Dokumentation 1: Die Praxis der Einstellungsbehörden
DOKUMENTATION:
3.2. Die Praxis der bayerischen Einstellungsbehörden
Wenn die bayerische Staatsregierung heute immer wieder behauptet, sie stehe auf dem Boden der Entscheidung des BVerfG, so ist dies eine Täuschung der Öffentlichkeit.
• Bayerische Behörden versuchen nach wie vor, Bewerbern den Eintritt in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zu verwehren und erweitern damit das Berufsverbot zu einem Berufsausbildungsverbot.
• Bayerische Behörden stützen ihre Ablehnung von Bewerbern nach wie vor auf „Erkenntnisse" aus der Studentenzeit.
• Bayerische Behörden zögern nicht , Bewerbern, die an studentischen Wahlbündnissen beteiligt waren, die vermeintliche Verfassungsfeindlichkeit aller sonstigen am Wahlbündnis beteiligten Parteien, Organisationen oder Personen zu unterstellen.
• Bayerische Behörden machen nach wie vor systematische Ermittlung des Verfassungsschutzes zur Grundlage ihrer Entscheidung.
• Bayerische Behörden stützen ihre Ablehnung von Bewerbern nach wie vor allein auf die Zugehörigkeit zu nicht verbotenen Parteien und Organisationen.
• Bayerische Behörden forschen nach wie vor die Gesinnung von Bewerbern aus.
• Bayerische Behörden erkennen die Bewährung im Vorbereitungsdienst nicht an.
• Bayerische Behörden konfrontieren Bewerber bei erneuten Laufbahnentscheidungen mit denselben Vorwürfen , die bereits gerichtlich als unhaltbar zurückgewiesen worden sind.
• Bayerische Behörden versuchen, wenn sie mit der Ablehnung eines Bewerbers vor Gericht gescheitert sind, durch die Einschaltung von Personalräten die Einstellung zu verhindern. Wenn die „Verfassungsfeindlichkeit" nicht zieht , müssen angebliche charakterliche Mängel für die Ablehnung eines Bewerbers durch den Personalrat herhalten.
• Bayerische Behörden diffamieren Bürgerinitiativen gegen ihre Berufsverbotspolitik selbst wieder als verfassungsfeindlich.
• Kriegsdienstverweigerung, ja neuerdings schon die Unterschrift unter den Krefelder Appell gelten als Anlaß für „Zweifel" bayerischer Behörden.
• Bayerische Behörden verweigern auch befristete Aushilfsverträge mit der gleichen Begründung, mit der die Übernahme ins Beamtenverhältnis abgelehnt worden war.
• Ohne Rücksicht auf Erfolgschancen und Kosten wird der gerichtliche Weg auf jeden Fall bis zur höchsten Instanz durchlaufen, auch wenn in parallel gelagerten Fällen bereits rechtskräftige Urteile vorliegen, die die Unhaltbarkeit der Behördenauffassung bekräftigen.
• Statt gerichtliche Entscheidungen zu respektieren, werden Richter, die den Auffassungen der Behörden nicht folgen, belehrt und als unerfahren und naiv hingestellt.
• Mit Disziplinarverfahren sollen Lebenszeitbeamte wegen angeblicher Verfassungsfeindlichkeit aus dem Dienst entfernt werden.
3.2.1. ,,Jugendsünden“ – der Verfassungsschutz dementiert den Minister Streibl
Streibl im Bayerischen Rundfunk, 22. April 1980:
,,Im übrigen möchte ich anmerken, daß die Prüfung der Verfassungstreue für einen Beamten einer Einstellungsbehörde keine einfache Sache ist, sondern sehr - eine sehr verantwortungsvolle Dienstpflicht. Es ist ja auch nicht so, daß jede Zugehörigkeit zu einer radikalen Partei oder ähnliches schon von vornherein ausschließt vom öffentlichen Dienst. Es ist selbstverständlich, daß ein - die sogenannten Jugendsünden und alles, was unter 18 Jahre war, nicht beachtet wird. Und wenn Bedenken vorliegen, dann wird jeweils der Anwärter eingeladen zu einem Gespräch, und wenn er in diesem Gespräch auch nur erklärt: ,,Ich will diesen Staat, diesen demokratischen Staat vertreten, ich will ihn nicht abschaffen, ich will keine anderen Systeme ", und sich zu dieser demokratischen Grundordnung bekennt, dann wird er ohne weiteres aufgenommen. Es handelt sich also um „die" Fälle, die von vorn· herein sagen: ,,Dieser Staat ,ist' nicht mein Staat, den wollen wir beseitigen." "
Verfassungsschutzbericht 1980, S. 121:
„Erkenntnisse, die länger als fünf Jahre zurückliegen oder die Zeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Bewerbers betreffen, werden nur mitgeteilt, wenn sie entweder Teil einer fortgesetzten Entwicklung sind und ihnen deshalb noch Bedeutung zukommt oder wenn sie nach Art und Schwere nicht als bloße „Jugendsünden" angesehen werden können. Die Einstellungsbehörde hat nach der Anhörung des Bewerbers selbständig über das Einstellungsgesuch zu entscheiden."
3.2.2. ,,Kommunistisch gesteuerte Organisationen"
3.2.2.1. Verfassungsschutzbericht 1980
„Besonderes Aufsehen in der Öffentlichkeit erregen seit Jahren Fälle der Ablehnung von Bewerbern des orthodox·kommunistischen Sozialistischen Hochschulbundes (SHB) sowie einiger orthodox-kommunistisch beeinflußter Organisationen."
Benannt werden:
Deutsche Friedensunion (DFU)
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA)
Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner (D FG-VK)
Verband demokratischer Juristen (VDJ)
Sozialistischer Hochschulbund (SHB)
3.2.2.2. Aus dem Ablehnungsbescheid des Lehramtsbewerbers
Hans Kolb (Mitglied der SPD und des SHB) ,,Der Bewerber war nicht nur Mitglied im Sozialistischen Hochschulbund (SHB}, sondern hat sich durch seine Kandidaturen für den SHB aktiv für die Verwirklichung der politischen Ziele des SHB eingesetzt. Insbesondere war er im Jahre 1974 sogar der Spitzenkandidat der Liste „SHB Nürnberg-Erlangen".
Die politischen Ziele des Sozialistischen Hochschulbundes sind mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. ( . . . ) Als Grundlage der vom SHB angestrebten „sozialistischen Demokratie" werden genannt:
1. Das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln.
2. Die Ausübung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse und ihre Organisationen sowie die fortschreitende Demokratisierung aller gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse.
3. Die ständige Vervollkommnung der Planung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung auf demokratischer Basis.
Weiterhin gibt auch die Unterzeichnung der Erklärung der Deutschen Friedensunion (DFU) vom August 19 76 „Für ein politisches Klima, das ein friedliches Zusammenleben der Völker ermöglicht - Gegen den Abbau demokratischer Grundrechte" Anlaß zu Bedenken, ob der Bewerber bereit ist, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Die im Jahr 1960 auf kommunistisches Betreiben als „ Volksfrontpartei" gegründete DFU ist ebenfalls eine von der DKP beeinflußte Organisation (siehe Verfassungsschutzberichte Bayern 1976 S. 20 und 1977 S. 33/34 und Verfassungsschutzberichte des Bundesministers des Innern 1976 S. 77 /7 8 und 1977 S. 91).
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Inhalt der fraglichen Erklärung verfassungsfeindlich ist. Entscheidend ist vielmehr, daß das Verhalten des Bewerbers nicht der Forderung gerecht wird, sich von verfassungsfeindlichen Bestrebungen eindeutig zu distanzieren. Damit wird von ihm nicht eine Einstellung verlangt, die auf Antikommunismus schließen läßt; denn es wird nicht verlangt, anders Denkende zu disqualifizieren oder zu diskriminieren, sondern lediglich, sich an kommunistisch gesteuerten Aktionen nicht zu beteiligen.
Weiterhin hat Herr Kolb den Aufruf des „Komitees für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) vom Januar 19 77 „Beendet das Wettrüsten" mit unterzeichnet. Dieses Komitee ist eine kommunistisch beeinflußte Organisation; es wurde im Jahr 1974 in Bonn auf dem „Kongreß für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" unter maßgeblicher Förderung und Beteiligung der DKP, ihrer Nebenorganisationen und von ihr beeinflußter Organisationen gegründet.
3.2.2.3. Kein Arbeitsvertrag für den Aushilfslehrer Kolb ...
Dem Lehrer Kolb, der nicht in ein Beamtenverhältnis zu übernehmen war, sondern als Aushilfsangestellter im Lehrdienst, wurde von der Regierung von Mittelfranken am 6. November 1979 bescheinigt:
,, .. . Zu Bedenken, ob Herr Kolb bereit und fähig ist, die ihm als angestelltem Lehrer obliegende Treuepflicht zu erfüllen, gab auch (neben der früheren SHB-Mitgliedschaft) die Tatsache Anlaß, daß er nach wie vor zu seinem Engagement in der Initiative , Weg mit den Berufsverboten' steht, und zwar auch im Bewußtsein der Tatsache, daß die Initiative DKP-gesteuert war. Es mag ihm zugestanden werden, daß er den maßgebenden Einfluß der DKP damals nicht bemerkte. Die Treuepflicht fordert aber von einem angestellten Lehrer, der ebenso wie ein beamteter Lehrer ein öffentliches Amt ausübt, insbesondere, daß er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, . . . bekämpfen und diffamieren. Dieses Distanzierungsgebot gilt auch in Bereichen, in denen das angestrebte Ziel an sich keine verfassungsfeindlichen Tendenzen beinhaltet . . . "
... selbst wenn dazu gegen die „hergebrachten Grundsätze der Logik" verstoßen werden muß.
Aus dem Urteil des Arbeitsgerichts München, Gesch.-Zeichen :3 Ca 7815/80, 9.4.81:
Auch öffentliche Bedienstete dürfen Kritik üben:
Wie jeder andere Arbeitnehmer auch schuldet der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst seinem Arbeitgeber Loyalität. Dies darf jedoch nicht dazu führen, daß der Staat dann, wenn er als Arbeitgeber auftritt, nicht mehr Gegenstand kritischer Beschäftigung sein kann. Die Verpflichtung zur Loyalität und das daraus folgende Verbot unangemessener Kritik am Arbeitgeber sind ihrerseits am Wesensgehalt des für den demokratischen Staat grundlegenden Rechts der freien Meinungsäußerung zu messen. Daraus folgt, daß der Staat als Arbeitgeber eine Kritik seiner Politik auch durch seine Bediensteten grundsätzlich in gleichem Umfang hinnehmen muß wie die Kritik anderer Bürger. Er kann daher Bewerber um ein öffentliches Amt nicht deswegen zurückweisen, weil sie ihn kritisiert und dabei Maß und Zurückhaltung außer acht gelassen haben (vgl. BAG Urteil vom 19.3.1980 - 5 AZR 794/78).
Eintreten gegen Berufsverbote erlaubt
Die Mitarbeit des Klägers in der Initiative „ Weg mit den Berufsverboten" (im folgenden ,.Initiative") sowie die Teilnahme an der „Internationalen Konferenz gegen Berufsverbote in der BRD" in Karlsruhe am 29.5.1976 können als solche Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers nicht entstehen lassen. Der Beklagte hat nicht dargetan, daß die Initiative" verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Gleiches gilt für die Zielsetzung der Konferenz. (. . .)
Auch der Umstand, daß die ,,Initiative" von der DKP beeinflußt war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Kläger hat in seiner Anhörung am 10.9.1979 hierzu ausgeführt, daß ihm die DKP-Beeinflussung weder bekannt gewesen, noch bei der Arbeit der „Initiative" aufgefallen sei. (. . . ) Von seiner Mitarbeit als solcher kann sich der Kläger nicht distanzieren, und von welchen „Gruppen und Bestrebungen" der Kläger sich hätte distanzieren müssen, vermag die Kammer schon mangels Nennung dieser Gruppen und Bestrebungen nicht zu erkennen. Sollte damit aber gemeint sein, daß sich der Kläger letztlich von der DKP -und ihren Bestrebungen hätte distanzieren müssen, so ist dies, soweit der Kläger wegen seiner Mitarbeit in der ,,Initiative" dazu Veranlassung hatte, in der Anhörung vom 10.9.1979 geschehen. Der Kläger hat nämlich ausgeführt, daß es für ihn ein Grund gewesen wäre, die Mitarbeit in der „Initiative" einzustellen, wenn eine Gruppe, beispielsweise die DKP, andere Gruppen majorisiert hätte. Zu weitergehenden Distanzierungen bestand keine Veranlassung. (. . . )
Die Grundsätze der Logik
So ist die Kammer die Argumentation des Beklagten auf Seite 5 seines Schriftsatzes vom 27.10.1980 ( Bl. 123 d. A.) nach den hergebrachten Grundsätzen der Logik nicht nachvollziehbar. Dort wird ausgeführt, daß dahinstehen könne, ob der Inhalt der „Erklärung" (der DFU) verfassungsfeindlich sei. Entscheidend sei vielmehr, daß der Kläger mit seinem „Verhalten" nicht der Forderung gerecht werde, sich von verfassungsfeindlichen Bestrebungen eindeutig zu distanzieren. Setzt man in diesem Zusammenhang mit „Verhalten" gleich, was an politischer Aktivität nur damit gemeint sein kann, nämlich die Unterzeichnung der „Erklärung", so wird der logische Bruch offenbar. Wie und warum soll jemand sich von Bestrebungen distanzieren müssen, deren Verfassungsfeindlichkeit auch der Beklagte nicht behauptet (,,kann dahinstehen "). Soweit der Beklagte argumentiert, daß das Distanzierungsgebot auch in Bereichen gelte, in denen das angestrebte Ziel an sich nicht verfassungswidrig ist, jedoch die politische Aktivität maßgeblich von Gruppierungen mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung und in diffamierender Weise betrieben werde (Bl. 13 d.A.}, so muß dem Beklagten entgegengehalten werden, daß er zur Stützung dieser Thesen keinerlei Fakten vorgetragen hat. Offenbar scheint der Beklagte davon ausgehen zu wollen, daß die von ihm als „kommunistisch beeinflußt" bezeichneten Organisationen schon deshalb Gruppierungen mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung seien, weil Mitarbeiter dieser Gruppierungen zugleich Mitglieder unzweifelhaft verfassungsfeindlicher Parteien sind. Dieser Schluß ist logisch nicht statthaft, jedenfalls durch Fakten nicht belegt.
Das Urteil
1. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger für die Dauer mindestens eines Jahres als vollbeschäftigten Aushilfslehrer an Grund- und Hauptschulen im Regierungsbezirk Mittelfranken unter Bezahlung in Anlehnung an BAT Vergütungsgruppe IV a einzustellen und zu beschäftigen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 9 .400,-festgesetzt.
Kläger: Hans Kolb
Der beklagte Freistaat Bayern hat Berufung eingelegt.
3.2.2.4. Wahlbündnisse auf der Grundlage von DGB-Thesen
Hans Kolb , Erich Kretzer (vgl. Dokumentation S. ■) , Klaus Pilhofer (vgl. Dokumentation S. •) und andere beriefen sich auf die 23 Thesen des DGB zur Hochschulpolitik als Basis der Wahlbündnisse „Gewerkschaftliche Orientierung" an Universitäten . In keinem einzigen Fall waren Einstellungsbehörden bereit, dies als entlastendes Moment anzuerkennen ; keiner der Betroffenen konnte mit dem Nachweis, auf der Grundlage von DGB-Beschlüssen Hochschulpolitik gemacht zu haben, die behördlichen „Zweifel an der Verfassungstreue" ausräumen. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf gegen die Genannten, einer „kommunistisch gesteuerten Organisation" angehört zu haben, wird damit der DGB selbst ins Zwielicht gebracht.
3.2.3. Ermittlungen des Verfassungsschutzes
3.2.4. Schon die Zugehörigkeit zu einer legalen Partei ist strafbar
( .. . )
Als Bürger steht es ihm zwar frei , in einer nicht vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Partei tätig zu werden, die die verfassungsmäßige Ordnung ablehnt. Eine andere Frage ist es, ob er dann noch die Eignung als Beamter besitzt, die neben der fachlichen Befähigung Voraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Dienst ist.
Die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung ist nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (vgl. BVerwGE 52, 313/337). Daher ist unerheblich, ob sich der Wf. in fachlicher Hinsicht während des Vorbereitungsdienstes bewährt und sich im Unterricht politischer Äußerungen enthalten hat.
Für die Frage der Eignung als Beamter kommt es nicht auf die Motive für den Eintritt des Wf. in die DFU an. Ein Eintreten für friedliche Koexistenz, Entspannung und Abrüstung wäre auch in Parteien möglich gewesen, die keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgen. Daß der Wf. das nicht getan hat, sondern trotz Kenntnis der wirklichen Zielvorstellungen der DFU Landesvorsitzender und Mitglied des Bundesvorstands wurde, berechtigt die Regierung bei der prognostischn Beurteilung seiner Persönlichkeit, Zweifel an seiner Verfassungstreue zu hegen. (Wf. = ,,Widerspruchsführer")
3.2.5. Gesinnungsprüfungen
3.2.5.1. Einstellungsgespräch mit Kollegin R. am 6. Mai 1981 (Reg. von Mittelfranken (Regierungsdirektor Richter}, AZ: 110- 1652/16454/2}
( ... )
Richter: Der MSB Spartakus weiß sich der DKP durch die gemeinsame marxistische Theorie, das sozialistische Ziel und die gemeinsame antimonopolistische Orientierung im Hochschulkampf solidarisch verbunden. Die DKP erstrebt die sozialistische Umgestaltung der Bundesrepublik Deutschland. Wie ist Ihre Meinung hierzu?
Kollegin R.: Ich stelle zunächst fest, daß ich nicht Mitglied dieser Organisation bin, sondern Mitgied der FDP, der Deutschen Jungdemokraten und der GEW, und daß ich aus diesem Grunde keine Veranlassung sehe, mich zu inhaltlichen Äußerungen aus dem Programm des MSB Spartakus zu äußern oder auch der DKP. Ich empfinde diese Frage als politische Meinungsäußerung und halte sie nicht für relevant in Bezug auf meine Verfassungstreue und ich sehe mich hier einem gewissen Meinungsdruck unterworfen, dem ich mich nicht beugen kann. ( . .. )
Richter: Warum haben Sie Ihre Vermählungsanzeige in der UZ, dem Zentralorgan der DKP veröffentlicht?
Kollegin R: Ich bin aufs äußerste erstaunt, daß mir hier im Zusammenhang mit meiner Verfassungstreue diese Frage gestellt wird und ich halte sie für einen ganz eklatanten Verstoß gegen meine Rechte als Bürger dieser Bundesrepublik und ebenso als Eingriff in meine Privatsphäre. Was die Anzeige betrifft, so kann ich dazu sagen, daß sie von meinem Mann aufgegeben worden ist und daß ich dies auch weiß und mich darüber gefreut habe und ich frage zurück, ob denn Initiativen meines Mannes mir zum Vorwurf gemacht werden.
Richter: Mit Sicherheit nicht. Frau R., am 7.6.1979 und 27.1.1980 fuhren Sie in die DDR. Was waren die Gründe Ihrer Reisen?
Kollegin R.: Ich hatte aufgrund meiner Absicht, Erziehungswissenschaften zu studieren, Interesse auch an Schulsystemen anderer Länder und bin deshalb in die DDR gefahren, um dort die Möglichkeit wahrzunehmen, mit Schülern, Lehrern zu diskutieren über das dortige Schulwesen und mir auch einige Schulen anzusehen. Was die zweite Reise betrifft, so kann ich bestätigen, daß dies eine Urlaubsreise war. Anschließend möchte ich noch klarmachen, daß ich für mich das Recht in Anspruch nehme, Reisen in die DDR zu machen, insbesondere auch deshalb, als gerade die Reisen in die DDR einem, wie es in der damaligen Ostpolitik Anfang der 70iger Jahre formuliert worden war, einem Näherkommen zwischen den Menschen beider Staaten und der Völkerverständigung zu dienen hatte. Ich darf hier vielleicht auch noch hinzufügen, daß ich auch schon einmal mit einer offiziellen Delegation der Deutschen Jungdemokraten in der DDR war und da es offensichtlich hier den Anschein hat, daß ich im wesentlichen nur DDR Reisen mache, möchte ich hier ergänzend bemerken, daß ich mein Informationsbedürfnis auch anderweitig befriedige. Ich war z.B. am Ende meines ersten Studiums für 3 Monate im Europäischen Parlament in Luxemburg tätig - im landwirtschaftlichen Sektor - und desgleichen 1 Jahr später für ein halbes Jahr in Brüssel bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
3.2.5.2. Einstellungsgespräch mit llja Hausladen 4.10.1976 bei der Regierung
von Schwaben (Gedächtnisprotokoll}
He: Wann sind Sie zum ersten mal mit Politik in Berührung gekommen?
H: Ich muß hier vorausschicken, daß ich aus einer antifaschistischen Familie komme. Mein Großvater kämpfte aktiv gegen die faschistische Diktatur im 3. Reich. Er war 11 Jahre im KZ Dachau inhaftiert und verstarb einige Jahre nach der Befreiung an den Folgen der Haft und der Folter der Nationalsozialisten. Meine Großmutter gehörte ebenfalls der Widerstandsbewegung an und war deshalb 6 1 /2 Jahre in Gefängnissen der Gestapo und im KZ Ravensbrück inhaftiert. Mein Vater war ebenfalls aktiver Gegner des Faschismus, konnte aber rechtzeitig emigrieren. Er wurde später gefangengenommen(... )
He: Das tut uns sehr leid, was Ihrer Familie zugestoßen ist. Heute gibt es ja auch keine Handhabe mehr, solche Menschen zu töten oder zu bestrafen. Eine andere Frage ist, ob man Sie deswegen gleich Beamte werden lassen soll. Jetzt sagen Sie uns einmal: Welchen Eindruck haben Sie von der DDR?
H: Was meinen Sie damit, können Sie die Frage genauer formulieren?
He: Wie schätzen Sie den Staat der DDR ein?
H: Dazu kann ich nicht viel sagen, da ich mich mit der Verfassung der DDR nicht beschäftigt habe.
He: Sie müssen doch etwas über die DDR wissen - zum Beispiel die Vorteile oder Nachteile .. .
H: Als Vorteile fallen mir im Moment nur die billigen Fahrpreise der öffentlichen Verkehrsmittel ein.
He: So etwas Nebensächliches wie das oder die niedrigen Mieten in der DDR wollen wir hier nicht wissen! Sehen Sie einen Unterschied DDR-BRD?
H: Ja, in der DDR besteht ein sozialistisches und in der BRD ein kapitalistisches Wirtschaftssystem.
He: Wie sehen Sie den Sozialismus in der DDR?
H: Damit habe ich mich nicht weiter beschäftigt.
He: Waren Sie schon einmal in der DDR?
H: Ja, ich habe Verwandte in der DDR.
He: Da müssen Sie doch etwas von Ihren Verwandten gehört haben.
H: Sie werden verstehen, daß ich mich bei einem Aufenthalt bei meinen Verwandten hauptsächlich über familiäre Dinge unterhalte und nicht geneigt bin, ausschließlich über Staatsformen zu diskutieren. Ich kann Ihnen aber versichern, daß in der DDR niemand verhungert und jeder einer geregelten Arbeit nachgeht.
K: Wie sehen Sie den Sozialismus in der DDR . .. zum Beispiel die Einparteiendiktatur, oder daß man Menschen an der Grenze totschießt, daß jeder, der anders denkt, eingesperrt wird. Daß dort die Christen ausgerottet werden - das heißt: heute werden sie nicht mehr so ausgerottet, weil sie schon weitgehend ausgerottet sind. Aber gerade Sie, dessen Familie unter der damaligen Regierung zu leiden hatte, müßten doch in ganz besonderem Maße diejenigen bekämpfen, die heute genau dasselbe tun. Wie steht es damit?
Sch-L: Das ist ein ganzes Bündel von höchst anfechtbaren Hypothesen. Muß er die alle bejahen, wenn er übernommen werden soll?
He: Herr Hausladen soll die Antwort geben. Das alles ist nicht anfechtbar. Das weiß man doch spätestens aus der Presse. Und wer sich überhaupt nicht informiert, ist als Lehrer ungeeignet.
H: Mir ist bekannt, daß neben der SED auch noch andere Parteien zugelassen sind wie zum Beispiel die CDU. Welche Stellung diese Parteien bei der Gesetzgebung oder anderen politischen Aufgaben haben , kann ich Ihnen nicht sagen, da ich mich, wie schon gesagt, mit der Verfassung der DDR nicht befaßt habe .
K: Sie sagen, daß Sie ein Antifaschist sind - bekämpfen Sie aus dieser Überzeugung heraus die Ostblockstaaten?
Sch-L: Was?!
K: Ich meine: die Staatsform in den Ostblockstaaten.
H: Ich kenne den Faschismus aus der deutschen Geschichte und aus Ergänzungen meiner Familie . Einen Faschismus wie im 3. Reich kenne ich im Ostblock nicht. Ich bin jedenfalls für gute Beziehungen zu allen Staaten. Dazu gehört auch die Nichteinmischung, zu der sich alle UNO Mitglieder verpflichtet haben.( ... )
He :-Wo sehen Sie Kritikpunkte an der DDR?
H: Es gibt bestimmt in jedem Land und an jedem System Punkte, die zu kritisieren sind. Ich habe Ihnen aber schon anfangs gesagt, daß ich mich mit den Gesetzen der DDR nicht beschäftigt habe und ich kann nur Dinge kritisieren, über die ich mich eindeutig informiert habe. Dies ist aber hier nicht der Fall.
K: Sie wissen ganz genau, worauf wir hinauswollen. Aber Sie wollen sich dumm stellen. Im ganzen Wahlkampf war von der Bedrohung durch die kommunistische Gefahr die Rede. Aber da haben Sie offenbar immer weggehört.
He: Was verstehen Sie unter „Diktatur des Proletariats"?
H: Das ist für mich ein wissenschaftlicher Begriff, mit dem ich mich nicht beschäftigt habe.
He: Sie müssen doch etwas darüber aussagen können – der Begriff gibt doch viel her. Sie wollen doch Lehrer werden und müssen dazu was wissen!
H: Also, dieser Begriff kommt vor allem bei Marx und Lenin vor und zwar . ..
He: Frau .. . schreiben Sie:
Ich bejahe die Diktatur des Proletariats im Sinne von Marx und Lenin ...
H: Nein, wenn ich den Begriff „Diktatur" nehme, bin ich natürlich gegen jede Art von Diktatur, ob in Ost oder West. Aber mit dem Begriff „Diktatur des Proletariats" habe ich mich nicht befaßt, ich kann jetzt ohne Vorbereitung keine wissenschaftliche Beschreibung abgeben.
He: Wenn Sie später als Lehrer eine Unterrichtsstunde über die DDR und die BRD halten, müssen Sie auch Bescheid wissen.
H: Auf eine Unterrichtsstunde kann und muß ich mich vorbereiten. Ich habe also die Möglichkeit, durch Bücher oder Unterrichtshilfen, meine Stunde vorzubereiten. Für dieses Gespräch hier konnte ich mich nicht vorbereiten, da sie mir nicht mitgeteilt haben , um welche Fragen es hier geht.
Teilnehmer: Für die Regierung von Schwaben:
ORR Hener (He) Reg. Dir. KJüger (K) Frau Rist (R)
Der Bewerber: Ilja Hausladen (H)
Für den Bewerber: Rechtsanwalt Schmitt-Lermann (Sch-L)
3.2.6. Trotz anderslautender Gerichtsentscheidungen immer wieder dieselben
Vorwürfe serviert - die Staatsregierung entscheidet „ganz offensichtlich rechtswidrig".
Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach Nr. AN 523 - 1/178, 4.1 .79 Kläger: Erich Kretzer
Tatbestand
Der am 16.5.1950 geborene Kläger hat an der Universität Erlangen-Nürnberg von 1971 bis 1976 Chemie und Physik für das Lehramt an Realschulen studiert. Während dieser Zeit hat er bei den Wahlen zum 16. Studentenparlament und zum 17. Studentenparlament der Universität Erlangen-Nürnberg im Jahr 1973 und im Jahr 1974 für den „Sozialdemokratischen Hochschulbund" bzw. für den „Sozialistischen Hochschulbund Nürnberg-Erlangen" kandidiert und bei den Gremienwahlen 1975 für die „Gewerkschaftliche Orientierung". Nach Ablegung der Prüfung für das Lehramt an Realschulen mit der Note 2,56 meldete er sich am 8.10.1975 zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Realschulen.
( ... ) Mit Bescheid vom 15.3.1976 hat das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus den Antrag des Klägers auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Realschulen abgelehnt, da er für den SHB kandidiert habe.( .. . )
Bewerbung
Der Kläger beendete am 15.2.1978 den Vorbereitungsdienst, wobei er die pädagogische Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen mit der Note gut (2,02) bestand. Er erzielte eine Gesamtprüfungsnote von 2,29. Bereits mit Schreiben vom 13.11. 1977 beantragte der Kläger in den staatlichen Schuldienst als Beamter auf Probe übernommen zu werden.
Die Bewerbung wurde am 3.3.1978 abgelehnt.
Mit Bescheid vom 22. Juli 1978 wies das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt : Das Staatsministerium sei bis zur Stunde der Auffassung, daß der Kläger nicht die Gewähr biete, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung einzutreten. Die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen im Verfahren um die Zulassung zum Vorbereitungsdienst vermögen - ungeachtet der Tatsache, daß sie keine Bindungswirkung für die hier anstehende Entscheidung entfalten würden - nicht zu überzeugen. Der Kläger sei zur Zeit seines Studiums in Erlangen Mitglied des „Sozialdemokratischen Hochschulbundes" bzw. des späteren „Sozialistischen Hochschulbundes (SHB) Erlangen-Nürnberg" gewesen und habe für diesen kandidiert. Aus dieser Mitgliedschaft und dem seinerzeitigen aktiven Eintreten für den SHB hätten sich Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers ergeben, die er auch im Einführungsgespräch vom 16.2.1976 nicht habe ausräumen können. Das Gericht habe die eigenen politischen Zielsetzungen des SHB, sein politisches Zusammenwirken mit anderen verfassungsfeindlichen Gruppierungen sowie die Tatsache vernachlässigt, daß der SHB Erlangen-Nürnberg - wie auch der Kläger selbst - sich nie von den politischen Zielsetzungen des Bundes-SHB distanziert habe. Außerdem habe das Gericht die politische Entwicklung des SHB Erlangen-Nürnberg nicht genügend aufgeklärt. ( . . . )
Sachfremde Erwägungen
Der Bescheid des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 3.3.1978 und der Widerspruchsbescheid vom 22.6.1978 sind aufzuheben, da die Behörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist und sachfremde Erwägungen angestellt hat.
Die Bescheide sind bereits deshalb rechtswidrig, da das entscheidende Ministerium, nach seinem eigenen Vorbringen, weder das Verhalten des Klägers während des Vorbereitungsdienstes vom 3.5.1976 bis 15.2.1978 gewürdigt hat, noch Feststellungen über das derzeitige politische Verhalten des Klägers und dessen politischer Einstellung getroffen hat. Vielmehr gibt das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus klar zu erkennen, daß es ausschließlich den Erkenntnisstand vom 15.3.1976 der Entscheidung zugrunde legte , was dazu führte , daß es auf eine eigene Begründung des Ablehnungsbescheides vom 3. März 1978 verzichtete und vollinhaltlich auf den früheren Bescheid Bezug nahm. Bereits aus diesem Grunde sind die Bescheide rechtsfehlerhaft und aufzuheben.
Bundesverfassungsgericht
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 22.5 .1975 (BVerfGE Bd. 39, S. 334/356) zum Ausdruck gebracht, daß der Schwerpunkt für die Gewinnung des Urteils, ob der Bewerber die geforderte Gewähr bietet oder nicht, nicht auf das Verhalten vor seinem Eintritt in den Staatsdienst zu legen ist, sondern auf sein Verhalten in der Zeit, in der er Widerrufsbeamter oder Probebeamter war. Der Beklagte kann dies nicht damit umgehen, daß er diese Feststellung als „obiter dictum" des Verfassungsgerichts behandelt, ,,das weder Verfassungsorgane noch Gerichte oder Behörden" binden könne. Die entscheidende Behörde hat sachfremde Erwägungen angestellt, wenn sie glaubt „das Verhalten des Bewerbers während eines evtl. Vorbereitungsdienstes kann für die notwendigerweise vor dem Vorbereitungsdienst liegende Einstellungsentscheidung nicht von Bedeutung sein" (vgl. Stellungnahme des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 8.11.1978, S. 3). Mit dieser Aussage kehrt das Ministerium den Rechtsgedanken des Bundesverfassungsgerichts ins Gegenteil, da hiernach die Entscheidung der Geeignetheit für den Staatsdienst bereits mit dem e r s t e n prognostischen Urteil für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst als Widerrufbeamter getroffen sein soll. Dies würde zu einer Vereinfachung des Einstellungsverfahrens führen, jedoch entbehrt es der Rechtmäßigkeit.
Bewährung im Vorbereitungsdienst hebt - ungeachtet des Bundesverfassungsgerichtsurteils - für bayer. Behörden Zweifel an der Verfassungstreue von Bewerbern nicht auf:
Aus dem Ablehungsbescheid der Regierung von Schwaben zum Antrag von Frau Christina Lichtwarck-Aschoff auf Abschluß eines Arbeitsvertrags mit dem Freistaat Bayern vom 8.9.1978 (Geschäftsnummer: 110 -1409.51):
Es ist zwar zuzugeben, daß sie im dienstlichen Bereich während ihres Vorbereitungsdienstes im Hinblick auf ihre politische Treuepflicht nicht negativ aufgefallen ist. Gleichwohl kann die vom Bundesverfassungsgericht a.a.O. getroffene Feststellung, wonach insbesondere auch die Zeit des Vorbereitungsdienstes geeignet ist, sich ein zuverlässiges Bild von einem Bewerber zu machen, nur dann zum Tragen kommen, wenn der Bewerber völlig unvoreingenommen und ohne Kenntnis darüber, daß aufgrund seiner bisherigen politischen Aktivitäten Zweifel an seiner Verfassungstreue im Raume stehen könnten, seinen Vorbereitungsdienst abgeleistet hat. Wenn dagegen ein Bewerber - wie L. - von Beginn des Vorbereitungsdienstes an weiß, daß die Behörde Zweifel an seiner Verfassungstreue hegt und diese Zweifel bis zum Abschluß des Vorbereitungsdienstes nicht zurückgestellt hat , L. zudem nur durch eine einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts vorläufig in den Vorbereitungsdienst aufgenommen wurde, so ist es nachgerade selbstverständlich, daß sie sich zumindest im dienstlichen Bereich äußerster Zurückhaltung befleißigt, wenn sie sich nicht um jede Chance einer weiteren Verwendung im öffentlichen Schuldienst bringen will. Eine differenziertere Betrachtung dieses Fragenkomplexes wäre allenfalls dann veranlaßt gewesen„ wenn L. sich in der Zwischenzeit in positiver Weise für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eingesetzt hätte, was jedoch nicht erkennbar war.
3.2.7. Kritik als Indiz für Verfassungsfeindlichkeit
(Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg Au 211 II 79, 11. 9. 80 Klägerin: Maria Scherer)
Die Gewähr für Verfassungstreue sieht die Regierung von Schwaben in der Person der Klägerin deshalb als nicht gegeben an, weil sie Mitglied in der Demokratischen Front gewesen sei:
,,( . .. ) die „Initiative" eine kommunistisch beeinflußte Organisation sei, wie auch die Verfassungsschutzberichte Bayern 1977 und 1978 feststellten; ihre Zielsetzung decke sich vollkommen mit der Bestrebung u.a. der orthodox-kommunistischen Organisation, den sogenannten „Radikalenerlaß" zu Fall zu bringen; (Augsburger Initiative gegen Berufsverbote, DDS)
die Klägerin durch ihre Aktivitäten im Rahmen der „Initiative" habe erkennen lassen, daß sie bis in die jüngste Vergangenheit hinein im außerdienstlichen Bereich mit Vertretern von politischen Organisationen zusammengearbeitet habe, die unbestreitbar verfassungsfeindliche Ziele verfolgten, und sie diese Ziele zumindest teilweise unterstütze;
aus Veröffentlichungen und Veranstaltungen der „Initiative" unbestreitbar die Absicht deutlich werde, den öffentlichen Dienst auch für Personen zugänglich zu machen, die gerade diesen zu erhaltenden Staat in der einen oder anderen Weise beseitigen wollten;
es auf ein aus der Sicht des Grundgesetzes unhaltbares Demokratieverständnis schließen lasse, wenn die Klägerin erkläre , daß Kommunisten auch Demokraten sein könnten;
die Klägerin aktiv dafür eintrete, daß erklärte Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung die Möglichkeit erhalten sollten, durch Aufnahme in den öffentlichen Dienst diesen Staat zu untergraben und zu bekämpfen.
.. . und als Zeichen charakterlicher Mängel
Durch das Verhalten der Klägerin sei das gerade hier notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Dienstherrn und (künftigem) Lehrer von vornherein zerstört. Die Regierung von Schwaben verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die im Dezember 197 5 in der Öffentlichkeit erschienene und von der Klägerin unterzeichnete „Augsburger Erklärung gegen Berufsverbote" sowie die darin dem künftigen Dienstherrn gemachten „unhaltbaren Vorwürfe" ; auf das uneingeschränkte und öffentliche Eintreten der Klägerin im Rahmen der „Initiative" dafür, daß erklärten Gegnern des Staates Zugang zum öffentlichen Dienst verschafft werde; auf die im Mai 1977 erschienene, von der Klägerin ausdrücklich für richtig gehaltene Dokumentation der „Initiative" (Blatt 54 ff. Regierungsakt I) und die darin enthaltenen „geradezu verleumderischen Angriffe gegen den Dienstherrn". Der Klägerin fehle es aufgrund dieser Umstände schon an der allgemeinen (charakterlichen) Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe.
2 Beispiele aus der inkriminierten „Erklärung":
„Hunderttausende von Bürgern werden gegenwärtig systematisch bespitzelt und überprüft; . ...... " ( . .. )
„Da bereits jeder (Unterstreichung von der Kammer), der seine verfassungsmäßig garantierten Rechte wahrnimmt und aktiv für Mitbestimmung, Frieden und sozialen Fortschritt eintritt, befürchten muß, in die Verdachtzone der „Verfassungsfeindlichkeit" zu geraten, entsteht eine allgemeine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung." (Die Auffassung der beklagten Regierung von Schwaben wurde in diesem Fall vom VWG bestätigt.) Vgl. aber die Argumentation des Arbeitsgerichts München zum Fall Kolb, Dokumentation S. 37
3.2.8. Vom Verhältnis zur 3. Gewalt - Urteilsschelten der Regierung von Schwaben
Ablehnung des Antrags von Frau Christina Lichtwarck-Aschoff auf Abschluß eines Arbeitsvertrags mit dem Freistaat Bayern (Reg. von Schwaben, Gesch.-Nr.: 1101409.51, 8. 9. 78)
Die Tatsache, daß die Ihrer Mandantin vorgehaltenen Aktivitäten in das Jahr 1972 zurückgehen, ändert an diesem Ergebnis nichts, da sie sich bislang nicht bereitfand, irgendwelche distanzierenden Erklärungen abzugeben; somit bekennt sie sich nach wie vor zu ihrem früheren Verhalten und versucht lediglich, durch im wesentlichen unglaubwürdige Schutzbehauptungen ihre Aktivitäten zu verharmlosen.( . . . )
Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der L. ist im übrigen noch von Interesse, daß sie selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof erklärt hat, an der ehemaligen Pädagogischen Hochschule eine gewisse Zeit Fachschaftssprecherin und schon seit früherer Zeit politisch sehr interessiert gewesen zu sein. ( .... )
Es ist zwar einzuräumen, daß zuletzt der Bayer. Verwaltungsgerichtshof (BayVHG) unsere Rechtsauffassung nicht bestätigt und den vorerwähnten Bescheid aufgehoben hat: gleichwohl vermögen wir uns nach eingehender Prüfung dieses Urteils der dort vertretenen Auffassung nicht anzuschließen und haben deshalb dieses Urteil mit dem zur Verfügung stehenden Rechtsmittel angefochten. Wir sind nämlich der Auffassung, daß dieses Urteil in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft ist. Zum einen hat das Gericht schon den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Es hat u.a. unterlassen, den politischen Standort der DF in dem erforderlichen Maße aufzuklären; dabei hätte sich aufgrund der programmatischen Aussagen dieser Gruppierung in Verbindung mit den sonstigen politischen Zusammenhängen (insbesondere die Verbindung zum KHB/ML ergeben), daß sie verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Auch die Behauptung der L., sie habe sich im Rahmen ihrer Aktivitäten nur hochschulpolitische Ziele zu eigen gemacht, wurde ungeachtet ihrer sontigen Aktivitäten ohne jede weitere Prüfung als richtig unterstellt ; ebensowenig wurde berücksichtigt, daß L. bis heute keine Veranlassung sah, sich von den nicht hochschulpolitischen Forderungen der DF zu distanzieren. Fragen der Glaubwürdigkeit der Aussagen der L. wurden allein und völlig kritiklos nach ihren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung beurteilt, ohne ihr sonstiges Verhalten zu berücksichtigen.
SZ 6.7.1979' Die schwäbische Bezirksregierung, bei ihren juristischen Aktionen gegen Bewerber für den öffentlichen Dienst bisher nicht gerade vom Prozeßglück begünstigt, hat trotzdem die volle Rückendeckung der bayerischen Staatsregierung und der CSU-Landtagsfraktion. Regierungspräsident Sieder hatte - wie berichtet - zuletzt für Aufsehen gesorgt, als er nach einer weiteren Niederlage vor dem Augsburger Arbeitsgericht gegen die Lehrerin Christina Lichtwarck-Aschoff heftige Kritik an dem für die Behörde wenig schmeichelhaften Urteil übte. Das Gericht hatte die Entscheidung, die Lehrerin nicht zum Schuldienst zuzulassen, als „kraß fehlerhaft" bezeichnet. Sieder sprach daraufhin auf einer Pressekonferenz dem Arbeitsgericht die für ein solches Urteil erforderliche fachliche Qualifikation ab, warf ihm Unkenntnis der Taktik und Ideologie kommunistischer Organisationen vor und kündigte Revision gegen den Richterspruch an, der die Regierung zum drittenmal verpflichtete, die Frau in das Angestelltenverhältnis zu übernehmen.
Schon während des Verfahrens war es zu Mißtönen gekommen, weil sich Arbeitsrichter Fach durch die Regierung von Schwaben dermaßen beschimpft fühlte , daß er sich für befangen erklärte und die Behandlung des Falles vorübergehend niederlegte. Auch bei der Pressekonferenz legte die Bezirksregierung ein nicht alltägliches Verhalten an den Tag. Der Berichterstatter des Fernsehens wurde kraß behindert, indem die Kameraleute ausgesperrt wurden. Sieder reklamierte für seinen zuständigen Sachbearbeiter, den umstrittenen Regierungsdirektor Herzer, das Recht aufs „eigene Bild" .