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Die Entwicklung der Rechtsprechung (14 S.)

Mit Beginn der Behördenpraxis nach dem sog. „Radikalenerlaß" beginnt in der Bundesrepublik eine allgemeine Rechtsunsicherheit. In Zeitabständen bis zu mehreren Jahren nach dem 28.01.1972 haben die Länderregierungen unter Berufung auf diesen Beschluß eigene Ausführungsverordnungen erlassen, die unterschiedliche Praktiken der Einstellungsbehörden zur Folge hatten. Auch die Bundesregierung erließ für ihren Bereich Ausführungsbestimmungen.

In Bayern wurde von Beginn an die rigideste Praxis bei reaktionärster Auslegung der Beamtengesetze geübt, von der Verpflichtung der Staatsschutzbehörden ausdrücklich bei „der Einstellung von Bewerbern für den Öffentlichen Dienst" (Regelanfrage) bis zur Prüfung der sog. „Treuepflicht" bereits vor Ableistung eines Vorbereitungsdienstes, also des letzten Teils der Berufsausbildung.

Entsprechend unterschiedlich entwickelte sich die danach folgende Spruchpraxis der Verwaltungsgerichte der Länder, der Arbeitsgerichte und schließlich der Disziplinarkammern.

Während in Bayern in der überwiegenden Zahl der Rechtsverfahren der Freistaat Bayern - wegen seiner unbelehrbar restriktiven Rechtsauslegung, wegen seiner rechtswidrigen Praktiken und wegen seiner hohen Verfahrensfehlerquote - in den meisten Fällen unterlag, konzentrierte sich die Rechtssprechung im Bundesgebiet zunächst auf die Fälle der Mitgliedschaft in Parteien, z.B. der DKP, die von den Einstellungsbehörden als „verfassungsfeindlich" - nicht zuletzt aufgrund der Einschätzung durch die Verfassungsschutzberichte der Regierungen - bezeichnet wurden.

Die Auffassung der Einstellungsbehörden ist dann zuerst vom Bundesverwaltungsgericht in den Fällen Lenhart und Eisinger bestätigt worden.

In einem Verfahren eines Rechtsreferendars befaßte sich am 22.05.75 auch das Bundesverfassungsgericht erstmalig mit der neueren Praxis des „Radikalenerlasses":

 

2.1. Entscheidung des Bundesverfassungssgerichts

 

Bundesverfassungsgerichts-Entscheid vom 22. Mai 1975: Leitsätze

1. Es ist ein hergebrachter und zu beachtender Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz), daß den Beamten eine besondere ,politische Treuepflicht gegenüber dem Staat und seiner Verfassung obliegt.

2. Die Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung, auch soweit sie im Wege einer Verfassungsänderung veränderbar ist, zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere in der beruflichen Tätigkeit dadurch, daß der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im übrigen uninteressierte, kühle innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, daß er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Vom Beamten wird erwartet, daß er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt. Politische Treuepflicht bewährt sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen ist, daß der Beamte Partei für ihn ergreift.

3. Bei Beamten auf Probe und bei Beamten auf Widerruf rechtfertigt die Verletzung der Treuepflicht regelmäßig die Entlassung aus dem Amt.

Bei Beamten auf Lebenszeit kann wegen dieser Dienstpflichtverletzung im förmlichen Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden. ··

4. Es ist eine von der Verfassung (Art. 33 Abs. 5 GG) geforderte und durch das einfache Gesetz konkretisierte rechtliche Voraussetzung für den Eintritt in das Beamtenverhältnis, daß der Bewerber die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.

5. Der Überzeugung, daß der Bewerber die geforderte Gewähr nicht bietet, liegt ein Urteil über die Persönlichkeit des Bewerbers zugrunde, das zugleich eine Prognose enthält und sich jeweils auf eine von Fall zu Fall wechselnde Vielzahl von Elementen und deren Bewertung gründet.

6. Die sich aus Art. 33 Abs. 5 GG er-gebende Rechtslage gilt für jedes Beamtenverhältnis, für das Beamtenverhältnis auf Zeit, für das Beamtenverhältnis auf Probe und für das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.

7. Wenn auch an die Angestellten im öffentlichen Dienst weniger hohe Anforderungen als an die Beamten zu stellen sind, schulden sie gleichwohl dem Dienstherrn Loyalität und die gewissenhafte Erfüllung ihrer dienstlichen Obliegenheiten; auch sie dürfen nicht den Staat, in dessen Dienst sie stehen, und seine Verfassungsordnung angreifen; auch sie können wegen ,grober Verletzung dieser Dienstpflichten fristlos entlassen werden; und auch ihre Einstellung kann abgelehnt werden, wenn damit zu rechnen ist, daß sie -ihre mit der Einstellung verbundenen Pflichten nicht werden erfüllen können oder wollen.

8. Ein Teil des Verhaltens, das für die Beurteilung der Persönlichkeit eines Beamtenanwärters erheblich sein kann, kann auch der Beitritt oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sein, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt - unabhängig davon, ob ihre Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt ist oder nicht.

9. Die durch Art. 33 Abs.5 GG gedeckten Regelungen des Beamten- und Disziplinarrechts sind allgemeine Gesetze im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG

10. Es steht nicht im WEiderspruch zu Art. 12 GG, wenn der hergebrachte Grundsatz des Berufsbeamtentums im Beamtenrecht verwirklicht wird, vom Bewerber für ein Amt zu verlangen, daß er die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.

11. Dem Staat steht es frei, einen Vorbereitungsdienst, dessen erfolgreiche Absolvierung Voraussetzung sowohl für den Staatsdienst im Beamtenverhältnis als auch für einen freien Beruf ist, allgemein so zu organisieren, daß er in einem zivilrechtlichen Angestelltenverhältnis oder in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Verhältnis außerhalb des Beamtenverhältnisses abzuleisten ist. Entscheidet er sich für einen Vorbereitungsdienst, der im Beamtenverhältnis zurückzulegen ist, so muß er für diejenigen, für die ein Beruf außerhalb des Staatsdienstes in Betracht kommt, entweder einen gleichwertigen nicht diskriminierenden Vorbereitungsdienst anbieten, der ohne Berufung in das Beamtenverhältnis geleistet werden kann, oder innerhalb seiner beamtenrechtlichen Regelung eine Ausnahmevorschrift vorsehen, die es gestattet, den Vorbereitungsdienst auf Wunsch außerhalb eines Beamtenverhältnisses abzuleisten. Im Hinblick darauf, daß in zunehmenden Maße neben die zweistufige juristische Ausbildung eine einstufige Ausbildung tritt, mag es zur rechtlichen Vereinheitlöichung naheliegen, künftig für alle Juristen die praktische Ausbildung vor der zweiten juristischen Staatsprüfgung innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Rechtspraktikanten-Verhältnis vorzusehen, das kein Beamtenverhältnis ist.

Quelle: „Grundrechte. Die Rechtsprechung in Europa.“ (Europäische Grundrechte-Zeitschrift), 1975, S.398f.

Das Bundesverfassungsgericht hat somit durch die Kompetenzzuweisung der Rechtsfrage „Verfassungstreue" an die Behörden, durch seine undeutlichen und ambivalenten Ausführungen selbst zu weiterem Wildwuchs der Behördenpraxis, zum Abbau rechtsstaatlicher Kontrollmöglichkeiten und zur Verselbständigung der bereits entstandenen rechtwidrigen Entwicklung beigetragen.

Insbesondere durch seine unterlassene Rechtsgüterabwägung zwischen den Geboten des Grundgesetzes selbst, etwa Art. 33 (hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums) einerseits, und z.B. dem Parteienprivileg des Art. 21 GG und den Grundrechten der Art. 1 - 12 GG andererseits hat es die Regierung ermuntert, die Rechtsfrage der Feststellung von Verfassungstreue zu einer politischen Machtfrage zu nutzen, wie besonders in Bayern festzustellen ist. Dies ist verstärkt worden durch die ungeprüfte Übernahme des vorkonstitutionellen Begriffs der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" in die Rechtssprechung eines modernen demokratischen Verfassungsstaats. (Die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" sind in Deutschland vom preußischen Absolutismus geprägt worden: Für die Alimentationspflicht des Staates wurde und wird als Gegenleistung die uneingeschränkte Treue und Hingabe der Beamten verlangt.)

Damit konnte sich schließlich auch das Bundesverwaltungsgericht später, bei der letztgültigen Rechtssprechung z. Teil auf das BVerfG berufen.

 

2.2. Zwischenstation: Das Gingold-Urteil

Inzwischen hatte erstmals auch ein Oberverwaltungsgericht im Fall des DKP-Mitglieds Silvia Gingold in verfassungsrechtlich untragbarer Weise höchstselbst eine nicht verbotene Partei als „verfassungswidrig" erklärt und sich damit Kompetenzen angemaßt, die nach dem GG ausschließlich dem BVG zustehen. Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juli 1977, AZ: VGH I OE 65 /76, in dem die Nicht-Einstellung der Koll. Gingold in das Beamtenverhältnis auf Probe bestätigt worden war, ist ausdrücklich vom Bundesverwaltungsgericht unterstützt worden: Es verwarf die Revisionsnichtzulassungsbeschwerde der Klägerin am 29 .10.79 als unbegründet.

Gleichzeitig ließ das BVerwG sämtliche Nichtzulassungsbeschwerden des bis dahin unterlegenen Freistaats Bayern in Fällen der Zulassung zu Vorbereitungsdiensten zu mit der lapidaren Begründung, ,,weil die Entscheidung im erstrebten Revisionsverfahren geeignet ist , zu einer weiteren Klärung der Frage beizutragen , in welchem Umfang das Urteil der Einstellungsbehörde über die persönliche Eignung eines Beamtenbewerbers verwaltungsgerichtlich nachprüfbar ist". Damit war der folgende „Schritt in den Unrechtsstaat" vorbereitet:

 

2.3. Wendepunkt zum Unrechtsstaat

2.3.1. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.11.1980

GERICHT LIEFERT GRUNDRECHTE UND POLITISCHE MEINUNGSFREIHEIT DER WILLKÜR DER BEHÖRDEN AUS

Aus der Erklärung des GEW Landesvorstandes vom 13.3.1981:

Am 27. und 28. Nov. 1980 hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes (BVVerwG) in Berlin drei Rechtsschutzverfahren der GEW in der Revision verhandelt und nunmehr die Urteilsbegründungen zugestellt. In allen Fällen hatte das Gericht vorher den Nichtzulassungsbeschwerden des in der Vorinstanz unterlegenen Freistaates Bayern stattgegeben mit der Begründung, es sei zu klären, ,,in welchem Umfang das Urteil der Einstellungsbehörde über die persönliche Eignung eines Beamtenbewerbers verwaltungsgerichtlich nachprüfbar ist ... ". In allen Verfahren ging es um die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für ein Lehramt, also um das Recht auf Ausbildung zu einem Lehrberuf.

Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes lauten:

• In der Sache Maria-Rita Beck ./. Freistaat Bayern wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den VGH zurückverwiesen . Die Entscheidung über die Kosten erfolgt erst nach der Entscheidung des VGH (BVerwG 2 C 38.79) .

• In der Sache Volker Veeser ./. Freistaat Bayern ebenso (BVerwG 2C 37.79)

• In der Sache Sonja Alferi ./. Freistaat Bayern wird die Revision des Freistaates Bayern zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß das Urteil des VGH im wesentlichen lautet : „Es wird festgestellt , daß der Bescheid der Regierung von Schwaben vom 23. September 1975 rechtswidrig gewesen ist". Kostenentscheidung zu Lasten des Freistaates Bayern (BVerwG 2 C 36.79).

Somit ist der Freistaat Bayern in einem Verfahren rechtskräftig unterlegen und in den beiden anderen mit seinem Antrag auf Abweisung der Klagen der Betroffenen nicht durchgedrungen, der VGH wird erneut verhandeln und zu entscheiden haben .

Gleichwohl und trotz einiger positiver Hinweise des B VerwG im Hinblick auf die weiteren Verhandlungen in der II. Instanz erhebt der Landesvorstand der GEW Bayern nach Prüfung des Inhaltes der genannten Entscheidungen schwerste rechtliche und vor allem rechtspolitische Vorwürfe gegen den 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes.

Dabei stützt sich der Landesvorstand auch in der Zitierweise auf das zuerst zugestellte Urteil in der Sache Beck (B VerwG 2 C 38.79), das in den beiden anderen Urteilsbegründungen weitgehend wörtlich zitiert bzw. vom Gericht selbst als die Grundsatzentscheidung bezeichnet wird.

Der wesentliche Inhalt

Die Urteile stellen erklärtermaßen die Antwort des Bundesverwaltungsgerichtes auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 22.5.1975 dar.

Gleichzeitig hat das Bundesverwaltungsgericht versucht, nach fast 10 Jahren Behördenpraxis und einer weitverzweigten Verwaltungs- und Arbeitsgerichts-Rechtsprechung seine Maßstäbe für die Verwaltungsgerichtsbarkeit verbindlich zu setzen.

Nicht zuletzt aufgrund der Beteiligung des Oberbundesanwaltes und einer sorgfältigen Vorbereitung und Vertretung durch die Anwälte der GEW ist der Versuch des Gerichtes, endgültig verbindliche und die Rechtsprechung völlig lähmende Normen zu formulieren, wenigstens teilweise gescheitert.

Das Ergebnis ist trotzdem juristisch wie auch rechtspolitisch verhängnisvoll. Es muß als die bisher weitestgehende Ausschöpfung der durch das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 22.5.1975 den Einstellungsbehörden eingeräumten Freiräume bezeichnet werden, die diese gegenüber dem Rechtsschutz der Beamtenbewerber jemals hatten.

So heißt es z.B. in dem Urteil Beck:

»Unerlaubte Kritik«

Die Pflicht zur Verfassungstreue sei „ein hergebrachter Grundsatz" des Berufsbeamtentums i.S. des Art. 33 Abs. 5 GG (nicht neu, so schon BVerfGE 39, 346 ; hier darf man wohl eine Warnung vor beabsichtigten Gesetzesänderungen sehen).

Aber jetzt erfolgt eine Verschärfung durch Zitat aus BVerwGE 55, 232, welches sich seinerseits auf BVerfGE 39,347 bezieht: Kritik muß „sachlich" sein, so soll es z.B. für die Ablehnung eines Bewerbers ausreichend sein, wenn „Grenzen einer sachlichen Kritik an Erscheinungen des Staates" überschritten werden (S. 15). Im Klartext heißt dies, die Kritik darf das von dem Einstellungsbeamten definierte „Augenmaß" nicht überschreiten.

>>Zukunftsprognose«

Bei „Gewährbieten" wird betont, daß es um die Zukunft geht (S. 12); es folgen dann Ausführungen zu „berechtigten Zweifeln" und „geeigneten Umständen": diese liegen vor

,, . .. wenn der Beamtenbewerber Anlaß zu der ernsten Besorgnis gibt, daß er aus seiner politischen Überzeugung auch nach seiner Berufung in das Beamtenverhältnis Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten , für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten ziehen wird .. . " (S. 14) Hervorhebungen durch die GEW

»Zweckbündnisse«

Zweckbündnisse mit linksextremistischen, kommunistischen Organisationen können angesichts der für einen Beamten gebotenen Distanzierung jedenfalls bei einem wiederholten, gleichgerichteten und fortgesetzten Verhalten als Beurteilungselemente bedeutsam sein. Doch nicht nur diese:

,, ... das aktive Eintreten für eine Vereinigung, die nicht nur der Verfassungsordnung widerstreitende, sondern in nicht nur untergeordnetem Maße auch politische Ziele verfolgt, die auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen, kann zunächst in der Regel nur Anlaß zu weiteren Ermittlungen des Dienstherrn geben, aber unter Berücksichtigung weiterer Verhaltensweisen des Beamtenbewerbers ebenfalls Zweifel rechtfertigen ... " (S. 15)

>>Anhörung<<

Die persönliche Anhörung sei „wichtig", dabei habe der Bewerber eine „besondere Mitwirkungslast" (S. 17), die Zweifel der Behörde auszuräumen. In der Praxis haben sich diese Anhörungen jedoch bisher stets als Gesinnungsverhöre erwiesen. Der Bewerber hat dabei keinerlei Einfluß auf die subjektive Interpretation und Gewichtung seiner Aussagen durch den Einstellungsbeamten.

>>Beurteilungsermächtigung<<

Maßgebend sei schließlich die Überzeugung des Dienstherrn (S. 18), dem - ohne Begründung - eine „Beurteilungsermächtigung" zugebilligt wird, mit beschränkter Überprüfungsmöglichkeit für die Verwaltungsgerichte (S. 19): „Die Grenzen. ..sind fließend", ähnlich S. 20:“,Es fällt ins Gewicht, daß das prognostische Urteil .. . stärker als bei anderen Beurteilungen verrechtlicht ist".

Es folgen gemäß der „Stufentheorie" Anweisungen für die Praxis (S. 20 ff):

1. Die Beurteilungselemente selbst, auf die der Dienstherr seine Zweifel stützt, können (als zum Sachverhalt gehörend) in vollem Umfang vom Verwaltungsgericht tatsächlich überprüft werden.

2. Voll überprüfbar sind auch die Fakten, die geeignet sind, die Zweifel zu zerstreuen - eine geltend gemachte „verfassungskonforme innere Einstellung" aber nur insoweit, ,,als sie durch Rückschlüsse aus konkreten äußeren Vorgängen festgestellt werden kann" (S. 22).

>>Glaubwürdigkeit<<

Die Glaubwürdigkeit als Teil der Persönlichkeitsbeurteilung bleibt dem Dienstherrn vorbehalten (S. 22). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (S. 24): Zwar fordert das Gericht den Dienstherrn auf, ,,nach Ermittlung der für und gegen den Bewerber sprechenden Umstände die Persönlichkeit umfassend zu würdigen", es entzieht aber das Ergebnis dieser Würdigung der gerichtlichen Nachprüfung.

Es folgen Lippenbekenntnisse zu „Jugendsünden" (S. 24), relativiert durch den „Summeneffekt" (S. 25); Lippenbekenntnisse auch zu „vorläufiger" Beurteilung für den Vorbereitungsdienst (S. 25).

>>Zeitpunkt<<

Wichtig ist, daß maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung nicht die letzte mündliche Verhandlung, sondern der Zeitpunkt der „Entscheidung des Dienstherrn" (S. 26) sein soll - überprüft werden können also (nur) die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden „Erkenntnismittel"! Ergeben sich neue „Erkenntnismittel", so ist ein erneuter Antrag des Bewerbers auf Einstellung erforderlich.

>>Vorbereitungsdienst<<

In den Urteilsbegründungen finden sich zwar Hinweise auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 22.5.1975, sie berücksichtigen aber in keiner Weise die Besonderheiten der Übernahme in den Vorbereitungsdienst (lt. BVerfG genügt eine „vorläufige Beurteilung", weil der „Schwerpunkt" für die Beurteilung der Verfassungstreue im Vorbereitungsdienst selbst liegt) und seine besondere Problematik : Für den Rechtsanspruch der Bewerber sind die Hinweise des Bundesverwaltungsgerichtes letztlich bedeutungslos, weil der Beurteilungszeitpunkt und die Entscheidung der Behörde im alleinigen Ermessen des Einstellungsbeamten liegen.

Völlig unberücksichtigt bleibt der vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Anspruch auf Ableistung des Vorbereitungsdienstes. Somit bringen diese Entscheidungen im Hinblick auf den Vorbereitungsdienst eine gravierende Verschärfung, die mit dem Grundgesetz nicht in Einklang steht.

,, ... Wie den vorangehenden Erörterungen zu entnehmen ist, sind für die Entscheidung des Dienstherrn die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel maßgebend. Das Gericht, das die Eignung des Bewerbers nicht selbst beurteilen darf, ist auf die Überprüfung der zu jenem Zeitpunkt von dem Dienstherrn getroffenen Beurteilung beschränkt. Ob sie sich zu einem späteren Zeitpunkt als unzutreffend erweist , könnte allenfalls in einem neuen, weiteren Einstellungsverfahren von Bedeutung sein . .. " (S. 26).

>>Die Verschärfungen<<

• Mit der Festschreibung der „Beurteilungsermächtigung" sind die Möglichkeiten einer gerichtlichen Kontrolle erheblich reduziert. Es muß festgestellt werden, daß der entscheidende Begriff der „Beurteilungsermächtigung" für diesen Bereich eine - nicht näher begründete - ,,Erfindung" des Bundesverfassungsgerichtes ist und die nunmehr daraus abgeleiteten Konsequenzen nach Auffassung der GEW gegen Art. 3 Abs. 3, Art.19, Abs. 4 und Art . 33, Abs. 2 des GG verstoßen.

„... ,,Zweifel an der Verfassungstreue" hat dabei nur den Sinn, daß der für die Einstellung Verantwortliche im Augenblick seiner Entscheidung nach den ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht überzeugt ist, daß der Bewerber seiner Persönlichkeit nach die Gewähr bietet, nach Begründung·eines Beamtenverhältnisses jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten . . . " (S. 12).

,, ... Wenn sich nachträglich diese Prognose erwartungswidrig als unrichtig erweist oder sich nachträglich die Sachlage ändert, so wird eine ablehnende Entscheidung deshalb nicht rechtswidrig . . .' (S. 12 und S. 13).

• Entscheidender Zeitpunkt für die Überprüfung ist die Entscheidung des Dienstherrn (S. 26); alles, was danach an „ Erkenntnismitteln" kommt, kann „allenfalls" zu einem neuen Einstellungsverfahren führen (s.o.) - ein absurdes Ergebnis: Die Folge sind zwei, drei oder vier Einstellungsverfahren und möglicherweise ebensoviele Rechtsverfahren .

Das Gericht darf die Eignung nicht aufgrund eines eigenen prognostischen Werturteils über die Persönlichkeit des Bewerbers abweichend vom Dienstherrn selbst festhalten. Dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wird vorgeworfen, er habe sich selbst einen „aus ihrem Verhalten gewonnenen Eindruck über die Persönlichkeit der Klägerin" gebildet und das Ergebnis dieses eigenen Eindruckes an die Stelle des von der Einstellungsbehörde gewonnenen gesetzt .. . " (Urteil Alferi, S. 9).

• Die verfassungskonforme innere Einstellung des Bewerbers soll nur noch dann geeignet sein, die Zweifel der Behörde zu zerstreuen, wenn „sie durch Rückschlüsse aus konkreten äußeren Vorgängen festgestellt werden kann" (S. 22). Dies hält aber das Gericht selbst im Normalfall für nicht möglich.

,, . . . Das bloße Haben einer Überzeugung, die bloße Mitteilung, daß man diese habe, das kritische Informieren, etwa das Lesen rechtsextremistischer oder kommunistischer Literatur, oder die Anwesenheit bei einer Demonstration für mit der Verfassung nicht ohne weiteres vereinbare Zielsetzungen und Kritik im Rahmen der Verfassung gehören für sich allein unter anderem ebenfalls nicht zu derartigen Umständen. * Diese liegen erst vor, wenn der Beamtenbewerber Anlaß zu der ernsten Besorgnis gibt, daß er aus seiner politischen Überzeugung auch nach seiner Berufung in das Beamtenverhältnis Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland , für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten ziehen wird (vgl. BVerfGE 39, 334 (351)) . . . " (S. 14).

Durch die Konstruktion des „S u m m e n e f f e k t e s" (S. 25) wird nunmehr die Rechtsprechung des BVerfG in diesem Punkt geradezu ins Gegenteil verkehrt:

,, . . . Auf der anderen Seite können mehrere Elemente, die je für sich ein negatives Urteil nicht stützen könnten , in ihrer Gesamtheit rechtserhebliche Zweifel auslösen ( ,,Summeneffekt" vgl. Urteil vom 31.1.1980 - BVerwG 2 C 5.78 - (a.a.O)). In diesem Zusammenhang kann auch ein Zweckbündnis mit rechts- oder linksextremistischen Organisationen , das für sich allein in der Regel erst Anlaß zu weiteren Ermittlungen geben wird , bedeutsam sein . . . " (S. 25) *

*Hierzu hat aber das BVerfG in seinem Beschluß am 22.5.1975 ausgeführt:

,, . . . Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, daß man diese habe, ist niemals eine Verletzung der Treuepflicht , die den Beamten auferlegt ist ... " (EuGRZ vom 30.7 .1975, S. 404)

• Bei „Zweckbündnissen" sind die Anforderungen an die notwendige „Distanzierung" (Urteil Veeser S. 30) verschärft worden, bei einem „wiederholten, gleichgerichteten und fortgesetzten Verhalten".

,, .. . Das aktive Ein treten für eine Vereinigung, die nicht nur der Verfassungsordnung widerstreitende , sondern in nicht nur untergeordnetem Maße auch politische Ziele verfolgt , die auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen , kann zunächst in der Regel nur Anlaß zu weiteren Ermittlungen des Dienstherrn geben, aber unter Berücksichtigung weiterer Verhaltensweisen des Beamtenbewerbers ebenfalls Zweifel rechtfertigen (vgl. hierzu Fürst, GKÖD I, K § 7 Rz 12 e ). In jedem Falle kommt es auf die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers und auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an.

,, .. . Auch wer die dargestellten Grenzen einer sachlichen Kritik an Erscheinungen des Staates überschreitet , muß es sich gefallen lassen , daß an seiner Bereitschaft, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten , gezweifelt werden kann (BVerwGE 55, 232 (240)) . . . "(S. 15).

• Während es in dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7.1.1980 (DÖD 80, 84) noch heißt, die Frage, ob die Zweifel der Behörde an der Verfassungstreue des Bewerbers berechtigt seien, sei eine „Rechtsfrage", fehlt jetzt eine entsprechende Feststellung, obwohl sich ansonsten das B VerwG in langen Passagen selbst zitiert .

Die Feststellung, daß der Beamtenbewerber ein „Verfassungsfeind" ist und daß er darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen (vgl. aber zu der andersartigen Rechtslage bei einem Vorbereitungsdienst außerhalb des Beamtenverhältnisses BVerfGE 46, 43), ist zur Verneinung der Gewähr der Verfassungstreue nicht erforderlich. Dasselbe gilt für die Feststellung, daß der Beamtenbewerber tatsächlich künftig seine Treuepflicht nicht erfüllen wird. Diese ist auch kaum möglich, weil menschliches Verhalten nicht sicher vorherbestimmbar ist. Wenn sich nachträglich die Sachlage ändert, so wird eine ablehnende Entscheidung deshalb nicht rechtswidrig . .. " (S. 12 und 13).

 

Kritik der GEW

Besonders folgenschwer ist nach Überzeugung der GEW die aus dem Urteilstext sprechende Ignoranz des Gerichts gegenüber dem Auftrag des Grundgesetzes zur rechtsstaatlichen sozialen Demokratie und das vordemokratische Verständnis der sog. „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums".

Einerseits zitiert das Gericht auf S. 9 unter dem Begriff der Treuepflicht im Kern die Verfassungstreuepflicht gern. Der Rechtsprechung des BVerfG mit den Grundprinzipien:

• Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten

• Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung

• Volkssouveränität

• Gewaltenteilung

• Verantwortlichkeit der Regierung

• Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

• Unabhängigkeit der Gerichte

• Mehrparteiensystem

• Chancengleichheit für alle politischen Parteien

• Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition.

Andererseits muß sich das Gericht angesichts gravierender Formulierungen im Urteilstext fragen lassen, ob es nicht gerade diese Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die es zu schützen hat, der vorkonstitutionell verstandenen „Notwendigkeit einer intakten, loyalen, pflichttreuen Beamtenschaft" geopfert hat.

Denn es grenzt die so definierte Beamtenschaft wie eine Kaste aus der Gesamtheit aller Staatsbürger, dem Volkssouverän, aus.

Einschätzung durch die GEW

1. In den vorliegenden Urteilen hat das Bundesverwaltungsgericht nach Meinung der GEW die reaktionärsten Elemente der bisherigen Rechtsprechung zum sog. „Radikalenerlaß" zusammengefaßt und durch Urteile zum geltenden Recht erklärt. Durch die Einführung der „Beurteilungsermächtigung" der Einstellungsbehörde bei gleichzeitiger Einschränkung des Rechtsschutzes der Betroffenen sieht die GEW in diesen Urteilen einen zentralen Angriff auf tragende Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

2. Diese Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes stellen den teilweise gescheiterten Versuch dar, die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum sog. „Radikalenerlaß" vom 28.1.1972 zu vereinheitlichen. Weder ist durch die beliebig auslegbaren Formulierungen eine einheitliche Gerichtspraxis zu erreichen, noch ist den Behörden zwingend eine Richtschnur für ihre Entscheidungen gegeben worden.

3. Die Urteile weiten die mögliche Willkür bei der Einstellungspraxis in den öffentlichen Dienst erheblich aus und beschränken gleichzeitig die Möglichkeiten der gerichtlichen Kontrolle, und zwar in einem entscheidenden Maße. Damit ist ein Wendepunkt in der Rechtsprechung zu dem sog. „Radikalenerlaß" eingetreten.

4. Dieses Urteil hat wesentliche Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Hinblick auf Bewerber für den öffentlichen Dienst außer Kraft gesetzt. Es hat die Frage der Feststellung, ob ein Bürger ein Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung („Verfassungsfeind") ist oder nicht - die eine Verfassungsfrage, also eine Rechtsfrage ist - zur reinen Machtfrage verkommen lassen. Damit ist ein Schritt in den Unrechtsstaat getan.

5. Diese Urteile sind geeignet, Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Verwaltung, in die Garantie des Rechtsschutzes der Bürger gegenüber der Verwaltung und in die politische Unabhängigkeit der Gerichte zu zerstören. Das Bundesverwaltungsgericht macht sich mitschuldig, wenn junge Menschen kein Vertrauen in den Rechtsstaat gewinnen können.

6. Diese Urteile negieren eine zweihundert Jahre alte demokratische Tradition auf dem europäischen Kontinent. Sie opfern wesentliche Grundrechte der Bürger einem vorkonstitutionellem Verständnis „hergebrachter Grundsätze des Berufsbeamtentums". Dadurch wird die Verfassung ausgehöhlt und somit ein Fundament dieses Staates untergraben.

 

2.3.2. Erste Auswirkungen des Bundesverwaltungsgerichtsurteils

Nach sieben Jahren Rechtsstreit: endgültige Ablehnung

Der 3. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes wies am 4.1.1981 die Berufungsklage des Nürnberger Lehrer Volker Veeser auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volkschulen zurück; Veeser muß die Kosten der Berufung und Revision tragen. Die Revision gegen das Urteil wurde ausdrücklich nicht zugelassen.

Die Bezirksregierung von Schwaben hatte im August 1976 den Antrag Veesers auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst abgelehnt. Gegen diese Entscheidung legte der Lehrer Berufung ein. Am 20.05.1977 verurteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Freistaat Bayern, in der Sache neu zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten. Bayern ging dagegen in Revision. Das Bundesverwaltungsgericht entsprach dem Antrag und ordnete beim Verwaltungsgerichtshof in München eine neue Berufungsverhandlung an.

In seiner Entscheidung erklärte der 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofes, man habe nach der Zurückverweisung ermitteln müssen, ob und gegebenenfalls welche äußeren Umstände vorliegen, „die die Grundlagen der Eignungsprognose des Dienstherrn in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten . . . Solche Umstände konnte der Senat nicht ermitteln". Aufgrund der Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts sah sich der Senat veranlaßt, seinen  früheren Rechtsstandpunkt zu ändern. Es komme ihm jetzt nicht darauf an, ob er selbst die Verfassungstreue des Klägers nach den festgestellten Tatsachen ebenso beurteilen würde wie bei Behörden; ,,denn eine solche eigene Beurteilung der Verfassungstreue des Bewerbers ist den Verwaltungsgerichten verwehrt ."

 

Trotz Bundesverwaltungsgerichtsurteil unterlag der Freistaat Bayern vor dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Fall der Kollegin Maria-Rita Beck.

Kurzmitteilung über die Entscheidungsgründe in der Verwaltungsstreitsache Maria-Rita Beck gegen den Freistaat Bayern wegen Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen (Urteil vom 11. November 1981 ).

Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.

Im Jahre 1976 lehnte die Regierung von Schwaben die Zulassung der Klägerin zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen wegen erheblicher Zweifel an deren Verfassungstreue ab. Für die Entscheidung seien folgende Verhaltensweisen der Klägerin wesentlich:

1. Sie habe zumindest bis Ende 1974 mit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und dem Kommunistischen Studentenverband (KSV) in Verbindung gestanden.

2. Sie sei im Rahmen des „Raith-Komitees" aktiv in Erscheinung getreten.

3. Sie habe am 6.10. 1974 mit einem Bekannten Wahlplakate für die KPD an einen Plakatständer aufgeklebt.

4. Sie habe am 12.10.1974 an einem Aufzug des „Anti-Strauß Komitees" teilgenommen, der sich gegen den Bundesparteitag der NPD gerichtet habe.

5. Auf einer am 20.10.1974 abgesandten Postkarte an den Ermittlungsrichter habe sie „schärfstens gegen die unrechtmäßige Inhaftierung der 4 Antifaschisten Hans M .... " protestiert und habe deren Freilassung gefordert; Hans M., KPD Mitglied, sei anläßlich einer gewaltsam verlaufenden politischen Demonstration festgenommen worden.

6. Sie habe am 18.11. 1974 an einer vom KSV veranstalteten Omnisbusfahrt zur Beisetzung des Terroristen Holger Meins ebenso wie an dessen Beerdigung selbst teilgenommen.

Ihre Einlassung beim Einstellungsgespräch, sich zwischenzeitlich von den vorerwähnten politischen Organisationen gelöst zu haben, könne nicht als glaubwürdig angesehen werden.

Auf die Revision des Beklagten hin hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27.11. 1980 die Entscheidung des Bayer. VGH vom 28.7. 1978 aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. In diesem zurückverweisenden Urteil des BVerwG ist ausgeführt, daß - im Gegensatz zur Beurteilung durch den VGH - die von der Behörde angeführten, gleichgerichteten Verhaltensweisen der Klägerin - ihre Richtigkeit unterstellt - jedenfalls in ihrer Gesamtheit (,,Summeneffekt" ) „nicht generell ungeeignet" seien , ,,berechtigte Zweifel des Dienstherrn an ihrer Verfassungstreue" auszulösen. Der VGH hatte nach dem zurückweisenden Urteil zu ermitteln , ob das „ Raith -Kommitee" der Verfassungsordnung widerstreitende Ziele verfolgte und ob und gegebenenfalls welche (äußeren) tatsächlichen Umstände vorliegen, die geeignet sein könnten, die der Eignungsprognose des Dienstherrn zugrundeliegenden Beurteilungselemente ,,in einem anderen Licht" erscheinen zu lassen.

Unter dem 5.6. 1981 hat die Regierung von Schwaben der Klägerin mitgeteilt, daß alle ihr gemachten Vorhaltungen im Zusammenhang mit dem „Raith-Komitee" nicht mehr aufrechterhalten werden, daß es aber bei dem Bescheid vom 23.11 . 1976 verbleibe.

Am 10.8. 1981 hat die Klägerin den auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst gerichteten bisherigen Klageantrag fallen gelassen , weil sie einen anderen Beruf als kaufmännische Angestellte angetreten habe und diesen Beruf derzeit nicht aufs Spiel setzen wolle. Andererseits könne sie nicht darauf verzichten die Möglichkeit zu haben, ihren erlernten Beruf weiterzuverfolgen . Sie hat deshalb beantragt, festzustellen, daß der Bescheid der Regierung von Schwaben rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte hat dem Vergleichsvorschlag des Senats zugestimmt und war demgemäß zu der Erklärung bereit, daß er die im Bescheid vom 23.11. 1976 in Verbindung mit dem Schreiben

vom 5 .6 . 1981 angeführten Beurteilungselemente bei einer Entscheidung über ein späteres Einstellungsgesuch der Klägerinnicht mehr verwenden wird . Der Vergleich scheiterte (wohl) an der Frage, in welchem Umfang die Beteiligten die Verfahrenskosten tragen.

Der Senat ist zu der Auffassung gelangt, daß die nach dem Wegfall des Komplexes „ Raith-Komitee" verbliebenen, der Kläger in zur Last gelegten Verhaltensweisen bei der Prognose der Behörde über die Verfassungstreue nicht von hinreichendem Gewicht waren, ernste Besorgnis an der künftigen Erfüllung ihrer Verfassungstreupflicht auszulösen . Die festgestellten Kontakte der Klägerin zu kommunistischen Gruppen, die ihren Niederschlag in ihrer Teilnahme an den Aktionen am 6.12, und 20.1. 1974 sowie am 18.11. 1974 gefunden haben, waren - auch unter Beachtung der Beurteiligungsermächtigung des Dienstherrn - nicht nachhaltig und langfristig genug, um die Zweifel der Behörde an ihrer Verfassungstreue rechtfertigen zu können. Es fehlt an einer sachgerechten Gewichtung der für und gegen die Klägerin sprechenden Umstände, die unter Beachtung der eigenen Erklärungen der Klägerin zu würdigen sind. Zudem hätte die Behörde, die vor ihrer Entscheidung den Sachverhalt hinsichtlich aller für und gegen die Klägerin sprechenden Umstände aufzuklären hat, wenigstens vor Abfassung ihres Schreibens vom 5.6. 1981, mit dem sie die Gründe für ihre ablehnende Entscheidung neu gewichtet hat, die Frage der Glaubwürdigkeit der Klägerin, die sich bereits im Einstellungsgespräch vom Kommunismus distanziert hatte, weiter untersuchen müssen. Zu dieser Zeit war der Behörde die Aussage bekannt, die der neuerlich vom Senat vernommene Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung vom 28.7. 1978 gemacht hatte. Die Bekundigungen dieses Zeugen waren geeignet, die Frage der Glaubwürdigkeit der Klägerin ,,in einem anderen Licht" erscheinen zu lassen, was gleichfalls zur Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids führt.

Auftakt zur „Säuberung" des Beamtenapparats

Mit dem Urteil der Disziplinarkammer des gleichen Bundesverwaltungsgerichts am 29.11.81 gegen den Postbeamten Hans Peter, der nach fast dreißigjähriger Dienstzeit wegen seiner aktiven DKP-Mitgliedschaft aus dem Beamtenverhältnis entlassen wurde, ist die von der GEW befürchtete Entwicklung zum Unrechtsstaat eingetreten . Der Auftakt zu einer Säuberungswelle des Beamtenapparates ist eingeleitet.

,,Wo hat dies begonnen, wo .endet es?''