Zum Inhalt springen

Die Rolle der bayerischen Staatsregierung: Die Berufsverbote-Ideologie

3. Die Rolle der Bayerischen Staatsregierung

3.1. Die Berufsverbotsideologie

3.1.1. Die Verschwörungstheorie

Ein Beitrag des früheren Innenministers Bruno Merk

Die unter dem Titel „Schutz für Verfassung, Staat, Gesellschaft" im Oktober 1976 vom Innenminister veröffentlichte Merk-Schrift, erhebt den Anspruch- ,,gegen die schier zementierte Einseitigkeit der augenblicklichen Diskussion einige Argumente der Vernunft und der Verantwortung zu stellen." (Vorwort S. 4)

In Wirklichkeit handelt es sich um ein Pamphlet, das sich nicht scheut, mit Hilfe von Geschichtsfälschung, Unterstellungen und Halbwahrheiten die rechtswidrige bayerische Berufsverbotspraxis zu verteidigen und gleichzeitig Ängste in der Bevölkerung zu schüren.

Schon im Bulletin der bayerischen Staatsregierung vom 18.2.1976 schreibt das Innenministerium zum Thema „Verfassungsschutz in Bayern 1975": ,,Gegen die Beschlüsse und Maßnahmen der Behörden der Bundesrepublik, Extremisten nicht in den öffentlichen Dienst aufzunehmen, hat der Weltkommunismus deshalb eine Propagandakampagne entfesselt, wie sie letztmals vor 20 Jahren anläßlich der Wiederbewaffnung zu verzeichnen war."

Damit ist die Tonart angegeben , in der die CSU-Staatsregierung politisch Andersdenkende aburteilt. Solche Töne wecken bittere Erinnerungen an die Verschwörertheorie der Faschisten.

 

Beiträge des heutigen Innenministers Gerold Tandler

Der vom bayer. Innenminister herausgegebene Verfassungsschutzbericht 1980 beginnt mit einer nüchternen Feststellung:

Auch 1980 stellte der politische Extremismus in Bayern keine ernsthafte Gefahr für den Bestand unseres Staates und seine freiheitliche Ordnung dar. Trotz unvermindert großer Aktivitäten und hohen Aufwandes fanden die extremistischen Gruppen nach wie vor bei unseren Bürgern keinen Anklang. Eindrucksvoller Beweis hierfür ist der verschwindend geringe Stimmanteil extremistischer Parteien bei der Bundestagswahl im Oktober 1980. Das demokratische Bewußtsein der ganz überwiegenden Mehrheit unserer Bevölkerung erwies sich gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen immun. (S. 11 )

Die Verfassungsschützer vergessen aber dieses Bild einer gefestigten, weil auf der Zustimmung fast aller Bürger ruhenden Demokratie wieder, sobald es um den öffentlichen Dienst geht. Nun gilt es plötzlich, einen offenbar höchst gefährdeten Staatsapparat vor „Unterwanderung" zu schützen.

„Der freiheitliche Rechtsstaat kann und darf sich nicht in die Hände seiner Zerstörer geben", so hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem vielzitierten Beschluß vom 22. Mai 19 75 formuliert. Dies ist eine Konsequenz aus der vom Grundgesetz gewollten wehrhaften Demokratie. Die Beamtengesetze des Bundes und der Länder schreiben deshalb von Anfang an vor, daß in das Beamtenverhältnis nur berufen werden darf, wer die Gewähr der Verfassungstreue bietet. Damit soll verhindert werden, daß staatliche Ämter mit ihren erheblichen Gestaltungsmöglichkeiten in die Hände von Gegnern der Freiheit und Demokratie gegeben werden und die freiheitliche demokratische Grundordnung so von innen heraus gefährdet wird. Insbesondere müssen die Justiz als Trägerin der Dritten Gewalt sowie die Polizei und die Schule vor der Unterwanderung durch links- und rechtsextreme Kräfte, vor dem „Marsch durch die Institutionen" geschützt werden. (S. 120)

 Zweifel, ob nicht genau dieser entschlossene „Schutz" vor einer nicht existierenden Gefahr eigentlich die Demokratie gefährdet , werden umgedeutet zum Bestandteil der umfassenden Wühlarbeit staatsfeindlicher Kräfte: Wer den Verfassungsschutz kritisiert, ist selbst ein „Verfassungsfeind". Obgleich nicht einmal der Verfassungsschutz eine Bedrohung der Demokratie feststellen kann, überwuchert der fixe Gedanke einer – internationalen - Verschwörung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung in der BRD alle Ansätze von Realitätssinn.

Ungeachtet der seit Jahren geleisteten Öffentlichkeitsarbeit, die Aufschluß über die Mitwirkung des Verfassungsschutzes bei der Überprüfung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst gibt, hält die Kampagne der Extremisten gegen die angeblichen „Berufsverbote" in der Bundesrepublik Deutschland unvermindert an. Sie wird häufig durch von Kommunisten beeinflußte Komitees und Initiativen (vgl. 2. Abschnitt Nr. 2.4. 7) getragen und ist international ausgeweitet. Diese Aktivitäten diffamieren nicht nur das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, sondern versuchen auch im Inland Unbehagen über und Mißtrauen gegen die Tätigkeit des Verfassungsschutzes zu säen. (S. 120)

Beitrag des Staatssekretärs im Finanzministerium Albert Mayer in „Bayerische Staatszeitung und Bayerischer Staatsanzeiger"

In einem Artikel unter der Schlagzeile „Bonn diskriminiert das Gebot der Verfassungstreue" offenbarte der Staatssekretär im Finanzministerium, Alber Mayer am 28.08.81, daß in Bayern bereits Versuche, Informationen über das Ausmaß der politischen Verfolgung im Freistaat zu erhalten, als finstere Verschwörung abgewehrt werden. Die Bundesregierung hatte eine Aufforderung der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf (ILO), über die Handhabung des „Radikalenerlasses" in der Bundesrepublik zu berichten, an die Bundesländer mit der Bitte um Informationen weitergegeben. Bayern wies dieses Ansinnen empört zurück:

Damit wäre es die selbstverständliche Pflicht der Bundesregierung gewesen, der Internationalen Arbeitsorganisation anhand ihres eigenen Abkommens nachzuweisen, daß ihre Aufforderung zur Berichterstattung fehl am Platze ist. Dies muß um so mehr angesichts der Tatsache gelten, daß hinter diesen Aktivitäten der Internationalen Arbeitsorganisation vermutlich bestimmte politische Kräfte stehen, denen es darauf ankommt, die Bundesrepublik und die Bundesländer im Rahmen eines öffentlichkeitswirksam inszenierten internationalen Forums zu diffamieren.

 

3.1.2. Der Rechtsstaat als Randproblem

In der Regierungserklärung vom 14.11.1978 findet sich zunächst ein zynischer Hinweis auf die sich abzeichnende Lehrerarbeitslosigkeit, die ein willkommenes zusätzliches Disziplinierungsinstrument abgibt; dann kommt die klare Verleugnung der im Amtseid beschworenen Aufgabe, Rechte der Bürger zu wahren und zu schützen,

,,Wir werden auch in Zukunft verhindern, daß mit den Geldern der Steuerzahler Feinde der demokratischen Freiheit im öffentlichen Dienst unterhalten werden. Bei psychologisch-richtiger und personalpolitisch-erfahrener Prüfung der Anwärter wird man es verstehen durch Würdigung der Gesamtpersönlichkeit und durch richtige Auswahl aus dem Überangebot demokratisch gesinnter Bewerber eine Auswahl zu treffen, die dem wirklich gestellten Problem gerecht wird. Denn es geht um die Sicherheit aller Bürger, nicht um angebliche Rechtsansprüche weniger Außenseiter."

Die fällige Präzisierung scheute Strauß nicht. Vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärte er am 29.11.78, es gehe auch nicht „um wirkliche Rechte" von Außenseitern.

 

3.1.3. Das grundsätzliche Mißtrauen in den Bürger

Finanzminister Max Streibl verteidigt die Regelanfrage , die routinierte Bespitzelung aller Bewerber für den öffentlichen Dienst, mit einer originellen Analogie:

Kein Mensch käme auf die Idee, Medizinstudenten ungeprüft als Chirurgen tätig werden zu lassen und abzuwarten, mit welchem Erfolg sie tätig sind. Kein Mensch käme auch auf den Gedanken, auf die Röntgenreihenuntersuchung zu verzichten und .erst dann einzuschreiten, wenn der Patient hustet. Warum sollte dieses Prinzip der Vorsorge- und Vorbeugemaßnahmen gerade dann nicht gelten, wenn es darum geht, den Staat zu schützen . .. ? " (Finanzminister Streibl in der Antwort auf die Interpellation der CSU vom 24.11.1978 und der SPD vom 29.11.1978)

 

3.1.4. Gleichsetzung von Kapitalismus und FDGO

Falls jemand auf die Idee kommen sollte, grundsätzliche Kritik an der Marktwirtschaft zu üben und sich dabei auf den Art. 15 GG stützen sollte, wird er unmißverständlich darauf hingewiesen, daß für die CSU Marktwirtschaft und FDGO faktisch identisch sind.

Staatsminister Streibl stempelt Kritiker an der bestehenden Wirtschaftsordnung zu möglichen „Verfassungsfeinden":

„Es ist im Einzelfall zu prüfen, inwieweit eine grundsätzliche Kritik an der bestehenden Wirtschaftsordnung in der Bundesrepublik - gegebenenfalls verbunden mit der Kritik an anderen Strukturelementen unseres freiheitlich demokratischen Staatswesens - im Widerspruch zum Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung steht." (ebenda)

 

3.1.5. Verharmlosung der politischen Verfolgung

Diese Zahlen sind in zweierlei Hinsicht geschönt:

1) Das Ausmaß der Ermittlungen wird durch die Zahl der „Erkenntnismitteilungen" nicht deutlich. Die Staatsregierung weigert sich bis heute, die Zahlen der Anhörungsgespräche bekannt zu geben, angeblich, weil sie nicht festzustellen sind. Dabei wird jedoch über jedes dieser Gespräche ein Protokoll erstellt und zu den Akten genommen, so daß die Bezirksregierungen sehr wohl entsprechende Zahlen liefern könnten. Die GEW hat im Zeitraum 1973-80 allein aus ihrem Organisationsbereich bereits 200 Betroffene vertreten, die alle Anhörungsgesprächen unterzogen werden.

2) Der suggerierte Eindruck, die Behörden hätten ihre „Zweifel an der Verfassungstreue" von Bewerbern durch ihre Ermittlungen ausgeräumt , ist falsch. Bei fast allen in der Statistik aufgeführten „eingestellten" Bewerbern handelt es sich um solche, die per Gerichtsbeschluß ihre Einstellung erzwingen konnten; als „abgelehnt" werden offensichtlich nur Bewerber bezeichnet, die in rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren unterlagen, oder ihre Klagen nicht weiterverfolgten. Die Bilanz der GEW-Rechtsschutzstelle (S. •), nach der die Einstellungsbehörden in etwa 90% der Fälle unterlagen, deutet das wahre Ausmaß der Intoleranz, Rechtsbeugung und Verbissenheit bayerischer „Radikalenjäger" an.

Der gefährliche Pluralismus

Kultusminister Prof. Hans Maier hat klar das Ziel des „Radikalenerlasses" genannt: ,,Schließlich hat unser Land nicht nur ein Recht auf treue Beamte sondern auch auf treue Bürger." (3. 6. 78 Auf der Landesversammlung der Jungen Union) - also: Einschüchterung und Disziplinierung aller Bürger.

Während in den Sozialkundelehrplänen für bayer. Schulen die pluralistische Demokratie hochgehalten wird, zieht Kultusminister Maier in einer Rede vor der Bundesvereinigung der Oberstudiendirektoren den Wert „Pluralismus" in Zweifel - ohne allerdings offen die logische Schlußfolgerung zu ziehen, daß die pluralistische Demokratie durch einen autoritären Staat ersetzt werden müßte. Seine eigenwillige Deutung der Jugendunruhen hier im Wortlaut: „Bei Jugendprotesten und Unruhen in der jüngsten Zeit seien an die Stelle des Weltanschauungsstreits und des wiederbelebten Klassenkampfes die Auseinandersetzung zwischen den Generationen getreten, sagte der Kultusminister. Sie seien Ausdruck einer Jugend, die sich als „Opfer der Gesellschaft" sehe, voller Angst, das Leben nicht meistern zu können, von Aggressionen und Realitätsverlust geprägt. Dem oft mit moralischem Rigorismus verbundenen Protest würden jedoch von der auf Pluralismus angelegten Gesellschaft keine verbindlichen Orientierungswerte und gruppenprägenden Leit- und Vorbilder entgegengesetzt. ,, Selbst Gruppen und Institutionen, deren einzige Aufgabe es sein sollte, wenigstens für ihre Mitglieder Werte zu setzen und sie zu verteidigen, gefallen sich nicht selten darin, sich pluralistisch, flexibel, offen zu geben. Ich frage: Wie soll ein junger Mensch die über ihn gefällten Urteile - auch solche von Lehrern - anerkennen, wenn er doch weiß, daß daneben beliebig viele abweichende oder gar gegensätzliche Urteile nicht nur denkbar, sondern auch erreichbar sind? Muß es ihn, (:/er letztlich nach einem Halt sucht, nicht mit Verachtung für eine Gesellschaft erfüllen, die sich nirgends fassen läßt! " (SZ, 01.10.81)

 

 

3.1.6. Einschätzung der bayerischen Berufsverbotsideologie

Innerhalb der Bundesrepublik nimmt die bayer. Staatsregierung in der Frage des „Radikalenerlasses" erklärtermaßen eine Vorreiterrolle ein. Bayer. Minister verteidigen am entschiedensten diesen Beschluß, interpretieren ihn am extensivsten und handhaben ihn am rigidesten (s. dazu auch die Dokumentation S. •). Die propagierte Berufsverbotsideologie zeigt damit auch am deutlichsten die demokratiezerstörenden Implikationen des Ministerpräsidentenbeschlusses.

• Sie geht aus von einer massiven Bedrohung des Staates durch Extremisten und läßt sich in diesem Bedrohungsdenken von keinerlei Fakten und Gegenmeinungen abbringen – nicht einmal von den Erkenntnissen des eigenen Verfassungsschutzes, der in all seinen Berichten nur immer wieder die Stabilität und Festigkeit der angeblich gefährdeten FDGO feststellen kann.

• Diese FDGO wird von der CSU so selbstverständlich und unbeirrt wie von keiner anderen Partei mit der sog. Sozialen Marktwirtschaft identifiziert - wobei die grundsätzliche Offenheit des GG in Fragen des Wirtschaftssystems ebenso übergangen wird wie der Art . 15 GG, der Sozialisierungen großen Ausmaßes erlaubt. Kritiker der „sozialen Marktwirtschaft" geraten damit rasch in den Ruch der „Verfassungsfeindlichkeit".

• Die Auswirkungen der Verfolgung politisch Andersdenkender werden verharmlost , gleichzeitig wird das Schreckbild der Gefährdung der Demokratie durch sogenannte Radikale im öffentlichen Dienst herbeibeschworen. Auch der letzte Verfassungsschutzbericht versucht mit geschönten Zahlen und Halbwahrheiten den Eindruck zu erwecken, daß nur eine winzige Zahl von „Verfassungsfeinden" vom „Radikalenerlaß" betroffen seien, die übergroße Mehrheit der treuen Staatsbürger davon aber überhaupt nicht berührt würden. Das tatsächliche Ausmaß der Ermittlungen (etwa die Zahl der Anhörungsgespräche) wird dabei verschwiegen, über die – beabsichtigten - einschüchternden Wirkungen auf engagierte , kritische junge Bürger wird kein Wort verloren.

• Die „Regelanfrage" über Bewerber im öffentlichen Dienst wird mit einem oberflächlich einleuchtenden Argument gerechtfertigt: Wenn schon „Verfassungsfeinde" ausgesondert werden müßten, dann sei es nur gerecht, alle in gleicher Weise zu überprüfen. In seinen Auswirkungen wie in seiner Grundhaltung ist dieser formale Gerechtigkeitsbegriff demokratiefeindlich, geht er doch von einem grundsätzlichen Mißtrauen des Staatsapparates gegenüber seinen Bürgern aus, statt grundsätzlich der Loyalität der Bürger zu vertrauen.

• Vom unangreifbar selbstgerechten Standpunkt des entschlossenen Verteidigers der angeblich bedrohten Demokratie aus können Grundsätze eben dieser Demokratie bedenkenlos geopfert werden: Rechtsstaatliche Grundsätze werden vom unbedingt zu wahrenden Prinzip zum fallweise einzusetzenden oder auch zu mißachtenden Staatsschutzinstrument; Rechtsansprüche von Bürgern gegenüber dem Staat werden souverän beiseite gewischt, wenn es um den Schutz eben dieses Staates vor einer Gruppe seiner Bürger geht (s. die Strauß-Worte im Landtag und vor der CDU/CSU-Fraktion). Pluralismus, auch in Bayerns Schulen bislang als Basis der bundesdeutschen Demokratie gelehrt, wird nun gefährlich, weil er den Bürgern keinen „Halt" gewährt, einen Halt, den offenbar von oben dekretierte und mit allen Mitteln der Staatsmacht durchgesetzte „Werte" bieten sollen. Meinungsstreit und Meinungsvielfalt, die Chance und die Notwendigkeit, sich eigenständig eine eigene Meinung zu bilden, damit natürlich auch die Möglichkeit, eine vom Standpunkt der jeweiligen Regierung abweichende Haltung einzunehmen - dies alles, vom Bundesverfassungsgericht oft als Wesensmerkmal der FDGO bezeichnet, paßt in das autoritäre Denken der bayerischen selbsternannten Demokratieverteidiger nicht mehr; unausgesprochen, aber logisch zwingend, wird damit einer autoritären Staatsverfassung das Wort geredet, getragen von funktionierenden Untertanen und verwaltet von willfährigen Schreibtischtätern, die treu dem Wilhelminischen Kaiserreich ebenso wie der Weimarer Republik, dem NaziRegime ebenso wie dem Freistaat Bayern dienen können.

• Kritik, ebenfalls ein Wesensmerkmal der Demokratie, ist, wenn es um Ideologie und Praxis des bay. Demokratieschutzes geht , nicht einfach nur ein lästiges Übel. Sie wird vielmehr zum Bestandteil eben jener Gefahr, von der der Staat so verbissen verteidigt wird. Damit nimmt das permanente Bedrohungsdenken geradezu wahnhafte Züge an : Die bayer. Staatsregierung sieht sich von einer internationalen Verschwörung umgeben, die vom „Weltkommunismus" inszeniert und ferngesteuert wird . Selbst Bitten der Bundesregierung um Informationen über die bayer. Berufsverbotspraxis werden nicht mehr beantwortet, sondern reflexhaft abgewehrt als Teil einer kommunistisch gesteuerten Diffamierungsstrategie. Zum Beteiligten oder mindestens zum „nützlichen Idioten" der Verschwörung wird schließlich potentiell jeder, der sich nicht völlig mit der harten Haltung der CSU-Landesleitung identifiziert.

In alarmierender Weise ignoriert die Bayerische Staatsregierung die Gefahr, die der Demokratie durch das Anwachsen des Rechtsradikalismus entsteht. Wie sonst könnte der bayerische Innenminister Gerold Tandler nur wenige Monate nach dem blutigen Terroranschlag während des Oktoberfestes 1980 im Mai 1981 im Verfassungsschutzbericht der Staatsregierung erklären:

„ Wie im Vorjahr verfolgten die rechtsextremen Organisationen und Gruppen keine einheitliche Strategie. Organisatorische Zersplitterung, das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel, der Mangel einer geschlossenen Ideologie, Gruppen- und Führungsstreitigkeiten sowie entschiedene Ablehnung durch die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ließen den Rechtsextremismus in Bayern keinen größeren Einfluß gewinnen. "

Ein Schlaglicht auf die Selbstgerechtigkeit der Staatsregierung und der sie tragenden CSU ist die Äußerung des CSU Abgeordneten Richard Hundhammer, der die bayerische Praxis des Extremistenbeschlusses der Ministerpräsidenten „ein rechtsstaatliches Verfahren, wie es nirgendwo sonst auf der Erde praktiziert wird" nannte. (SZ vom 8.12.1979).