Privatschulen bekommen Corona-Bonus – auch die Lehrkräfte?
Kultusministerium nimmt berufliche Schulen aus und verzichtet auf Kontrolle. UPDATE 15.2.22: Teilerfolg der GEW - nun doch auch für berufliche Schulen (siehe am Ende des Textes)
Die GEW Bayern fordert, dass die Corona-Sonderzahlung von 1.300 Euro auch den Lehrkräften an Privatschulen gezahlt wird: „Dazu sind die Zuschüsse zu den Personalkosten einmalig entsprechend zu erhöhen mit der Auflage, diese Leistung an die Beschäftigten in derselben Form wie an öffentlichen Schulen weiterzugeben.“
Das Kultusministerium will das zwar auch und zahlt deshalb höhere Zuschüsse – aber nur für allgemeinbildende Schulen. Bei beruflichen Schulen sei es „aufgrund der abweichenden Systematik nicht möglich, die Corona-Sonderzahlung bei der Zuschussgewährung einzubeziehen“, schrieb das Ministerium am 24. Januar an die GEW. Ob die Schulen dann auch wirklich eine Sonderzahlung leisten, könne nicht kontrolliert werden und sie seien „schulfinanzierungsrechtlich“ auch nicht dazu verpflichtet. Man habe aber einen Appell an die Privatschulverbände gerichtet. Das reicht der GEW nicht aus – das Geld muss auch bei den Beschäftigten ankommen, auch an den privaten beruflichen Schulen.
Zum Hintergrund: bei der Tarifrunde Länder wurde zwar die nächste Entgelterhöhung von 2,8 % erst für Dezember 2022 festgelegt, aber gleichzeitig eine einmalige steuerfreie Corona-Sonderzahlung von 1.300 Euro (bei Teilzeit anteilig) für März 2022 vereinbart. Für die Beamt*innen übernimmt der Freistaat Bayern beide Regelungen. Zwischen verschiedenen Schularten wird nicht unterschieden und sowohl bei Angestellten als auch bei Beamt*innen ist es ein Rechtsanspruch.
Rechtsanspruch bei privaten Schulen?
Bei Privatschulen wird es nun kompliziert. Eher selten wenden Privatschulen den Tarifvertrag Länder (TV-L) und alle ihn ergänzenden Tarifverträge vollständig an. Manchmal gilt nur ganz oder teilweise die Entgelttabelle, manchmal gibt es auch ganz andere Entgeltsysteme oder nur Einzelvereinbarungen. Die Corona-Sonderzahlung steht in einem extra Tarifvertrag (dort auch die genaueren Bedingungen), der völlig neu ist – die Arbeitsverträge der Privatschulen werden ihn sehr oft nicht einbeziehen.
Staatlich genehmige oder anerkannte Ersatzschulen müssen aber Lehrkräften (nur diesen) mindestens 80 % von dem bezahlen, was das Gehalt beim Staat wäre. Dazu ist nach dem Bundesarbeitsgericht ein Gesamtvergleich nötig, „in den nicht nur das Grundgehalt, sondern alle Vergütungsbestandteile einzubeziehen sind, die im jeweiligen Vergleichszeitraum aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wurden.“ Ausgenommen seien aber reiner Aufwendungsersatz und vermögenswirksame Leistungen. Das Urteil bezieht sich zwar auf Sachsen, in Bayern ist aber die Rechtslage die gleiche. Laut Tarifvertrag ist die Sonderzahlung „eine Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise“. Die GEW meint, das Argument trifft für Lehrkräfte an privaten Schulen ebenso zu, es handelt sich um ein zusätzliches Arbeitsentgelt. Gerichtsurteile zu dieser Frage gibt es natürlich noch nicht. Wenn eine Privatschule schon jetzt nur 80 % des Tarifgehaltes oder nur wenig mehr bezahlt, kann die Grenze durch die Sonderzahlung aber leicht unterschritten werden.
Wie sich die privaten Schulen verhalten werden, bleibt abzuwarten. Uns ist bisher nur bekannt, dass die evangelische Kirche in Bayern bereits eine vollständige Übernahme für alle Angestellten beschlossen hat, wenn für sie die „Kirchliche Dienstvertragsordnung“ gilt – das ist bei evangelischen Schulen sehr oft der Fall. Dann gelten auch die TV-L-Tabellen, die prozentuale Erhöhung erfolgt aber ohne Begründung erst einen Monat später zum 1.1.2023. Bei katholischen Schulen der bayerischen Diözesen richtet sich die Vergütung nach der Beamtenbesoldung – ein aktueller Beschluss zur Corona-Sonderzahlung ist aber noch nicht bekannt.
Bei anderen privaten Schulträgern gibt es keine bayernweiten Entgeltregelungen. Da sollten sich jetzt die Betriebsräte oder auch die Angestellten selbst an den Arbeitgeber wenden. Zumindest bei den allgemeinbildenden Schulen ist die Refinanzierung laut Kultusministerium zugesagt. Aber auch an den beruflichen Schulen gilt der Grundsatz der 80 % im Gesamtvergleich. Ob schon die „Anlehnung an den TV-L“ ausreicht, kann nur anhand des einzelnen Vertrages geprüft werden.
Die GEW hilft
Die GEW bittet ihre Mitglieder und die Betriebsräte an betroffenen Schulen um Mitteilung, was die Arbeitgeber dazu angekündigt haben. Ob ein Rechtsanspruch bestehen könnte, kann die GEW individuell ausschließlich für Mitglieder prüfen. Dazu brauchen wir den vollständigen Arbeitsvertrag, die letzte Gehaltsabrechnung und genaue Angaben zur Qualifikation und zur Berufserfahrung als Lehrkraft. Auch ohne Berücksichtigung der Corona-Sonderzahlung stellen wir dabei oft fest, dass das Gehalt zu niedrig ist.
Sofern eine Sonderzahlung nicht schon tarifvertraglich geregelt ist, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Das bestätigte z.B. das Landesarbeitsgericht Nürnberg: „... ist nicht zweifelhaft, dass ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht kommt, weil durch … (den Arbeitgeber) ein Bonus für eine Vielzahl von Mitarbeitern gewährt worden ist. Insoweit ist zwar nicht das Volumen einer solchen Bonuszahlung, aber die Verteilungsmaßstäbe auf die einzelnen Mitarbeiter mitbestimmungspflichtig.“ (Beschluss v. 21.06.2021 – 1 TaBV 11/21)
Sollte eine Privatschule erst durch das Arbeitsgericht zur Zahlung verurteilt werden, kommt ihr das teuer: die Steuerfreiheit der Corona-Sonderzahlung gilt nur bis zum 31. März. Die Schule müsste dann wohl auch die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und die fällige Lohnsteuer als Schadensersatz übernehmen, bekommt das aber nicht vom Freistaat erstattet. Die GEW empfiehlt den bayerischen Ersatzschulen deshalb, die Corona-Sonderzahlung spätestens am 31. März auszuzahlen und den Beschäftigten das möglichst umgehend zuzusichern. Ob die beruflichen Schulen wegen der Benachteiligung den Staat verklagen können, müssen sie aber selbst klären.
Kontaktadresse: Erwin Denzler