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Positionspapier zum bayerischen Gymnasium

beschlossen durch den Landesausschuss am 13. Juli 2013

Positionspapier zum bayerischen Gymnasium

Nicht erst die Erfahrungen mit der Verkürzung auf acht Jahre zeigen, dass eine grundlegende Neuausrichtung des bayerischen Gymnasiums notwendig ist.

In den Jahrgangsstufen 5 bis 10 (Sekundarstufe I) müssen sich die Rahmenbedingungen für Lehrende und Lernende verbessern (z. B. Senkung der Klassengröße, Lernförderung). Mit dem Ende der Jahrgangsstufe 10 sollte die Sekundarstufe I mit den Anforderungsprofilen des Mittleren Schulabschlusses abgeschlossen werden. Die Doppelfunktion der 10. Klasse als Abschluss der Mittelstufe und Einführungsphase der Oberstufe soll abgeschafft werden. 

In der Oberstufe (Sekundarstufe II) ist eine umfassendere Reform nötig.
Die Sek. II wird in 2 - 4 Jahren durchlaufen. Es gibt eine flexible Einführungsphase der Oberstufe, die übersprungen und z.B. für einen Auslandsaufenthalt genutzt werden kann. Die Qualifikationsphase dauert 2 Jahre. Die Sekundarstufe II endet mit dem Erwerb des Abiturs als allgemeine Hochschulreife.

Ein individuell gestaltetes Curriculum soll mindestens ein frei gewähltes Schwerpunkt-fach mit erhöhter Stundenzahl vorsehen, mit entsprechender Gewichtung in der Gesamtqualifikation. Dabei wird von der Gleichwertigkeit der Fächer ausgegangen. Selbstständiges wissenschaftlich-propädeutisches Arbeiten und gemeinsames Arbeiten an Projekten muss in der Oberstufe ebenfalls gewährleistet sein. Die Teilnehmerzahl aller Kurse sollte auf maximal 17 beschränkt sein.

Es gilt darüber hinaus Konzepte für den Umgang mit der zunehmenden Heterogenität der Schülerinnen und Schüler aufgrund unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft zu entwickeln. Der Übertritt an das Gymnasium ist nicht mehr durch das Übertrittszeugnis  reglementiert, sondern es erfolgt nur eine eingehende Beratung durch die abgebende Schule. Damit wird in der Grundschule nicht mehr für die Prüfungen gelernt, sondern zum individuellen Bildungsaufbau. Der Inhalt wird ins Zentrum gestellt und nicht die Prüfungen und die Noten. Diesen Ansatz gilt es dann im Gymnasium weiter zu verfolgen.    

Damit das neue Gymnasium die gesellschaftlichen Anforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen kann, muss es stärker pädagogisch ausgerichtet werden. Dazu gehört die Organisation als gebundene Ganztagsschule* und die systematische Einrichtung von Schulsozialarbeit. Beratungslehrkräften und SchulpsychologInnen ist eine den Bedarf deckende Arbeitszeit zu geben. Darüber hinaus ist es auch dringend geboten, die Gymnasien für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf als ersten Schritt in Richtung Inklusion zu öffnen. Diese neuen Aufgaben des Gymnasiums erfordern auch ein Umdenken in der LehrerInnenausbildung und im Fort- und Weiterbildungsangebot für Lehrkräfte.

Die oben dargelegte Struktur würde es auch ermöglichen, in Bayern den demographischen Wandel zu bewältigen. Zunächst in der Fläche, dann auch in den Städten könnten Schulen angeboten werden, an denen alle Schulabschlüsse erworben werden können. Der Weg hin zu einer Schule für alle wäre geöffnet.

 Diese Struktur des Gymnasiums könnte damit auch Vorbild für andere Bundesländer sein und der zunehmenden Zersplitterung der Schulstrukturen in Deutschland entgegenwirken.

Neben der Einführung einer geeigneten Struktur für die Gymnasien muss der Schulalltag sofort stärker an den Bedürfnissen der Lernenden und Lehrenden ausgerichtet werden. Das erfordert:

1.     die Umsetzung von pädagogischen Konzepten einschließlich der Ausgestaltung von Freizeitphasen unter Hinzuziehung sozialpädagogischer Fachkräfte;

2.     projektorientiertes Arbeiten und förderorientierte Leistungsbewertung, den Ausbau individueller Fördermaßnahmen, sowie die Abschaffung der Jahrgangsstufentests

3.     Entlastungsstunden für Lehrende, für die Implementierung neuer Konzepte;

4.     die Reduzierung des verpflichtenden Anteils der Lerninhalte und damit die Möglichkeit der Schwerpunktsetzung;

5.     die Stärkung der musischen Fächer im Interesse einer umfassenden Persönlichkeitsbildung.

Eine grundlegende Diskussion über die Bildungs- und Lerninhalte, die seit der Einführung der Kollegstufe an bayerischen Gymnasien 1977 nicht mehr stattgefunden hat, ist endlich zu führen.  

*Die momentan bestehenden Ganztagesschulen entsprechen nicht den räumlichen, personellen und pädagogischen Erfordernissen. Die Arbeitsplatzverordnung muss auch für Lehrkräfte bzw. Schulen gelten.

 

Der Landesausschuss der GEW Bayern, 13. Juli 2013