Zum Inhalt springen

Recht auf Masterstudienplatz kann einklagbar sein

Ein Gericht in Münster hat gerade mehreren klagenden Studierenden das Recht auf einen Masterstudienplatz zugesprochen. Ein Urteil, das sehr schnell für Furore sorgte. SPIEGEL ONLINE beispielsweise titelte mit "Gericht durchlöchert die Master-Sperre". Doch worum geht es eigentlich, was ist passiert? Studis Online sprach mit Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, der eines der drei Verfahren auf Zulassung zum Master der Betriebswirtschaftslehre betreut hat.

Studis Online: Guten Tag, Herr Achelpöhler. Studierende aus Münster haben vor einem Gericht erfolgreich eingeklagt, dass sie einen Masterstudienplatz erhalten müssen. Wie kam es dazu und was genau ist der Sachstand vor Ort?

Wilhelm Achelpöhler: Beim BWL Master in Münster gibt es zwei Probleme: Einmal gibt es einen Numerus Clausus mit nur 151 festgesetzten Studienplätzen, auf die sich über 1400 Studierende beworben haben. Als wenn das noch nicht reicht, gibt es auch noch eine Zulassungsordnung, die für Studierende undurchschaubar ist. Die eigentlichen Zulassungskriterien werden von einer Kommission festgelegt und nicht als Satzung veröffentlicht. Die Kriterien sind ein Mischmasch von Abi-Fächern bis hin zu Lebenserfahrung. Studierende sind in dieser Kommission natürlich auch nicht vertreten.

Wie begründet das Gericht seinen Beschluss? 
Das Gericht begründet die Entscheidung damit, dass nach den gesetzlichen Regelungen die Bachelornote eine ausschlaggebende Bedeutung haben muss. Außerdem bemängelt es, dass die Zulassungsordnung die entscheidenden Kriterien für die Auswahl der Bewerber nicht nennt.

Wie schätzen Sie allgemein den Zusammenhang zwischen dem Grundrecht auf freie Berufswahl und dem immer wieder attestierten in Deutschland ein?


Der Bachelor-Abschluss soll nach Ansicht der Regierungen künftig den Regelabschluss darstellen. Er sei der erste berufsqualifizierende Abschluss. Damit soll die akademische Ausbildung verkürzt und ebenso wie die Arbeitskraft der Absolventen verbilligt werden. Für diese stellt sich damit der Bachelor-Abschluss als ein akademischer »Facharbeiterabschluss« dar.

Das Verwaltungsgericht hat hier klargestellt, dass auch der Zugang zum Masterstudium grundsätzlich durch Art. 12 des Grundgesetzes geschützt ist, Einschränkungen dieses Rechts also gerechtfertigt sein müssen.

Muss man abbiegen oder darf man?

Heißt das, dass, wenn die Politik den Bachelorabschluss als ersten berufsqualifizierenden Abschluss definiert, dass für den Master dann sozusagen "weniger" das Grundrecht auf freie Berufswahl gölte?

So kann man das nicht sagen. Der Master ist ja zweifelsohne Voraussetzung für den Zugang zu bestimmten Berufen. Dann ist aufgrund der Berufsfreiheit des Art. 12 GG mit der Freiheit des Zugangs zu diesem Beruf auch der Zugang zum Masterstudium grundrechtlich geschützt.

Aber: Dieses Recht ist nicht vorbehaltslos geschützt, sondern kann durch Gesetz eingeschränkt werden – in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit. Gleichzeitig ist der Staat, der ja ein Ausbildungsmonopol hat, verpflichtet die Ausbildung auch zu ermöglichen. Das bedeutet zwar nicht, dass Studienplätze für alle, die studieren wollen, zur Verfügung gestellt werden müssen, aber vorhandene Studienplätze müssen auch verteilt werden.

Das Urteil sagt also nicht aus, dass es illegitim ist, wenn eine Regierung entscheidet, nur noch ein Zehntel aller Studienplätze als Masterstudienplätze vorzuhalten? Lediglich die Auswahl des Zehnten, der dann den Master machen darf, muss sachlich sauber begründet sein?

Es gibt im Hochschulrecht NRW tatsächlich eine Regelung, die es den Hochschulen ermöglicht, den Zugang zum Master einzuschränken – auch wenn es eine ausreichende Zahl von Studienplätzen gibt. Aus dem "Master" wird so ein "besonderer Master", für den ein "normaler" Bachelorabschluss nicht ausreichen soll, es muss ein "qualifizierter Bachelorabschluss" sein. Was da konkret von den Hochschulen gefordert werden darf, überlässt das Gesetz den Hochschulen. Kapazitätsgründe dürfen hier allerdings keine Rolle spielen, wie man auch der Entscheidung des VG Münster entnehmen kann. Worum es dabei auch geht, hat die Rektorin der Uni Münster kürzlich im Senat der Uni erklärt: Käme es nur auf den Bachelor an, dann hätten Bewerber "aus Kleinkleckersdorf" dieselben Chancen wie die Absolventen der Uni Münster oder anderer renommierter Hochschulen. Soviel zum Thema "Bologna" und europäischer Hochschulraum.

Einen so weitgehenden Spielraum der Hochschulen hatte das VG Hamburg in einer Entscheidung für unzulässig gehalten – so etwas müsse angesichts der Bedeutung für das Grundrecht der Studierenden der Gesetzgeber regeln. Die Gerichte in NRW haben diese Rechtsprechung nicht übernommen und den weiten Gestaltungsspielraum der Hochschulen für sachgerecht gehalten. Mit der Entscheidung des VG Münster ist man da etwas zurückgerudert und hat die Bedeutung des Bachelor und damit die Bindung der Hochschulen an den Gesetzgeber hervorgehoben. Nur in Berlin sieht das Gesetz striktere Vorgaben für die Hochschulen vor. Da dürfen die Hochschulen den Zugang zum Master nicht so leicht einschränken. Die Berliner Hochschulen haben dagegen erfolglos vor dem Berliner Verfassungsgericht geklagt.

Bei den NC-Studiengängen gibt es überall die Möglichkeit für die Hochschule, ein eigenes Zulassungsverfahren durchzuführen – und dabei neben dem Bachelor weitere Kriterien heran zu ziehen, so wie man das bei den "harten NC-Fächern" wie Medizin schon seit längerem kennt. Wie solche Einschränkungen aussehen können, hat auch der NRW-Gesetzgeber weitgehend den Hochschulen überlassen – nur muss das Bachelorzeugnis eine ausschlaggebende Bedeutung haben.

Eine Kontingentierung der Masterstudiengänge, wonach nur noch 20 Prozent der Bachelorabsolventen zum Master zugelassen werden können – wie es die frühere rot-grüne Landesregierung in NRW vorgesehen hatte – wird aber allgemein für unzulässig gehalten. Umgekehrt: Ein "Master für alle" würde natürlich dem Ziel der Bildungspolitiker, die Ausbildung und damit die Arbeitskraft der Hochschulabsolventen zu verbilligen, zuwider laufen. Gewissermaßen ist die Bildungspolitik da in einer Zwickmühle: Bachelor und Master zusammen, das dauert länger und kostet in der Regel mehr als Diplom, Magister oder Staatsexamen. Gibt der Staat jetzt nicht mehr für die Bildung aus, dann wird das Geld knapp an den Hochschulen. Und der Übergang zum Master ist dann der Punkt, wo das fehlende Geld wieder gespart werden kann – indem viele Studierende vom Master ausgeschlossen werden. Und weil die Universitäten nicht zu einer "Bachelor-Uni" werden wollen, wird auch der Zugang zum Bachelor verknappt. Der NC ist nahezu flächendeckend.

Befragungen

[ www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,653950,00.html ] zeigen, dass mindestens drei Viertel der Bachelor-Absolventen weiter studieren wollen. Rollt auf die Hochschulen dann jetzt also eine riesige Klagewelle zu?



Sicher wird es mehr Klagen geben, jedenfalls da, wo man sonst mit der Note des Bachelor nicht ins Masterstudium käme. Solange man nicht den Master für alle durchgesetzt hat, bleibt dem, der vor der Tür steht, nur der juristische Weg, um sich reinzuboxen.

Derlei juristische Streitigkeiten sorgen aber sicher mit dafür, derlei selektive Verfahren generell zu delegitimieren. Die Politik hält da aber viel aus, wie die NC-Prozesse um Medizinstudienplätze zeigen – die gibt es seit 40 Jahren.


Welche Bedeutung hat das Urteil in diesem Kontext und in Folge womöglich auch auf weitere Studiengänge?



Der Beschluss ist so etwas wie eine Checkliste für Studierende. Die können jetzt prüfen, ob die Zulassungsordnung an ihrer Wunschuni damit "geknackt" werden kann. Und dann kann der Weg zum Master frei sei - egal wie die Note im Bachelor ist.

Welche Dinge hat das Gericht in seiner Checkliste denn als unzulässig klassifiziert?

Das Gericht hat es für unzulässig erklärt, dass die Bachelor-Note durch andere Kriterien relativiert wird. Außerdem müssen alle Kriterien in der Satzung der Universität genau benannt sein und dürfen nicht von irgendwelchen Kommissionen erst noch irgendwann und immer mal wieder neu beschlossen werden.

Wird es diesbezüglich noch weitere Aktionen von den Klageparteien, den Studierendenvertretungen und/oder Ihnen als Anwalt geben?



Es gibt ja eine ganze Reihe von Verfahren um den Zugang zum Master - gerade weil es um eine Frage der beruflichen Chancen geht. Außerdem wird natürlich politisch um den "Master für alle" gestritten.


Wie kann man als Betroffener Hilfe erhalten?

Der Weg zum AStA ist sicher erst einmal der beste Tipp, denn dort kennt man sich im Zweifel am besten aus.

Vielen Dank für das Gespräch.


Quelle:
http://www.studis-online.de/Studieren/art-1130-master-fuer-alle.php