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Bundeswehr sucht Nachwuchs – auch in Bildungseinrichtungen

Soldaten im Klassenzimmer

Der Krieg in der Ukraine führt uns vor Augen, dass Militär- und Sicherheitspolitik keine abstrakten Themen, sondern lebensbestimmend für Alt und Jung sind. K3, Magazin des Kreisjugendrings München, Ausgabe 1/2023, Seite 23.

Foto: Netzwerk Friedenskooperative
Foto: Netzwerk Friedenskooperative

Notwendige Expertise zu komplexen Zusammenhängen der Friedens- und Konfliktforschung wird in diesen Tagen vielfach von Militärs in Uniform erläutert – meist in TV-Talkshows, manchmal aber auch in Schulen. Dabei sollten in Kriegs- wie auch in Friedenszeiten in der demokratischen Erziehung die pädagogischen Grundsätze des Beutelsbacher Konsens von 1976 beachtet werden: Um Lernende in die Lage zu versetzen, sich eine eigene Meinung zu bilden, gilt ein Überwältigungsverbot im Klassenzimmer. Gleichzeitig gilt das Gebot der Kontroversität, demzufolge gegensätzliche Ansichten dargestellt und diskutiert werden müssen. Es stellt sich also die Frage, ob speziell ausgebildete Jugendoffizier*innen der Bundeswehr die geeigneten Lehrkräfte für einen sicherheitspolitischen Exkurs im Sozialkundeunterricht sind oder ob der Karriere-Truck der Bundeswehr wirklich auf die Jobmesse – schlimmer noch auf die Spielemesse „Gamescom“ – gehört, wenn die Seite der zivilen Konfliktforschung dabei außen vor bleibt.

Friedenspolitische Grundsätze leiten sich aus einem humanistischen Bildungsideal und Menschenbild ab. Sie dürfen nicht von der politischen Konjunktur abhängig sein. So bekräftigte die Bildungsgewerkschaft GEW in einer Resolution gegen den Krieg in der Ukraine:

„Die GEW Bayern setzt sich weiterhin für Dialog und friedenspolitische Lösungen ein. Deshalb lehnt die GEW Bayern den Einsatz von Jugendoffizier*innen in Bildungseinrichtungen, wie ihn die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am 7. März 2022 forderte, weiterhin ab. Diese Militärangehörigen sind keine pädagogischen Akteur*innen, sondern treten als Werber*innen für die Bundeswehr auf.“

Bundeswehr raus aus den Klassenzimmern!

Die in den letzten Jahren gesteigerte Präsenz von Militärs im öffentlichen Raum wirkt sich nicht nur auf die Rolle von Fachleuten der Bundeswehr in Talkshows oder im Schulunterricht aus. Auch für Hilfsarbeiten werden Soldat*innen vermehrt herangezogen: Ob in der Hochwasser-Hilfe oder zur Mitarbeit in der Schule bei akutem Mangel an Aufsichtskräften. So wurden an einem staatlichen Gymnasium in der Nähe der Bundeswehr-Universität studentische Offiziersanwärter*innen für „eine Art Praktikum“, so Kultusminister Michael Piazolo, defacto als Vertretungslehrkräfte angestellt. Ihr Einsatz erfolgte nach Informationen der GEW vor allem in den Jahrgangsstufen 5 bis 9.

Die Rekrutierung von Minderjährigen widerspricht den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention. Zu einem Anwerbeverbot bei Jugendlichen unter 18 Jahren haben sich bereits mehr als 150 Staaten weltweit – darunter 23 NATO-Staaten und 21 EU-Länder – verpflichtet. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Bundestags haben die Bundesregierung mehrfach aufgefordert, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben. Bisher ohne Erfolg.