Mit großer Freude erreichte die GEW Bayern eine Einladung von Frau Prof. Ueffing von der Hochschule für angewandte Wissenschaften München zu einem Fachaustausch mit den Kolleg*innen der Kindergartenlehrergewerkschaft Finnlands (Lastentarhandpettajaliitto – kurz LTOL). Nicht zu Unrecht genießen die skandinavischen Länder den Ruf vorbildlicher Pädagogik und sozialstaatlichen Handelns. Stolz waren unsere Kolleg*innen darauf, dass die finnischen Mädchen „Weltmeister“ bei der Problemlösungskompetenz der PISA Studien wurden. Wie das beim interkulturellen Lernen so ist, bemerkt man schnell, dass die Wirklichkeit komplexer ist.
Zwar haben unserer finnischen Kolleg*innen einen traumhaften Organisationsgrad, eine sehr gute Vernetzung in die Gesetzgebung, ausgefeilte pädagogische Konzepte und vorbildliche Qualifikationsstandards, aber auch an Finnland geht die Krise des aus der Bewegung der Arbeiter*innen heraus erkämpften Wohlfahrtsstaats nicht spurlos vorüber. So berichteten unsere finnischen Kolleg*innen von Eingriffen in Kinderrechte und einer Erhöhung der Gruppengrößen, ohne dass sie als Gewerkschafter*innen in die Verhandlungen darüber einbezogen wurden. Aber dennoch deutet ja schon die Bezeichnung „KindergartenLEHRERgewerkschaft“ an, dass in Finnland die Frühpädagogik selbstredend zum Bereich der Bildung und Schule gehört und sich erfolgreich von der Vorstellung gelöst hat, dass Kinder mehr oder weniger „nur“ erzogen und betreut werden müssen. Selbstverständlich ist, dass in den ersten Lebensjahren ein Bildungsprozess zu unterstützen ist, der durch eine professionelle Didaktik unterfüttert werden muss. Neben allen anderen Anforderungen an professionelles Handeln auf der Höhe von Wissenschaft und Forschung.
Die Forderung der GEW den Bildungsaspekt, in der frühen Kindheit endlich auch durch eine Aufwertung der in der Frühpädagogik tätigen Fachkräfte zu würdigen, wurde durch unsere Kolleg*innen bestätigt.
In Finnland werden die Fachkräfte in Kitas zu einem großen Teil akademisch ausgebildet. Auch dies sei ein langer gewerkschaftlicher Kampf um gesellschaftliche Anerkennung, Wertschätzung und Reputation gewesen – also die Anerkennung dessen, dass es einer wissenschaftlich basierten und professionellen Pädagogik der frühen Kindheit in Industriegesellschaften bedarf, um das Recht auf Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit zu verwirklichen.
Übrigens beziehen die finnischen Kolleg*innen eine deutlich überparteiliche Position. Grundlage Ihrer Arbeit seien eher die Rechte der Kinder als die Rechte des Menschen. Sie würden sich bewusst aus dem parteipolitischen Taktieren heraushalten und gezielt ihre Interessen als Profession vertreten.
Beide Prozesse, die Einbeziehung der Frühpädagogik ins Bildungssystem wie auch die Entwicklung hin zu einer akademischen Qualifikation, seien mit langen Kampagnen gewerkschaftlich unterstützt worden.
Wir von der GEW fanden es sehr schön, bestätigt zu bekommen, dass wir mit unseren Forderungen auf einem richtigen Weg sind.
Amüsiert haben sich unsere Kolleg*innen, darüber, dass auch wir ähnliche Probleme wie sie haben. Auch in Finnland sind die Berufe im Bereich der frühen Kindheit eine Frauendomäne. Auch dort meinen viele Mitmenschen immer noch, dass jeder mit Kindern im außerfamiliären Bereich arbeiten könne. Auch dort ist das Einkommen in den Lehr- und Erziehungsberufen allgemein eher gering, verglichen mit den Berufsfeldern der Produktion. Auch dort würden Männer belächelt, wenn sie in diesem Bereich arbeiten würden. Am schwierigsten scheint es deshalb auch in Finnland zu sein, Stereotype aufzuweichen und Mitmenschen über den Stand der Fachwissenschaften aufzuklären.
Der interkulturelle Austausch war für uns von der GEW sehr fruchtbar und wir hoffen, dass die vielen Fragen, die noch offen blieben, bei einem weiteren Austausch geklärt werden können.
Wir hoffen auch, dass sich der sehr gute fachliche Austausch mit Prof. Ueffing und der Hochschule weiter intensiviert.