutsche Zeitung vom 1.10.1981)

 

Aus der Begründung der Einstweiligen Anordnung zur Einstellung Häberleins in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen, Bayer. Verwaltungsgerichtshof Nr. 41 III 78, 10. 8. 78

( ... ) Es ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, daß die DFG-VK und die VVN-BdA verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Insbesondere ist nicht zu erkennen, daß die DFGVK die politische Zielsetzung der DKP generell oder in den Hauptpunkten übernommen hat.

 ( ... ) Die Frage, ob die von der Regierung im Widerspruchsbescheid herausgestellten beiden Programmpunkte der DFG-VK, nämlich Bekenntnis zur friedlichen Koexistenz und - als innenpolitische Konsequenz - Gegnerschaft zum Antikommunismus, in der Tendenz gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen , stellt sich nicht. Es gibt nicht den Rechtsbegriff der tendenziell verfassungsfeindlichen Zielsetzung einer Organisation.

Die Wertungen der Einstellungsbehörde erscheinen nicht in einem anderen Licht, wenn die Aussagen des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht einbezogen werden. Der Antragsteller hatte auf die Frage, ob er die DDR trotz Ablehnung einzelner dortiger Verhältnisse insgesamt für gut oder schlecht halte, geantwortet, er sei nicht dort. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Antwort mit der einen Beamten treffenden politischen Treuepflicht unvereinbar sein sollte. Es ist weiter kein ernste Besorgnis auslösender Umstand, daß der Antragsteller die Meinung geäußert hat, er akzeptiere den in der DDR gemachten Versuch, eine andere Gesellschaftsform zu gestalten, er sehe von seinem Standpunkt aus keine Möglichkeit, hierauf Einfluß zu nehmen und halte dies auch nicht für seine Aufgabe ; er wolle dafür sorgen, daß unsere Demokratie gestaltet werde. Die Auffassung, daß sich ein Beamter (und damit auch ein Beamtenbewerber) von der DDR pauschal zu distanzieren hat, kann nicht geteilt werden.

Zur Frage , ob er die Übernahme des DDR-Systems befürworte , hat der Antragsteller geantwortet, es sei nicht möglich, dieses System dem unseren überzustülpen , ebensowenig wie umgekehrt, er sehe darin eine große Kriegsgefahr. Er hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, er könne sich allerdings vorstellen, daß einige Lösungen gesellschaftspolitischer Probleme wie z. B. die Arbeitslosigkeit auch durch sozialistische Lösungen geregelt werden könnten, was allerdings im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geschehen müsse; selbst dann , wenn ein dem Sozialismus anhängendes System gebildet werden können. Auch diese Antwort läßt keinen Schluß auf fehlende Gewähr für Verfassungstreue zu. Die Auffassung, die Antwort hätte lauten müssen, eine derartige Übernahme sei wegen der Aufrechterhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgeschlossen, ist unzutreffend. Die vorliegende differenzierende Antwort des Antragstellers ist nicht geeignet, ernste Besorgnis auszulösen.

Verloren hat nach knapp dreijährigem Rechtsstreit der Freistaat Bayern, der im Zusammenhang mit dem Radikalenerlaß den Lehramtsanwärter Hans Heinrich Häberlein nicht zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen zulassen wollte. Bei seiner Entscheidung zugunsten Häberleins, der Landesvorsitzender der ,,Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner e.V." (DFG-VK) ist, hat sich der Dritte Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) vor allem auf Formfehler in dem Anhörungsverfahren gestützt, das der Ablehnung des Junglehrers vorangegangen war. Mit seinem Urteil hat der VGH eine Einstweilige Anordnung bestätigt, mit der er Ende 1978 den Freistaat verpflichtet hatte, Häberlein zum Vorbereitungsdienst zuzulassen.

Diese Einstweilige Anordnung ist jetzt im Hauptsacheverfahren vom gleichen Senat des VGH vollinhaltlich bestätigt worden. In der Kurzfassung des Urteils heißt es, die Regierung von Mittelfranken habe seinerzeit zwar berechtigten Anlaß gehabt, Häberlein zu einem Anhörungsgespräch zu laden, weil der DFG-VK auch Kommunisten angehören. Aus den Äußerungen des Junglehrers bei diesen Gesprächen ergebe sich aber, daß dieser sich von dem Programmpunkt der „Diktatur des Proletariats" eindeutig distanziert habe. Häberlein habe „ersichtlich keine hinreichenden Kenntnisse über die Zielsetzungen des Kommunismus" besessen. Aus diesem Grunde habe sich Häberlein zu diesbezüglichen Fragen auch nicht weiter äußern können, weswegen die „weitgehend abstrakt geführte" Diskussion nicht den Anforderungen eines sachgerechten Anhörungsgespräches genügt habe.

Gerügt wird vom VGH ausdrücklich, daß die Regierung von Mittelfranken bei ihrer Beurteilung Häberleins das „starke christliche Engagement und die kirchliche Verbundenheit" des Junglehrers nicht berücksichtigt habe. ,,Dazu", so die Richter ,,hätte jedoch angesichts der zwischen Kommunismus und Christentum bestehenden Gegensätze Veranlassung bestanden." Außerdem habe die Regierung versäumt, Häberlein über sein Verhalten gegenüber Aktivitäten kommunistischer Mitglieder der DFG-VK zu befragen, obwohl sich gerade auch aus diesem Verhalten möglicherweise Schlußfolgerungen zur Verfassungstreue Häberleins hätten ziehen lassen. Der VGH ließ offen, ob der junge Lehrer ohne die Formfehler beim Anhörungsverfahren zum Vorbereitungsdienst hätte zugelassen werden müssen.

Häberlein, für den das Urteil des VGH einen Sieg bedeutet, hat inzwischen seine Lehramtsprüfungen erfolgreich abgeschlossen, bleibt aber weiterhin arbeitslos, weil sich jetzt die Regierung von Mittelfranken weigert, den fertigen Lehrer in das Beamtenverhältnis zu übernehmen. Voraussichtlich wird es deswegen zu einer neuerlichen Auseinandersetzung vor den Verwaltungsgerichten kommen. ( .. . )

Häberleins Anwalt Hans-Eberhard Schmitt-Lermann bedauerte, daß der VGH nicht den Entscheidungsspielraum genutzt habe, der ihm vom Bundesverwaltungsgericht auch nach der neuesten Rechtssprechung zum Radikalenerlaß zustehe. Demzufolge könnten bei Ablehnungsbescheiden nicht nur Formfehler gerügt werden, sondern auch Verstöße gegen allgemeingültige Wertmaßstäbe der Verfassung. Einen solchen Verstoß sieht Schmitt-Lermann in der Tatsache, daß die Regierung von Mittelfranken Häberlein wegen seines Engagements für Frieden und kontrollierte Abrüstung in die Nähe verfassungsfeindlicher Bestrebungen gerückt habe. Gerade der Begriff „friedliche Koexistenz" tauche sogar in völkerrechtlich verbindlichen Verträgen der Bundesregierung auf, weswegen sich auch Häberlein ohne nachteilige Folgen auf diesen Begriff berufen dürfe. So gebe der VGH mit seinem Urteil, das deutlich unter dem Eindruck der starken Friedensbewegung stehe, in der Sache „nur Steine statt Brot". Inzwischen sieht sich Häberlein nach seiner Lehramtsprüfung von der Regierung von Mittelfranken im wesentlichen mit denselben Vorwürfen konfrontiert, mit denen ihm schon die Zulassung zum Schulvorbereitungsdienst verwehrt werden sollte. Neu ist allerdings, daß er sich jetzt auch ausdrücklich wegen seiner Unterschrift unter den sogenannten Krefelder Appell verantworten soll. Damit, so Häberlein, werden 1,5 Millionen Mitunterzeichner dieses Friedensapells in die „Grauzone der Verfassungsfeindlichkeit" gerückt.

(Süddeutsche Zeitung vom 2.10.1981)

 

3.2.11. Parteimitgliedschaft als Dienstvergehen eines Beamten

Reg. von Oberfranken (111-037 /72, 20.3.1980): Wesentliches Ergebnis der Vorermittlungen in dem gegen Dr. Eduard Hertel (Bayreuth) eingeleiteten Disziplinarverfahren:

Durch Ihr außerdienstliches Eintreten für die DKP haben Sie die einem Beamten nach Art. 84 Abs. 1 und 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG obliegenden Dienstpflichten verletzt. Eine beamtete Lehrkraft, die zu Verantwortungsbewußtsein erziehen und Vorbild sein soll, hat ihr Verhalten auch außerhalb des Dienstes stets so einzurichten, daß es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert. So muß sich ein Beamter nach Art. 62 Abs. 2 BayBG vor allem durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung bekennen und für ihre Erhaltung eintreten. Mit dieser Verpflichtung des Beamten ist insbesondere unvereinbar jede Verbindung mit einer Partei, Vereinigung oder Einrichtung, die die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung ablehnt oder bekämpft, oder die Unterstützung anderer verfassungsfeindlicher Bestrebungen.

Nach den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder sowie der nahezu einhelligen Rechtsprechung handelt es sich bei der DKP um eine verfassungsfeindliche Partei. Hierbei ist die Qualifizierung der DKP als „verfassungsfeindliche Partei" und die daraus entstehenden faktischen nachteiligen Auswirkungen auf ihr angehörige Beamtenbewerber und Beamte entgegen Ihrer Einlassung auch bei einem Fehlen der dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltenen Entscheidung über die „Verfassungswidrigkeit" einer politischen Partei verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 39,334).

Ihre Mitgliedschaft und Ihre Aktivitäten in der DKP sowie Ihr uneingeschränktes Bekenntnis zu den Grundsätzen und Zielen dieser Partei ist demzufolge als Dienstvergehen zu werten. Eine Einstellung des disziplinarrechtlichen Vorermittlungsverfahrens kommt daher nicht in Betracht.

 

3.2.12. Auf jeden Fall bis zur letzten Instanz

Aus dem Urteil Nr. AN 523 - 1/78 des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4.1.1979, Kläger:

Erich Kretzer

,,Verfassungsfeindlichkeit"

Die Bescheide des Beklagten sind auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Kammer entsprechend den Feststellungen in früheren Entscheidungen der Ansicht ist, daß der Kläger nicht Mitglied einer verfassungsfeindlichen Organisation war , da der „Sozialdemokratische Hochschulbund" bzw. der spätere „Sozialistische Hochschulbund Nürnberg-Erlangen" nicht als solche Organisation gewertet werden kann . Die I. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach ist in der Verwaltungsstreitsache Erich Kretzer gegen den Freistaat Bayern (Az. AN 431 - 1/76) nach einer umfangreichen Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, daß sich diese Organisation zu keinem Zeitpunkt verfassungsfeindlich bestätigt hat und immer der SPD nahe stand. Auch der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Beschlüssen diese Auffassung bestätigt. Selbst wenn man dem Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus die „Legitimität seines Bestrebens zugestehen würde" in einem bedeutsamen Verwaltungsrechtsstreit sich nicht mit der Hauptsacheentscheidung eines Gerichts der ersten Instanz zu begnügen, sondern „nach einer obergerichtlichen und damit letzthin verbindlichen Entscheidung" zu trachten, so enthebt dieses Bestreben die Behörde nicht der Notwendigkeit, sich mit diesen Entscheidungen bei der Verbescheidung auseinanderzusetzen.

Der Kläger hat immer die Ansicht vertreten, daß er nur deshalb Mitglied des „Sozialdemokratischen Hochschulbundes" bzw. des „Sozialistischen Hochschulbundes Nürnberg-Erlangen" gewesen sei und für ihn kandidiert habe , weil er keinerlei Zweifel an den verfassungsgemäßen Zielen der Organisation gehabt habe . Selbst wenn sich wider Erwarten ergeben sollte, daß der ,,Sozialistische Hochschulbund Nürnberg-Erlangen" verfassungsfeindliche Ziele verfolgt hat, so kommt der Tatsache, daß Verwaltungsgerichte, die sich sorgfältig mit dieser Frage auseinandergesetzt haben , zu dem Ergebnis gelangt sind, daß es sich um keine verfassungsfeindliche Organisation handelt, eine erhebliche Bedeutung zu , da dann in Frage steht, ob für den Kläger erkennbar war , daß er hier eine Vereinigung unterstütze , die verfassungsfeindliche Ziele verfolgte. Der Kläger darf für sich im selben Umfang das Recht auf Irrtum in Anspruch nehmen, wie die entscheidenden Gerichte , ohne daß die „Gewähr seiner Verfassungstreue" in Frage stünde. Auch dies muß das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus bei einer neuen Entscheidung berücksichtigen. Dabei wird es zwangsläufig auch Überlegungen anstellen müssen, inwieweit sie in diesem Verfahren eine ,Jetzthin verbindliche Entscheidung" über die Verfassungsmäßigkeit der Ziele des ,,Sozialistischen Hochschulbundes Erlangen-Nürnberg" erreichen kann, da dies ,ggf. bei der Beurteilung der ,..,Gewähr der Verfassungstreue" ,dahingestellt bleiben könnte.

(s. auch Urteilsschelten der Reg. von Schwaben im Fall Lichtwarck-

Aschoff)

 

3.2.13. Ein Ablehnungsbescheid im Wortlaut

Sehr geehrter Herr Pilhofer!

Wir müssen Ihnen leider mitteilen, daß wir mit Ihnen keinen Arbeitsvertrag in vorbezeichneter Angelegenheit abschließen können.

1.

Sie haben die 1. Prüfung für das Lehramt an Volksschulen im Jahre 1976 mit Erfolg abgelegt und wurden dem Regierungsbezirk Schwaben zur Ableistung des Vorbereitungsdienstes zugeteilt . Aufgrund der durchgeführten Eignungsüberprüfung lehnte die Regierung von Schwaben Ihren Antrag auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst mit Bescheid vom 24.2. 1977 ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Regierung von Schwaben mit Widerspruchsbescheid vom 9.5. 1977 zurück.

Das VG Augsburg hob mit Urteil vom 9.2. 1978 den Bescheid vom 24.2. 1977 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben vom 9.5. 1977 auf und verpflichtete die Regierung von Schwaben, Ihren Antrag auf Zulassung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Die dagegen von der Landesanwaltschaft eingelegte Berufung hat der VGH mit Urteil vom 30.10. 1978 zu rückgewiesen; die Revision wurde nicht zugelassen. Das BVerwG hat mit Beschluß vom 27.11 . 1979 die Entscheidung des VGH über die Nichtzulassung der Revision aufgehoben. Die Revision ist seit dem 8.1. 1980 anhängig.

Das VG Augsburg hat mit Beschluß vom 8 .3. 1977 im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO den Freistaat Bayern verpflichtet, den Antragsteller vorläufig - bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens in der Hauptsache - unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen zu verwenden. Ende März 1977 traten Sie den Vorbereitungsdienst an.

Mit Urteil vom 9.2. 1978 hat das VG Augsburg den Antrag der Landesanwaltschaft Augsburg vom 31.3. 1977 auf mündliche Verhandlung nach § 123 VwGO abgelehnt und entschieden, daß die einstweilige Anordnung vom 8.3.1977 aufrechterhalten bleibt. Die dagegen eingelegte Berufung hat der VGH mit Urteil vom 30.10. 1978 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Beschluß des VG Augsburg vom 8.3. 1977 ist rechtskräftig.

Ihren Vorbereitungsdienst haben Sie überwiegend an der Volksschule in Schwabach abgeleistet bis einschließlich 31. 7. 1979. Nach Ablegung der 2. Lehramtsprüfung kam eine Anstellung als Lehrer im Beamtenverhältnis auf Probe wegen des nicht ausreichenden Prüfungsergebnisses nicht in Betracht. Wegen des Abschlusses eines befristeten Arbeitsvertrages war eine Prüfung der Zulassungsund Eignungsvoraussetzungen vorzunehmen.

Dabei stellte die Regierung folgendes fest:

1. Sie kandidierten anläßlich der Gremienwahlen an der Universität Erlangen/Nürnberg vom 21. - 23.1. 1975 für den Wahlvorschlag 5 - Kennwort : .,Gewerkschaftliche Orientierung" (GOL).

2. Im April 1977 unterzeichneten Sie den KFAZ-Aufruf „Beendet das Wettrüsten".

3. Bei einer Berufsverboteveranstaltung am 25.3. 1977 in Kelheim waren Sie Referent. Diese Veranstaltung war u. a. vom „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" (AB) mitinitiiert worden.

4. Am 27.11. 1970 reisten Sie mit einer Gruppe von 13 Personen zur Teilnahme an einer Friedrich-Engels-Gedenkfeier nach Gera (DDR).

5. Vom 29.3. 1978 - 2.4. 1978 hielten Sie sich, zusammen mit vier weiteren Personen, auf Einladung des Friedensrates der DDR in Suhl/DDR auf.

Im Rahmen des bei uns geführten Einstellungsgespräches räumten Sie ein, anläßlich der Gremienwahlen an der Universität Erlangen/Nürnberg vom 21 . - 23.1.1975 für den Wahlvorschlag 5 - Kennwort: .,Gewerkschaftliche Orientierung" kandidiert zu haben. Auf dieser Liste hätten Sie,' gemäß Ihren weiteren Ausführungen, als unabhängiger Gewerkschafter und Sozialdemokrat kandidiert. Sie bekannten sich weiterhin zu den 23 DGB-Forderungen und versicherten, weitergehende andere Forderungen anderer Kandidaten nie unterstützt zu haben. Sie führten aus, gewußt zu haben, daß Mitglieder des MSB Spartakus und des SHB auf der Liste „Gewerkschaftliche Orientierung" standen, jedoch hätten Sie von einer Majorisierung dieser Liste durch Mitglieder der genannten Organisationen und durch Ausweitung der politischen Forderungen über die 23 Thesen des DGB hinaus nichts gewußt. Aus der Tatsache heraus, daß Sie seit 1972 Mitglied der SPD seien, solle eindeutig hervorgehen, daß Sie Ziele der DKP nicht verfolgen würden. Sie waren der Meinung, daß eine „deutliche Distanzierung" von den Zielen der DKP nicht verlangt werden könne, da Sie dieser Partei nicht angehören würden.

In diesem Gespräch lehnten Sie eine Diktatur in jeder Form ab, was auch für sozialistische

Umgestaltungen im Sinne der DKP gelte. Umgestaltungen seien nach Ihrer Ansicht in dieser Republik nur im Rahmen des von der Verfassung Möglichen durchführbar. Im Einstellungsgespräch lehnten Sie es ab, Ihre Meinung zum KPD-Verbot vorzutragen. In einem Ergänzungsschreiben vom 6.8. 1980 teilten Sie uns dann mit, daß Sie sich den Kritikern anschließen würden, welche das Verbotsurteil als nicht mehr zeitgemäß betrachten. Das Urteil habe restriktive und entdemokratisierende Konsequenzen gezeigt.

Bezüglich der Vorhaltung, am 25.3. 1977 bei einer „Berufsverboteveranstaltung" ein Referat gehalten zu haben, welche u. a. vom „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" mitinitiiert worden ist, meinten Sie, daß Ihnen eine Mitbeteiligung dieses Arbeiterbundes nicht bekannt gewesen sei.

Die Frage, ob Sie einen KFAZ-Aufruf „Beendet das Wettrüsten" mitunterzeichnet haben, beantworten Sie mit „Ja". Von einer kommunistischen Steuerung des Komitees, das den Aufruf herausgab, hätten Sie allerdings nichts gewußt. Auf die Frage, ob Sie diesen Aufruf auch unterzeichnet hätten, wenn Ihnen diese Tatsache bekannt gewesen wäre, wiesen Sie darauf hin, daß der wesentliche Punkt für Sie der Inhalt gewesen sei.

Als wesentlich kann herausgestellt werden, daß Sie auch bei diesem Gespräch zu Ihrer Kandidatur für die Liste der GO standen. Auf die Frage, ob Sie auch heute nochmals für diese Liste kandidieren würden, erwiderten Sie, daß Sie sich von Ihrem gewerkschaftlichen Verständnis her für eine Änderung bestimmter Bedingungen einsetzen müßten. Auch nach der an Sie gegebenen Information über die Rechtsprechung des BVerfG und dem Hinweis auf die verfassungsfeindlichen Zielsetzungen des MSB und des SHB, bekannten Sie sich erneut zu dieser Kandidatur.

II.

Aufgrund dieser erneut vorzunehmenden Prüfung war es uns nicht möglich, Ihr Angebot auf Abschluß eines Arbeitsvertrages als Lehrer anzunehmen, denn Sie erfüllen nicht die Voraussetzungen, die an einen Angestellten im öffentlichen Dienst gemäߧ 8 Abs.1 BAT gestellt werden müssen.

Bei der Prüfung der Voraussetzungen für einen Arbeitsvertrag als Lehrer hatten wir alle Umstände heranzuziehen, die geeignet sind, ernste Besorgnis in Bezug auf die künftige Erfüllung der Pflicht zur Verfassungstreue auszulösen. Deswegen waren auch die Umstände, die schon zur Ablehnung der Einstellung in den Vorbereitungsdienst herangezogen wurden, erneut zu würdigen.

Zwar wird an Angestellte im öffentlichen Dienst grundsätzlich keine so hohe Anforderung zu stellen sein als an den Beamten soweit die politische Treuepflicht betroffen ist, gleichwohl schulden aber auch diese dem Dienstherrn Loyalität und die gewissenhafte Erfüllung ihrer dienstlichen Obliegenheiten. Auch hier kann die Einstellung abgelehnt werden, wenn damit zu rechnen ist, daß sie ihre mit der Einstellung verbundenen Pflichten nicht werden erfüllen können oder wollen (Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Beschluß vom 22.5. 1975, abgedruckt in der Neuen Juristischen Wochenschrift -NJW-1975 S. 1641 ff.).

Höhere Voraussetzungen in politischer Hinsicht ergeben sich in Ihrem Fall aus dem Amt, das Sie anstreben . Mit diesem Problem hat sich bereits das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 5. März 1980 auseinandergesetzt (5 AZR 604/78) und festgestellt : „Nicht allen Angestellten und Arbeitern darf das gleiche Maß an politischer Treue abverlangt werden, das der Staat von seinen Beamten verlangen kann. Es muß differenziert werden nach der Aufgabe und dem Amt, das der jeweilige Bewerber erstrebt. Das schließt nicht aus, daß sich im Einzelfall die Anforderungen decken, etwa wenn es um die Einstellung von Lehrern u nd Erziehern geht. Hier kann nicht entscheidend sein, in welchem Rechtsverhältnis der Lehrer und Erzieher tätig wird (zu den Anforderungen an einen Sozialpädagogen vgl. das bereits erwähnte Urteil des Senats vom 31. März 1976 - AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs.2 GG - zu III 1 e der Gründe-, zu den Anforderungen an einen beamteten Lehrer im Ausbildungsabschnitt vgl. BVerwGE 47, 330 -343-). Es wäre deshalb auch nicht richtig, wenn bei funktionsbezogener Betrachtungsweise die einstellende Behörde nur ihr 'Sicherheitsinteresse' berücksichtigen dürfte. Das ist zu eng gesehen. Der Staat muß vielmehr auch darauf achten, daß ein Lehrer und Erzieher den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen glaubwürdig die Grundwerte unserer Verfassung vermitteln kann. Eine Erziehungsaufgabe begründet gesteigerte Anforderungen an die politische Treuepflicht."

Aus diesen Grundsätzen heraus muß deshalb auch der angestellte Lehrer Gewähr dafür bieten, daß  er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Bayer. Verfassung eintritt.

Diese zwingende gesetzliche Regelung konkretisiert und verdeutlicht nur eine bereits bei Ermittlung der Eignung eines Bewerbers für ein öffentliches Amt gern. Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz zu berücksichtigende Forderung; sie hat Verfassungsrang. Da menschliches Verhalten nicht sicher vorherbestimmbar ist, kann das Erfordernis des Bietens einer Gewähr nur bedeuten, daß keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Ernennungsbehörde die künftige Erfüllung der Pflicht zur Verfassungstreue zweifelhaft erscheinen lassen (vgl. BVerwGE 18, 276, 280; NJW 1965, 123).

Die „Gewähr für Verfassungstreue" ist ein Merkmal Ihrer persönlichen Eignung, welches gegeben hätte sein müssen im Sinne des Art. 33 Abs.2 GG. Unserer Entscheidung liegt deshalb ein Eignungsurteil zugrunde, das zugleich eine Prognose enthält. Es ging uns um ein prognostisches Urteil Ihrer Persönlichkeit und nicht nur um einzelne Beurteilungselemente. Der Abschluß eines Arbeitsvertrages wäre nur möglich gewesen, wenn wir zum jetzigen Zeitpunkt von der künftigen Erfüllung Ihrer Pflicht zur Verfassungstreue überzeugt gewesen wären. Für unsere Beurteilung lagen aber Umstände vor, auf die noch näher eingegangen wird, die diese Annahme zweifelhaft erscheinen ließen.

Ihr bisheriges uns bekanntes außerdienstliches Verhalten, Ihre uns bekannte Einstellung sowie unsere Einschätzung Ihrer Persönlichkeit konnten uns leider nicht von der erforderlichen Eignung überzeugen. Aufgrund der bestehenden Zweifel, welche Sie auch im Anhörungsgespräch nicht ausräumen konnten, mußten wir Ihren Antrag ablehnen.

Zugestandenerweise haben Sie anläßlich der Gremienwahlen an der Universität Erlangen/ Nürnberg vom 21. - 23. 1. 1975 auf der Liste der „ Gewerkschaftlichen Orientierung" kandidiert. Diese Liste wurde maßgeblich vom SHB und dem MSB-Spartakus getragen. Der MSB Spartakus, die Studentenorganisation der DKP, hatte gerade dieser Wahl eine besondere Bedeutung beigemessen und dies insbesondere publiziert. Unter der Überschrift „Warum die Liste 'Gewerkschaftliche Orientierung' wählen?" wurde in der Wahlzeitung des MSB ausgeführt:

.,Der MSB-Spartakus kandidiert zu den anstehenden Gremienwahlen gemeinsam mit dem Sozialistischen Hochschulbund (SHB) und unorganisierten Studenten auf der Liste 'Gewerkschaftliche Orientierung'."

Im ablehnenden Bescheid der Regierung von Schwaben sind die damaligen Geschehnisse und Stellungnahmen ausführlich dargestellt, auf welchen in dieser Hinsicht Bezug genommen wird. Dieses Bündnis war auf Dauer angelegt. Bereits 1973 erschien eine Broschüre des MSB „Programm für das gemeinsame Handeln der Studenten". Dort ist u. a. festgehalten:

„Doch was die Aufgaben der sozialistischen Revolution mit den aktuellen Aufgaben des demokratischen Kampfes verbindet, ist die Stoßrichtung dieses Kampfes gegen die ökonomische und politische Macht des Monopolkapitals. Dieses Programm soll zeigen, wie in der jetzigen Situation der Einfluß des Großkapitals auf die Bildungspolitik eingeschränkt werden kann, welche Möglichkeiten Studenten haben, ihre Interessen gegen den Widerstand der Monopole durchzusetzen, welchen Beitrag Studenten im antimonopolistischen Kampf leisten können. Studentische Interessenvertretung verlangt heute den gewerkschaftlich orientierten Kampf.

Die „Gewerkschaftliche Orientierung", ein Konzept, das an vielen Hochschulen schon verwirklicht und überall diskutiert wird, geht von folgenden Überlegungen aus: Eine ständische Lobbypolitik bringt uns der Durchsetzung unserer Forderungen keinen Schritt näher. Auch Einzelkämpfer nützen uns nichts. Wie die Arbeiter, so müssen auch die Studenten solidarisch und organisiert handeln. Das heißt, wir brauchen Organisationen, deren Programm von allen fortschrittlichen Studenten unterstützt werden kann und dessen Grundlage die gemeinsamen antimonopolistischen Interessen der Masse der Studenten sind . . . ".

Dem MSB ging es dabei nicht um die Verfolgung tagespolitischer Ziele allein, sondern um die Veränderung des „gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses" in der Bundesrepublik, was letztlich beim MSB die Forderung nach Errichtung der „ Diktatur des Proletariats" oder der „Herrschaft der Arbeiterklasse", wie es die orthodoxen Kommunisten heute nennen, umschließt.

Dies wird aus folgenden Auszügen in der vorerwähnten Broschüre deutlich:

„Die Hochschule ist kein von der Gesellschaft isolierter Bereich. Die politischen Verhältnisse in der Gesellschaft bestimmen auch die Verhältnisse an den Hochschulen. Deshalb sind grundlegende Veränderungen in Wissenschaft und Ausbildung nur dann zu erreichen, wenn es gelingt, durch den gemeinsamen Kampf von Arbeitern, Angestellten, Lehrlingen, Schülern und Studenten den Einfluß des Großkapitals einzuschränken, die Machtpositionen der Arbeiterklasse zu stärken und so das gesellschaftliche Kräfteverhältnis zu verändern. Dieser Kampf erfordert einen langen Atem."

oder

„In den letzten Jahren hat sich die politische Szene in der BRD verändert, die Politik der friedlichen Koexistenz, die zu den Verträgen und Abkommen mit den Ländern des Sozialismus geführt hat, hat an Boden verloren. Nicht mehr zu übertünchende soziale Mißständnisse haben dazu geführt, daß Forderungen nach tiefgreifenden gesellschaftlichen Reformen von immer mehr Menschen erhoben werden. Trotz aller Integrationsversuche entwickelte sich das Klassenbewußtsein der Arbeiter. Für die Herrschenden ist all das ein Grund tiefer Beunruhigung. Für uns ist die Entwicklung der Anlaß, die Überzeugung auszusprechen: Wer bereit ist zu kämpfen - kann die Verhältnisse auch ändern!"

Diese Ausführungen fanden sich unter der Überschrift „Wie muß der Kampf geführt werden", wobei gerade in diesem Zusammenhang das Konzept der „Gewerkschaftlichen Orientierung" angepriesen wird. Ähnliche Aussagen zu Fragen des Zusammenhangs zwischen den Verhältnissen an der Hochschule und der Gesellschaft in unserem Lande finden sich auch in dem im Januar 1975 herausgegebenen Flugblatt „SOWISO extra" unter der Überschrift „Liste Gewerkschaftliche Orientierung" wählen?". Festzustellen bleibt noch, daß der MSB das Programm der Liste der GO voll übernommen hat. Angesichts dieser Zusammenhänge kommt offenbar auch der Verfassungsschutzbericht 1975 des Bundesministers des Innern (erschienen im Juli 1976) zu der Feststellung (Seite 70) : ,,Der MSB-Spartakus strebte an den Hochschulen ein breites Bündnis aller Linkskräfte unter Ausschluß der maoistischen Gruppen an, denn nur so könne sich die Studentenbewegung zu einer „antimonopolistischen Kraft" gegen die „Herrschenden" entwickeln. Dabei will der MSB „als Sprachrohr der Unzufriedenheit der Studenten" wirken. So inszenierte er entsprechend seiner „gewerkschaftlichen Orientierung" Aktionen für die materielle Besserstellung der Studenten, für die verfaßte Studentenschaft und ihr politisches Mandat und gegen „Berufsverbote."

Durch diese enge Verbindung der Liste „Gewerkschaftliche Orientierung" mit dem MSB Spartakus und Ihrer Kandidatur für die vorerwähnte Liste waren für die Regierung Anhaltspunkte gegeben, Ihre Einstellung näher zu überprüfen. Wegen der Gesamtzusammenhänge und der Beurteilung dieser Liste sowie des MSB und der dahinterstehenden DKP in den Verfassungsschutzberichten des Bayer. Staatsministeriums des Innern und des Bundesministers des Innern während der letzten Jahre hatte die Regierung Grund zu zweifeln, ob Sie auch tatsächlich bereit sind, sich eindeutig von politischen Gruppen und Bestrebungen zu distanzieren, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. BVerfG, Beschluß vom 22.5. 1975).

Es wäre Ihre Sache gewesen, diese Zweifel an Ihrer Eignung für das erstrebte Amt auszuräumen. Diese Zweifel konnten Sie jedoch auch nicht durch Ihre Einlassungen beim Einstellungsgespräch bei den Regierungen von Schwaben und von Mittelfranken beseitigen. Der MSB-Spartakus war und ist die Hochschulgruppe der DKP. Er bekennt sich zum Marxismus- Leninismus und kämpft mit der DKP und SDAJ für die „sozialistische Revolution". Er propagiert den „realen Sozialismus" der DDR als grundsätzliche Alternative zum „kapitalistischen System". Diese Tatsachen gehen aus den  jeweiligen Stellungnahmen und Veröffentlichungen des MSB deutlich hervor.

Unbehelflich ist der Einwand, Sie hätten vom Programm der DKP und des MSB nicht gewußt. Wir haben aufgrund der uns zur Verfügung stehenden Unterlagen und des Eindruckes aus dem Einstellungsgespräch die Überzeugung gewonnen, daß Sie ein überdurchschnittlich politisch interessierter Mensch sind. Insbesondere beim Einstellungsgespräch vermittelten Sie den Eindruck, daß Sie sich informieren, bevor Sie für irgend eine Gruppe oder Liste politisch tätig werden. Sie berichteten uns, daß Sie bereits in der Zeit als auszubildender Chemielaborant in der Maxhütte Sulzbach Rosenberg gewerkschaftlich aktiv gewesen und dort auch zum Vertrauensmann gewählt worden seien.

Im Anhörungsgespräch vom 31 . Juli 1980 verwiesen Sie auf die beiden von der Regierung in Schwaben angefertigten Gedächtnisprotokolle in vollem Umfang. Dort gaben Sie an, daß Sie sich bereits vor Ihrer Lehre für politische Fragen interessiert hätten, wobei Sie 1971/72 in die SPD und 1973 in die GEW eingetreten seien. Seit 1973 würden Sie auch dem Vorstand der Jungsozialisten im Bereich Sulzbach-Rosenberg sowie seit 1974 dem Kreisvorstand der GEW angehören. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen und Ihrer theoretisch fundierten Vortragsstärke im Einstellungsgespräch gehen wir deshalb davon aus, daß Sie sogar in überdurchschnittlich gutem Maße über die Ziele des MSB, dessen Beeinflussung der Liste „Gewerkschaftliche Orientierung" sowie über die Verbundenheit des MSB zur DKP gewußt haben.

Bestärkt wird unsere Ansicht auch noch dadurch, daß Sie als Student der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät mit Informationen über solche Bestrebungen als Teil Ihrer Ausbildung konfrontiert wurden.

Folgerichtig und erforderlich war es dann für uns, Ihnen Zielsetzungen des MSB und der DKP vorzulegen. Dies geschah sowohl in den Anhörungsgesprächen vor dem Vorbereitungsdienst als auch im Einstellungsgespräch am 31.7. 1980.

Auf den Vorhalt, daß der MSB-Spartakus den ,,realen Sozialismus" der DDR als grundsätzliche Alternative zum „kapitalistischen System" propagierte und die Frage, ob das auch Ihre Überzeugung sei, antworteten Sie, daß Sie seit 1972 Mitglied der SPD wären. Allein aus dieser Mitgliedschaft und aus Ihrer aktiven Parteimitarbeit gehe hervor, daß Sie Ziele der DKP nicht verfolgen würden. Trotz entsprechender Konkretisierung der Fragestellung und dem Hinweis, daß die Begriffe erörtert werden sollten, überzeugten Ihre Antworten in keiner Weise. Sie versuchten vielmehr, den Fragestellungen auszuweichen. Dies insbesondere durch den Hinweis, daß das VG Augsburg entschieden habe, daß eine deutliche Distanzierung von den Zielen der DKP vom „Kläger" nicht verlangt werden könne, da dieser der Partei nicht angehöre.

Ihre Meinung hierzu ist nicht haltbar, was Ihnen auch mitgeteilt wurde. Zum einen führte das VG Augsburg zwar aus, daß eine Distanzierung von der DKP nicht verlangt werden hat können, zum anderen muß aber eine klare Stellungnahme zu konkreten, verfassungsfeindlichen Einzelzielen auch nach Meinung des VG Augsburg abgegeben werden. Darüber hinaus widerspricht die Ansicht des VG Augsburg dem grundlegenden Beschluß des BVerfG vom 22.5. 1975, in dem es heißt: „Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im übrigen uninteressierte, kühle und innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, daß er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren."

Wir mußten daran interessiert sein, Ihre Meinung zu diesen Zielen zu hören. Nur so ist es möglich, uns ein Bild über Ihr Verfassungsverständnis zu machen und darüber ein Urteil zu gewinnen. Aufgrund des ausweichenden Charakters Ihrer Antworten war uns dies nicht in jedem Falle möglich. Soweit Sie Zweifel nicht ausgeräumt haben, geht dies zu Ihren Lasten.

Zu den übrigen Fragestellungen im Anhörungsgespräch zeigen Sie ein widersprüchliches Verhalten. Auf die Frage, ob Ihre Ausführungen so zu verstehen seien, daß Sie eine sozialistische Revolution und eine Diktatur des Proletariats wie es die DKP versteht, ablehnen, gaben Sie zur Antwort, daß Sie Diktatur in jeder Form ablehnen und sozialistische Umgestaltungen im Sinn einer Partei wie der DKP ebenfalls ablehnen würden. Zur gleichen Frage machten Sie sich aber eine Stellungnahme der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) zu eigen, indem Sie ausführten, diese hätte angeblich festgestellt, daß an den Formulierungen des Programms der DKP nichts Verfassungswidriges zu finden sei.

Diese erneuten Stellungnahmen mußten wir im Zusammenhang mit der Anhörung bei der Regierung von Schwaben sehen. Dort erklärten Sie unmißverständlich, daß Ihrer Meinung nach das Programm der DKP mit den Forderungen des GG vereinbar sei. Dabei sind Sie auch trotz nochmaligen Nachfragens geblieben.

Nach Beurteilung in den Verfassungsschutzberichten verfolgen aber MSB und DKP eindeutig verfassungsfeindliche Ziele.

.,DKP und MSB verfolgen eindeutig verfassungsfeindliche Ziele.

Die DKP repräsentiert den orthodoxen Kommunismus sowjetischer Prägung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie folgt in allen ideologischen und politischen Fragen vorbehaltlos der von der KPDSU und der SED vertretenen Linie. Sie bekennt sich in den Grundsatzdokumenten und in den Äußerungen führender Funktionäre zum Marxismus-Leninismus; so heißt es in ihrer Grundsatzerklärung, Präambel Seite 4: .,Die Deutsche Kommunistische Partei wirkt als marxistische Partei der Arbeiterklasse in der Bundesrepublik. Die Tätigkeit der DKP gründet sich auf die Lehre von Marx, Engels und Lenin, auf den wissenschaftlichen Sozialismus, der auf die Veränderung der Welt gerichtet ist." Dieser Marxismus-Leninismus ist für sie nicht nur wissenschaftliche Theorie, sondern Anleitung zu politischem Handeln. Als „revolutionäre Kampfpartei" erstrebt die DKP den Sozialismus - nach dem "Grundmodell" der Sowjetunion und der DDR - über die „sozialistische Revolution" und „Diktatur des Proletariats". Aus taktischen Gründen umschreibt sie diese Begriffe als „sozialistische Umwälzung" und „Herrschaft" oder „Macht der Arbeiterklasse". Im Kampf für eine „antimonopolistische Demokratie" oder „demokratische Erneuerung" entsprechend der „antifaschistisch- demokratischen Ordnung"(!) in der DDR bis 1950 sieht die DKP die beste Möglichkeit, den Weg zum Sozialismus zu öffnen. Die DKP behauptet dabei, die im Grundgesetz verkündeten „demokratischen Prinzipien und Rechte" anzuerkennen. Sie lehnt jedoch tatsächlich das parlamentarische System der Bundesrepublik Deutschland ab und versucht, die bestehende Grundordnung für ihren revolutionären Kampf auszunützen. Aus ihren programmatischen Äußerungen muß auch entnommen werden, daß in der von der DKP angestrebten sozialistischen Gesellschaftsordnung die Freiheitsrechte wegen der Notwendigkeit des Schutzes der neuen Ordnung vor der „Konterrevolution" allenfalls für Teile der Bevölkerung und nur im Sinne der Einordnung in das vorgegebene (kommunistische) System vorstellbar sind. Das ist das Gegenteil der Freiheit, wie sie das Grundgesetz gewährleistet. Da die DKP erklärt, daß „das staatsmonopolistische System überwunden" werden müsse, und die „antimonopolistischen Kräfte unter Führung der Arbeiterklasse sich die politische Macht in allen  Bereichen der Gesellschaft erkämpfen müssen", wird klar, daß sie die Volkssouveränität, wie sie in der Bundesrepublik verwirklicht ist, ablehnt und an ihre Stelle die Herrschaft der Arbeiterklasse (Diktatur des Proletariats) unter Führung der kommunistischen Partei setzen will. Die DKP strebt also den totalitären sozialistischen Staat an, zumal nach ihren programmatischen Aussagen jede kontrollierende Funktion der Gewaltenteilung untereinander aufgehoben und alle Macht in einer Hand vereinigt werden soll (vgl. Drucksache 7/3912 des Deutschen Bundestages vom 29.10. 1975 und OVG Münster, Urteil vom 17.3. 1976 - ZBR 1976, s. 278).

Diese wenigen Beispiele zeigen die absolute Unvereinbarkeit der politischen Zielsetzung der DKP mit den unabdingbaren Grundprinzipien des Grundgesetzes (vgl. Abschn. II Nr. 2). Sie machen es sich einfach zu leicht, wenn Sie angesichts derartiger Fakten lediglich erklären, daß es sich hierbei um bloße private Meinungen der Bundesregierung oder einer ihrer verantwortlichen Politiker handelt.

Der MSB bekennt sich zur „ Theorie von Marx, Engels, Lenin", die „die wissenschaftliche Grundlage für den Kampf der Arbeiterklasse" bildet. Im Kampf für eine „antimonopolistische und sozialistische Alternative" zum staatsmonopolistischen Herrschaftssystem versteht sich der MSB als die „aktive, organisierende und bewußtseinsbildende Kraft unter der Studentenschaft". Er weiß sich der „DKP durch die gemeinsame marxistische Theorie, das sozialistische Ziel und die gemeinsame antimonopolistische Orientierung im Hochschulkampf solidarisch verbunden" (Grundsatzerklärung des MSB - vgl. betrifft: Verfassungsschutz 1974 S. 60)."

Die Zweifel an Ihrer Verfassungstreue wurden auch nicht dadurch aus dem Wege geräumt, daß Sie sich in vielen Punkten damit rechtfertigen, Mitglied der SPD zu sein und schon deshalb keine anderen Ziele als solche der SPD verfolgen würden. Die Mitgliedschaft in einer demokratischen Partei bedeutet nicht, daß jedes Mitglied nicht auch außerhalb des Programms dieser Partei liegende Ziele verfolgt oder unterstützt, welche mit unserer Verfassung nicht vereinbar sind. Sie selbst liegen mit Ihrer Einschätzung des Programms der DKP außerhalb der von den SPD vertretenen Gesamtlinie. Trotzdem betrachten wir selbstverständlich diesen Umstand der Mitgliedschaft in der SPD und der aktiven Teilnahme am politischen Geschehen als für Sie sprechend. Der Staat kann nämlich auch kein Interesse daran haben, uninteressierte Lehrer einzustellen.

Soweit andere verwertbare Umstände vorliegen, wie Ihre Teilnahme an der FriedrichEngels- Gedenkfeier zum Beispiel, würden diese für sich allein nicht die Ablehnung rechtfertigen, wenn diese Reise, so wie Sie es vorbringen, der Information diente. Sie räumten im Einstellungsgespräch bei der Regierung von Schwaben ein, daß diese Reise von der DKP finanziert und organisiert war. Die Wahrnehmung dieses Angebots einer Organisation des orthodoxen Kommunismus zeigt deutlich für uns Ihre Aufgeschlossenheit gegenüber dieser Organisation. Mit Sicherheit fehlt es dabei an der nötigen Distanzierung, wenn Sie auch heute noch diese Unternehmungen für gut heißen.

Dieser Umstand sowie das Halten des Referates auf einer Berufsverboteveranstaltung, als auch das Mitunterzeichnen des KFAZAufrufes „Beendet das Wettrüsten" werden nicht allein zur Begründung unserer Zweifel herangezogen. Sie wurden jedoch in die Gesamtabwägung einbezogen. Dies gilt auch für Ihr Verhalten während des Vorbereitungsdienstes. Während dieser Zeit gab Ihr dienstliches Verhalten zu keinen Klagen Anlaß. Dies wurde von uns zwar als positiv abgewogen, ausschlaggebend konnte es aber nicht sein, da es nicht primär um Ihr dienstliches Verhalten, sondern um das außerdienstliche ging.

Bei Abwägung aller wesentlichen Umstände blieben Zweifel an Ihrer Verfassungstreue bestehen. Diese konnten Sie nicht ausräumen.

Wir mußten daher Ihren Antrag ablehnen. Wir weisen Sie darauf hin, daß gemäß § 17 Vertretungsverordnung der Rechtsweg zum Arbeitsgericht erst beschritten werden kann, wenn ein Abhilfeverfahren durchgeführt wurde.

Hierzu haben Sie ein Abhilfegesuch bei der Regierung von Mittelfranken einzureichen. Dieses soll schriftlich in doppelter Fertigung eingereicht oder zu Protokoll erklärt werden, einen bestimmten Antrag enthalten und die anspruchsbegründenden Tatsachen angeben.

Hochachtungsvoll

I.V.

Dr. Schuegraf

Regierungsvizepräsiden

 

BEI UNS IST DEMOKRATIE

l. BEI UNS IST DEMOKRATIE

2. IN DER SCHULE NICHT ERWÜNSCHT

3. DER GIBT DEN TON AN

4. DER DIE INTERESSEN DER GROSSINDUSTRIE

   VERTRITT.

5. DIE INTERESSEN DES KLEINEN MANNES

6. SIND NICHT GEFRAGT.

7. DAGEGEN MÜSSEN WIR UNS WEHREN

8. WEIL WIR NUR SO DIE DEMOKRATIE VERWIRKLICHEN

   KÖNNEN!!!

Dieter Süverkrüp