Vom 17.11. bis 20.11.16 hatte der Landesausschuss der Seniorinnen und Senioren zu einer Bildungsfahrt nach Wien eingeladen. 31 GEW-Senior*innen waren der Einladung gefolgt.
Der erste Programmpunkt war ein Gespräch bei der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (GÖD). Reinhart Sellner, Bereichsleiter für gewerkschaftliche Bildungsförderung, stellte das Bildungs und Ausbildungswesen Österreichs, die aktuellen Probleme und die Positionen der LehrerInnengewerkschaften in der GÖD dar. Es sind nicht nur unterschiedliche Bildungsstrukturen, sondern auch der Sprachgebrauch ist anders. Beispielsweise sind Beamt*innen Pragmatisierte. Alle Menschen im Ruhestand werden als Pensionist*innen bezeichnet. Kollege Sellner machte keinen Hehl aus seiner Unzufriedenheit über das gegliederte Schulsystem Österreichs. Mit seinem sachkundigen Verweis auf Finnland, Südtirol, herrschte schnell Übereinstimmung, in welche Richtung sich Schule entwickeln sollte.
Anschließend zeigte uns Reinhart während einer kleinen Führung durch die Innere Stadt Gebäudeensemble von kultureller, politischer, geschichtlicher Bedeutung.
Sehr sehenswert war die Führung durch die Dauerausstellung „Rotes Wien“ im Waschsalon Nr. 2 des Karl-Marx-Hofes, einer kommunalen Wohnanlage aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Unter Waschsalon darf man sich nicht eine Ansammlung von Waschmaschinen vorstellen, in dem Beziehungen geknüpft werden. Ursprünglich waren hier die Wannenbäder und Duschen bzw. auch das Wasserdepot untergebracht. Die Ausstellung umfasst vier Themenbereiche: - Die Geschichte des „Roten Wien“ von 1919 bis 1934, - kommunaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen, - Vereine im Umfeld der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, - die Fest- und Feierkultur der Wiener Arbeiterbewegung
Angesichts der aktuellen Diskussion um die Rente in Deutschland war das Gespräch beim österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), das von der Kollegin Maria Hajek, die dort für die Pensionist*innen zuständig ist, organisiert wurde, höchst erkenntnisreich. Dinah Djalinous-Glatz, Referatsleiterin für Sozialversicherungspolitik im ÖGB, präsentierte uns das österreichische System der gesetzlichen Pensionsversicherung. Die Finanzierung erfolgt nach dem Umlageverfahren. Arbeiter, Bauern, Selbständige, Angestellte, Beamte zahlen in die Pensionsversicherung ein. Die Differenz zwischen den Beiträgen und dem aktuellen Pensionsaufwand wird aus Steuermitteln aufgebracht. Die Rentenregelung für Langzeitversicherte wird als Hacklerregelung bezeichnet. Hackler ist wieder ein schönes österreichisches Wort und bedeutet: Arbeiter. Es ist nicht bekannt, dass diese Erwerbstätigenversicherung mit höherer prozentualer Beitragsbeteiligung der Arbeitgeber zu einem allgemeinen wirtschaftlichen Zusammenbruch führte. Obwohl das Pensionsniveau relativ gut ist, werden über die österreichischen Medien Stimmen lauter, die für zusätzliche private Altersversorgung werben.
Der Nachmittag führte uns ins Jüdische Museum, ein Museum für jüdische Geschichte, Kultur und Religion in Österreich. Darin befindet sich die permanente Ausstellung: „Unsere Stadt! Jüdisches Wien bis heute“. Die Reise beginnt 1945 und führt bis in die Wiener jüdische Gegenwart. Dargestellt wird der schwierige Weg einer total zerstörten jüdischen Gemeinde, die 1938 noch die größte deutschsprachige und die drittgrößte Europas gewesen war, bis zu ihrer heutigen überschaubaren Größe.
Ein Wienbesuch ohne Heurigen ist schwer vorstellbar. Also haben wir uns das in einem Nussdorfer Lokal auch angetan. Eigentlich passt ja Heuriger und Weihnachtsmarkt nicht unbedingt zusammen.
Nach einer kurzen Einführung durch Edgar Kucharzewski - GEW-Kollege aus Nürnberg - besichtigten wir die Albertina. Dieses Kunstmuseum beherbergt eine der bedeutendsten grafischen Sammlungen der Welt. Es umfasst vier verschiedene Sammlungen (Grafische Sammlung, Foto-, Gemälde-, Architektursammlung) sowie die historischen Prunkräume.
Edgar begleitete uns auch ins Kunsthistorische Museum mit seinen Meisterwerken aus 5000 Jahren. Er erklärte uns nicht nur die Kunstwerke in seiner einfühlenden Art, sondern gab wertvolle Hinweise zum Leben und zum gesellschaftlichen Umfeld des Künstlers. Wertvoll war ebenso sein Rat, nicht zu viele Gemälde an einem Nachmittag zu betrachten.
Vor der Abreise blieb noch Zeit, durch die barocke Schlossanlage Belvedere mit ihren Sammlungen und Wechselausstellungen zu spazieren.
Der Aufenthalt wurde allgemein als sehr angenehm empfunden. Wir haben viele Anregungen mitgenommen, um solch eine Bildungsfahrt nach Wien zu wiederholen.