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Offener Brief der Initiative Bayerischer Lehramtsstudierender an das Bayerische Kultusministerium

Seit jeher ist das Thema 'Bildung' parteiübergreifend fester Bestandteil jedes Wahlprogramms. Trotz der hohen gesellschaftlichen Relevanz von Bildung und deren Institutionen bestehen in diesen gravierende Mängel - sowohl inhaltlicher, finanzieller als auch struktureller Natur.

Offener Brief der Initiative Bayerischer Lehramtsstudierender an das Bayerische Kultusministerium 

Seit jeher ist das Thema 'Bildung' parteiübergreifend fester Bestandteil jedes Wahlprogramms. Trotz der hohen gesellschaftlichen Relevanz von Bildung und deren Institutionen bestehen in diesen gravierende Mängel - sowohl inhaltlicher, finanzieller als auch struktureller Natur. Universitäten und Schulen sind wichtige und die Gesellschaft entscheidend prägende öffentliche Institutionen. Sie sollen zur Mündigkeit und Selbstreflexion führen sowie demokratische Werte und ganzheitliche Bildung vermitteln. Den Lehrenden kommt bei diesem Prozess eine maßgebliche Rolle zu. Um dieser Verantwortung für unsere Gesellschaft gerecht zu werden, müssen angehende Lehrerinnen und Lehrer an der Universität adäquat auf die neuen Herausforderungen im Klassenzimmer vorbereitet werden. Inklusion, individuelle Förderung, Umgang mit Heterogenität, Wahrnehmen des Erziehungsauftrags der Schule sowie die Umsetzung neuer Lehr- und Lernkonzepte sind nur einige der zu nennenden Anforderungen, die Lehrkräfte aller Schularten zu bewältigen haben.

Bei der Vorbereitung auf diese Herausforderungen des Schulalltags besteht im Rahmen des Lehramtsstudiums dringender Nachholbedarf! Inhalte und Form des Lehramtsstudiums müssen an die Anforderungen der Schule des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Der Praxisbezug im Lehramtsstudium muss gestärkt werden. Zudem fordern mehr Freiheit in der Ausgestaltung des Lehramtsstudiums um eine individuelle Schwerpunktsetzung – auch im fachdidaktischen oder im erziehungswissenschaftlichen Bereich zu ermöglichen. Ein zu strenges Konzept an Pflichtveranstaltungen, das die freie Ausrichtung des Studiums nach persönlichen Interessen verhindert, steht im Widerspruch zu übergeordneten Bildungszielen wie Mündigkeit und Persönlichkeitsentwicklung.

Nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell weisen bayerische Universitäten nicht weiter hinnehmbare Missstände auf. Nach der nicht ausgereiften Umsetzung der Bolognareform hinsichtlich des modularisierten Lehramtsstudiums und durch die gleichzeitige Unterfinanzierung des Bildungssystems sind an unseren Universitäten Probleme struktureller Art entstanden, auf die von Studierendenseite bereits im Rahmen des 'Bildungsstreiks' 2009 und darüber hinaus mehrmals vehement hingewiesen wurde. Doch bis heute reagiert die bayerische Staatsregierung nur mit nicht zielführenden Scheinreformen, wie der Einführung von Modulklausuren, der Verteilung nicht ausreichender 2020 Mittel sowie mit der Setzung von Zielvorgaben, welche Universitäten zwingen, mehr Studierende aufzunehmen als es ihre Kapazitäten zulassen.

Aus diesen und weiteren Fehlentwicklungen ergeben sich in der Praxis:
- zu geringe Raum- und Lehrkapazitäten, welche das Absolvieren des Studiums in der Regelstudienzeit gefährden
- zu lange Wartezeiten beispielsweise bei der Ausstellung von Abschlusszeugnissen
- prekäre Beschäftigungsverhältnisse für Dozierende: Die in Vielzahl vergebenen Lehraufträge sind zeitlich begrenzt und deutlich unterbezahlt.
- mangelhafte Koordination und Absprache intra- und interuniversitärer Art, welche einen von Bologna ursprünglich intendierten unkomplizierten Studienortswechsel unmöglich machen
- ein enormer Prüfungs- und Leistungsdruck für Studierende sowie in der vorlesungsfreien Zeit abzuleistende Praktika, da die Regelstudienzeiten zu knapp bemessen sind (insbesondere die nicht eingerechnete Vorbereitungszeit auf Staatsexamina)

Ein einheitliches, durchdachtes Konzept hinter den bisherigen Reformen ist nicht zu erkennen.
Wir fordern daher:
- eine volle Ausfinanzierung und personelle Stärkung der Universitäten
- strukturelle Anpassungen hin zu mehr Freiheit in der  Studienverlaufsgestaltung
- eine Anpassung des Curriculums des Lehramtsstudiums an die oben genannten Anforderungen in der Praxis des 21. Jahrhunderts
- eine stärkere Verzahnung von Theorie und Praxis
- dem tatsächlichen Arbeitsaufwand im Studium (Praktika, Staatsexamensvorbereitung)
Rechnung zu tragen (Vorbereitungssemester oder angemessene Bepunktung)