Zum Inhalt springen

Sachgrundlose Befristung: Für wen lohnt sich jetzt eine Klage?

Das Bundesverfassungsgericht hat befristet Beschäftigten eine neue Chance eröffnet: Mit dem Urteil vom 13.6.2018 erklärte es die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für verfassungswidrig. Davon profitieren können Kolleginnen und Kollegen, die nach mindestens drei Jahren erneut beim selben Arbeitgeber sachgrundlos befristet angestellt wurden. Doch sie müssen sich beeilen, denn die neue Bundesregierung will diese Chance wieder beseitigen.

Das Befristungsrecht wird immer komplizierter, und viele Angestellte in Bildungseinrichtungen sind davon betroffen. Seit 2001 gilt, dass eine sachgrundlose Befristung bis zu zwei Jahren mit drei Verlängerungen innerhalb dieser Frist möglich ist. Dies gilt aber nur, wenn man vorher noch nie beim selben Arbeitgeber beschäftigt war. In einem überraschenden Urteil von 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden: Nach drei Jahren Übergangszeit gilt die Regel auch beim selben Arbeitgeberwieder neu.

Diese Rechtsprechung, die vom Gesetz bewusst abwich, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nun einkassiert. Und: Die Arbeitsgerichte sind nicht berechtigt, selbst ein Gesetz zu ändern. Aber so ganz eindeutig wollte sich das Verfassungsgericht auch nicht festlegen: Da die Regelung lediglich Kettenbefristungen verhindern soll, seien Ausnahmen schon denkbar, nur eben ohne feste Karenzfristen. Als Beispiele nennt das Urteil:

  • geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit
  • Werkstudierende und studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
  • Unterbrechung der Erwerbsbiografie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht

Was heißt das für Beschäftigte in Bildung und Wissenschaft? „Derselbe Arbeitgeber“ wäre zum Beispiel für alle staatlichen Schulen und Universitäten in Bayern der Freistaat. Wer bis 2014 Angestellte*r an der Universität München war, darf auch 2018 nicht „sachgrundlos befristet“ an der Universität Bamberg angestellt werden (nach anderen Befristungsvarianten aber schon). War er*sie allerdings an der LMU nur studentische Hilfskraft, wäre eine befristete Anstellung als Lehrer*in an einer staatlichen Realschule möglich. Bei privaten Arbeitgebern wäre das Unternehmen einschlägig, in der Weiterbildung z. B. die bfz gGmbH - egal an welchem Standort in Bayern oder Baden-Württemberg sich die jeweilige Bildungseinrichtung befindet. Der bloße Wechsel eines Arbeitsbereiches, etwa von Integrationskursen zu berufsvorbereitenden Maßnahmen, wird wohl nicht ausreichen.

Für manch befristete Beschäftigte bietet das Urteil also eine Chance: Wer nach mehr als drei Jahren wieder „sachgrundlos“ eingestellt wurde, weil der Arbeitgeber auf die falsche Rechtsprechung des BAG vertraute, kann nun auf unbefristete Beschäftigung klagen. Beispiel: Eine Sozialpädagogin war beim bfz Nürnberg bis 2012 beschäftigt und wurde beim bfz München für die Kalenderjahre 2018 und 2019 wieder eingestellt. Wichtig: Die Klage muss spätestens drei Wochen nach dem Befristungsende beim Arbeitsgericht sein, in diesem Beispiel also am 21.1.2020. Im öffentlichen Dienst zählt der jeweilige Rechtsträger, also z. B. der Freistaat Bayern oder die Landeshauptstadt München als „derselbe Arbeitgeber“.

Die Erfolgsaussicht einer Klage kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Denn neben der „sachgrundlosen Befristung“ gibt es auch die mit Sachgrund, etwa für zeitlich begrenzte Aufgaben oder als Elternzeitvertretung. Dafür gelten die genannten Einschränkungen nicht und leider muss im Arbeitsvertrag überhaupt nicht erwähnt sein, um welche Befristungsvariante es sich handelt. Der Arbeitgeber kann aber auch nicht nachträglich Gründe frei erfinden. An Hochschulen und Forschungsinstituten gibt es außerdem noch die Befristungen nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz, darauf muss aber im Arbeitsvertrag hingewiesen werden.

Die CDU/CSU/SPD-Koalition auf Bundesebene hat bereits angekündigt, die dreijährige Karenzfrist in das Gesetz aufzunehmen. Außerdem sollen Vorbeschäftigungen nur noch ein Hindernis sein, wenn sie mindestens fünf Jahre dauerten. Diese Regelung aus dem Koalitionsvertrag (S. 52) wurde aber noch nicht als Gesetz beschlossen. Ob sie sich dann auch auf früher abgeschlossene Verträge beziehen wird, weiß man noch nicht. Die Chance aus dem BVerfG-Urteil wäre dann hinfällig. Betroffene Arbeitnehmer*innen sollten deshalb jetzt schon prüfen lassen, ob eine Klage auf Entfristung Aussicht auf Erfolg hat. Für GEW-Mitglieder geht das kostenlos, im Rahmen des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes.