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Falschdarstellungen über unsere Nahost-Veranstaltung

Stellungnahme Kreisvorstand Erlangen zu Artikel in Nürnberger Nachrichten

Am 25. Februar 2025 veranstaltete die GEW-Hochschulgruppe an der FAU und der GEW Kreisverband Erlangen eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Wissenschaftliche Perspektiven auf die aktuelle Lage in Nahost“. Drei Monate später erschien in den Nürnberger Nachrichten vom 04. Juni plötzlich und ohne irgendeine Kommunikation mit uns oder unseren Referentinnen ein Artikel, der die Veranstaltung gänzlich falsch darstellt. Im Folgenden nehmen wir dazu Stellung.

Die Veranstaltung wird in dem Artikel als erstes Beispiel für einen erstarkenden Antisemitismus in der Region angeführt. Jedoch vermeidet es der Artikel, der Veranstaltung selbst Antisemitismus vorzuwerfen. Der Vorwurf findet nur durch Assoziation statt.

Stattdessen wird der Veranstaltung unterstellt, “extrem propalästinensisch”, “einseitig” und unwissenschaftlich gewesen zu sein. Eine Begründung für diese Vorwürfe liefert der Artikel leider nicht. Angeführt wird stattdessen eine Zuschauerfrage, die jedoch derart fehlinterpretiert wurde, dass man von böser Absicht ausgehen muss. Denn die im Artikel aus dem Zusammenhang gerissene Frage der Zuschauerin nach “Perspektiven” betraf konkrete Lösungsmöglichkeiten für den Nahost-Konflikt – eine sehr berechtigte und verständliche Frage, aber auch ein Thema, zu dem die Referentinnen keine schnellen oder einfachen Antworten geben können. Denn schließlich war es auch gar nicht der Anspruch unserer Veranstaltung, konkrete politische Lösungen aufzuzeigen. “Perspektiven” verstehen Referentinnen und Veranstalter als “Blickwinkel” auf den Konflikt - und zwar rechtliche, wirtschaftliche und politikwissenschaftliche Perspektiven.

Außerdem wird fälschlicherweise behauptet, der Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 sei lediglich „am Rande erwähnt“ worden. Frau Prof. Dr. Baranowska widmete der Situation der israelischen Geiseln und ihrer menschenrechtlichen Dimension rund die Hälfte ihres Vortrags. All dies hätte der Autor wissen können – sei es durch eigene Anwesenheit bei der Veranstaltung, zu der die Nürnberger Nachrichten eingeladen waren, oder durch eine Rückfrage an uns als Veranstalter oder an die Referentinnen selbst. Auf diese übliche journalistische Praxis verzichtete er jedoch. Offenbar, weil eine ausgewogene Darstellung nicht ins vorgefasste Bild einer vermeintlich antisemitischen Veranstaltung gepasst hätte.

Ohnehin ist das Auffälligste an dem Artikel das, was er auslässt: Im gesamten Text fehlt jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem, was die drei Wissenschaftlerinnen tatsächlich vorgetragen haben. Es gibt keine Zitate aus den Vorträgen, keine sachliche Einordnung der Argumente, keine kritische Analyse der Inhalte. Stattdessen bedient sich der Text vager Urteile, abwertender Formulierungen und pauschaler Zuschreibungen – ergänzt durch die ungeprüfte Wiedergabe externer Stimmen, von denen auch mindestens eine Person bei der Veranstaltung anwesend war und deshalb genau wissen muss, dass die in der NN vorgenommene Darstellung nicht korrekt ist. 

Gerade angesichts des schwerwiegenden, im Artikel nicht direkt ausgesprochenen und doch nahegelegten Antisemitismusvorwurfs wäre eine differenzierte Auseinandersetzung mit den konkreten Inhalten der Veranstaltung journalistisch zwingend geboten gewesen. Wer auf diese verzichtet, wer den internationalen wissenschaftlichen Diskurs zum Thema ignoriert, trägt letztendlich dazu bei, dass der Begriff „Antisemitismus“ zu einer leeren Worthülse verkommt. Dies hat nicht nur für die Wissenschaftsfreiheit, für die Möglichkeit der Diskussion zum gemeinsamen Erkenntnisgewinn fatale Folgen – sondern auch für  für den notwendigen gesellschaftlichen Kampf gegen Antisemitismus, der insbesondere in Krisenzeiten und durch erstarkenden Rechtspopulismus und Faschismus virulent wird.

 

Diese inhaltliche Leerstelle des Artikels ist leider kein Einzelfall. Sie steht exemplarisch für eine Debattenkultur, wie sie rund um den Nahostkonflikt immer häufiger zu beobachten ist: Nicht Argumente werden geprüft, sondern Positionen markiert. Abweichende Sichtweisen werden so nicht diskutiert und dann im Zweifel faktenbasiert kritisiert, sondern als unsagbar etikettiert, delegitimiert und damit letztlich aus dem Diskurs verdrängt.

Neben den bereits beschriebenen Falschdarstellungen der Veranstaltung finden wir es auch äußerst befremdlich, in welches Licht die Veranstalter und Referentinnen gerückt werden. Ohne explizit genannt zu werden, ist es offensichtlich, dass hier die GEW-Hochschulgruppe an der FAU gemeint ist. Den Vortrag einer offiziell anerkannten Gewerkschaftsgruppe zusammen mit Professorinnen der eigenen Universität als Beispiel dafür, “wie sich extremistische Akteure Zugang zu etablierten Institutionen verschaffen” zu nennen, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Die hier suggerierte und später im Text noch offensichtlichere Verwendung der Hufeisentheorie ist brandgefährlich und läuft in letzter Instanz immer auf die Relativierung von rechtspopulistischen und faschistischen Ideologien heraus. 

Im Nachgang der Veranstaltung wurde weder mit der veranstaltenden Hochschulgruppe, noch mit den Referentinnen gesprochen. Auch während des Vortrags selbst gab es keinen artikulierten Widerspruch durch den Sonderbeauftragten gegen Antisemitismus, Prof. Dr. Edzard, oder den Dekan der philosophischen Fakultät, die beide anwesend waren. Dass der im Beitrag genannte Antisemitismusbericht unter anderem von Herr Prof. Dr. Edzard mitherausgegeben wurde, wirft die Frage auf, ob er tatsächlich hinter den dort beschriebenen Vorwürfen steht.

Initiator des Berichts ist der Kulturförderverein “Nordkurve e.V.”. Dieser hat Kontakte zum israelischen Generalkonsulat. Vor diesem Hintergrund erscheint es umso wichtiger, dass der Umgang mit kritischen Positionen zum Nahostkonflikt besonders differenziert und sensibel erfolgt. Jede Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung als antisemitisch zu labeln ist alles andere als der Sache dienlich. Im Gegenteil!

Des Weiteren scheint es so, als wäre für die Erstellung des Berichts interne Kommunikation bzw. interne Daten weitergegeben worden. Sollte dies durch einen Angehörigen der Universität erfolgt sein, wäre das ein zutiefst unkollegiales Verhalten und eines fairen akademischen Umgangs unwürdig. Die Weitergabe von interner Kommunikation und geschützten Daten wäre sogar ein Verstoß gegen geltendes Recht. 

Der im Artikel genannte Bericht über den Antisemitismus in der Metropolregion nennt mehrfach eine der referierenden Professorinnen des Vortrags mit vollem Namen und labelt sie eindeutig mit dem Begriff des Antisemitismus. Diese Art des Umgangs mit unliebsamen (politischen) Gegnern reiht sich ein in eine Reihe von Schmutzkampagnen gegen Kritikerinnen und Kritiker auf dem Niveau einer sich “BILD” nennenden Zeitung und rechter Internetportale. Was zunächst harmlos erscheinen mag, ist ein direkter Angriff gegen die Professorin und verletzt ihre Persönlichkeitsrechte.


Wer drei Monate später einen solchen Artikel veröffentlichen lässt, ohne zuvor ein Gespräch gesucht zu haben, ist unserer Ansicht nach nicht an einem (wissenschaftlichen) Austausch interessiert, sondern will Stimmung machen, um jede Art von kritischen Stimmen und Solidarität mit den palästinensischen Menschen zum Schweigen zu bringen. 
 

Die Nürnberger Nachrichten sind eine Zeitung, die für sich in Anspruch nimmt, alle gesellschaftlichen Kräfte angemessen in ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen. Wir finden es schade, dass ausgerechnet die NN ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht wird und die Betroffenen von harten Anschuldigungen nicht einmal um eine Stellungnahme gebeten hat.

Angesichts dessen wäre eine Entschuldigung und eine Richtigstellung in der Online- und Print-Ausgabe mehr als angemessen.

 

Stellungnahme des Kreisvorstands der GEW-Erlangen.
 

Fragen hierzu gerne an den Geschäftsführer des GEW-Kreisverbandes Erlangen: Jonas Reichenbach
via buero@gew-erlangen.de oder telefonisch unter 09131 206546.