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Schüler*innen-Feedback – eine gute Methode gerät (fast) unter die Räder

Feedback von Schüler*innen erhalten Lehrkräfte laufend – vor, während und nach dem Unterricht. Laut dtv-Fremdwörterlexikon ist Feedback als „Rückmeldung der anderen auf das eigene Verhalten“ zu verstehen. Alle, die unterrichten, wissen, dass Schüler*innen permanent auf den Unterricht und die Lehrkraft reagieren.

Diese Rückmeldungen werden von den Lehrer*innen wahrgenommen und bedacht. Sie fließen in die Entscheidungen über den weiteren Verlauf des Unterrichts oder die außerunterrichtlichen Aktionen mit ein. Weit verbreitet, aber nicht systematisch behördlich verordnet und kontrolliert, ist das schriftliche Einholen von Feedback mittels eigener Bogen. Bei dieser Form des Feedbacks tritt der zweite Teil seiner Bedeutung in den Vordergrund, nämlich die zielgerichtete Steuerung eines Systems durch Rückmeldung. 

Feedback als Instrument der Steuerung

Auf das Feedback mittels Bogen wurde nun auch das Kultusministerium (KM) aufmerksam. Es entwarf den Modellversuch „Verpflichtendes Schüler-Feedback für Lehramtsanwärter und Studienreferendare“. Dabei liegt der Fokus des KM ausschließlich auf dem zweiten Teil der Definition zu Feedback. Die Möglichkeit der Reflexion über nicht formalisiertes Feedback fehlt in dem Modellversuch.
In einem zweijährigen Schulversuch sollen nun ab dem Schuljahr 2016/17 ca. zehn Prozent aller Referendar*innen und Lehramtsanwärter*innen verbindlich Feedback aus Klassen mit vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) erstellten, aber veränderlichen Bogen einholen. Später soll dies verpflichtend für alle im Vorbereitungsdienst befindlichen Lehrkräfte gelten.
Ein durchaus überlegenswertes Vorgehen, wenn nicht ein entscheidendes Detail im Entwurf zum Modellversuch alle positiven Ansätze zerstört hätte: Vorgesehen war, dass die Referendar*innen das Feedback mit den Seminarlehrer*innen, die ihre Leistungen während des gesamten Referendariats bewerten, besprechen sollten.

Fachgespräch bringt Entschärfung

Nachdem das Modell im Hauptpersonalrat vorgestellt wurde, fand am 18. April 2016 im KM unter der Leitung von Staatssekretär Eisenreich ein Fachgespräch dazu statt. Für die GEW nahmen Kathrin Frieser und Andreas Hofmann daran teil. Wir begründeten nicht nur bei dem Treffen, sondern auch in einer darauf folgenden schriftlichen Stellungnahme insbesondere unsere Ablehnung der verpflichtenden Besprechung des Feedbacks mit Beurteiler*innen.

Mit Erfolg, denn in der Pressemitteilung des KM vom 22. Juni 2016 hieß es dann: „Die Referendare entscheiden, ob sie die Ergebnisse des Feedbacks und ihre Erfahrungen mit einer Seminarlehrkraft, der Betreuungslehrkraft der Einsatzschule oder einer anderen Lehrkraft ihrer Wahl besprechen.“

Damit kann nun die Besprechung des Schüler*innen-Feedbacks mit Vorgesetzten vermieden werden. Leider machte das KM daraus keine Regel. Die Trennung der Besprechung von Feedback und Beurteilung ist somit nicht garantiert. Dadurch wird eine ehrliche, offene und konstruktive Auseinandersetzung mit den im Feedback eventuell deutlich werdenden eigenen Schwächen nicht in der Form gefördert, wie es möglich wäre. Durch die vom KM vorgegebene Struktur ist davon auszugehen, dass an einigen Seminarschulen das verpflichtende Schüler*innen-Feedback von den Referendar*innen und Lehramtsanwärter*innen zu Recht als zusätzliches Instrument der Beurteilung und Überprüfung und nicht als Unterstützung empfunden wird. Damit wird der ohnehin schon bestehende Leistungsdruck unnötig verstärkt.

Ideen zu sinnvollen Feedbacks

Das zunehmend systematische Einholen von Feedback an Schulen sollte auf einer anderen Ebene stattfinden. Vorstellbar ist ein Schulversuch, bei dem sich ein relevanter Teil des Kollegiums freiwillig verpflichtet, Schüler*innen-Feedback systematisch einzuholen. Begleitend dazu sollten die Kolleg*innen in der Durchführung und Auswertung von Feedback geschult und die Schulklassen zum fruchtbaren Gebrauch dieses Instruments angeleitet werden. Zusätzlich sind Foren zur Aufarbeitung des Feedbacks einzurichten, in denen – unabhängig von der Bewertung – Raum für einen konstruktiven und gewinnbringenden Umgang mit Rückmeldungen ist. Dies wäre beispielsweise im Rahmen einer kollegialen Supervision für Lehrkräfte vorstellbar. Den Kolleg*innen ist dafür entsprechende Arbeitszeit zur Verfügung zu stellen. Sinnvoll wäre auch hier eine enge Zusammenarbeit mit den Schulpsycholog*innen, Schulsozialarbeiter*innen und anderen pädagogisch-psychologischen Fachkräften.
Damit könnte der Grundstein für eine Etablierung des Feedbacks mithilfe von Bogen als ein gutes Element der Reflexion des Unterrichts und des Schulalltags gelegt werden. Durch die jetzigen Pläne des Ministeriums besteht die Gefahr, dass dieses an sich sinnvolle Instrument entwertet wird und es seine eigentlich positive Wirkung nicht entfalten kann. 

 

In: DDS Oktober 2016, S. 5 f.