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Rezension

Künstliche Intelligenz oder kritische Vernunft

Die Verfasser*innen dieses Buches gehen der Frage nach, was Digitalisierung für die Bildung bedeutet. Allerdings widersprechen sie strikt der These, es gehe dabei um die Suche nach der „richtigen Bildung für die digitale Welt.“ (S. 25)

Foto: Kekuda, Shutterstock

) Denn dies würde bedeuten, lediglich nach den Bildungskompetenzen zu fragen, die für ein Bestehen und Funktionieren in einer digitalisierten Welt nötig sind. Damit aber würde der Status quo der Welt, in der Digitalisierung stattfindet, als unverrückbarer Rahmen hingenommen. Dem stellen die Autor*innen den Bildungsbegriff einer „kritischen Vernunft“ entgegen. Dieser zielt nämlich nicht nur darauf ab, eine gegebene Situation zu bewältigen, sondern soll dazu befähigen, die Situation selbst kritisch zu hinterfragen und nötigenfalls auch zu verändern.

In Bezug auf Schule sind die Verfasser*innen der Ansicht, dass der Einsatz digitaler Instrumente keine neue Dimension des Unterrichtens und der Didaktik darstellt, da dieser den Kern von gutem Unterricht und Wissensvermittlung nicht verändert. Für unbedingt nötig halten die Autor*innen allerdings, dass Schüler*innen den kritischen Umgang mit digitalen Medien und der gesamten Digitalisierung lernen. Dafür geben sie auch eine Reihe konkreter Hinweise.

Ein Vorzug des Buches ist, dass es sich kritisch mit verschiedenen Aspekten der Digitalisierung unter den gegebenen Gesellschaftsbedingungen auseinandersetzt. Die Autor*innen gehen z. B. darauf ein, dass Schulen unterschwellig zunehmend privatisiert werden, indem Open-Source-Software keine Chance gegeben wird, während die Dominanz von monopolistischen Konzernen bei den verwendeten digitalen Medien und Instrumenten als angeblich alternativlos festgeschrieben wird. Hingewiesen wird zudem auf die Gefahr, dass Digitalisierung als ein Mittel zur Verwaltung des Mangels an Lehrkräften dienen könnte.

Allgemein, so die Verfasser*innen, bricht mit der zunehmenden Digitalisierung nicht ein Reich der Freiheit an, vielmehr verschärfen sich die Möglichkeiten und Formen der Ausbeutung und der profitablen Aneignung vielfältiger Lebensbezüge. Dabei reißt das Buch auch die Frage an, wie das denn im „digitalen Kapitalismus“ mit der Aneignung von Mehrwert im Anschluss an Marx aussieht. Hierzu bietet das Buch vor allem Stoff für weitere kritische Auseinandersetzung.

von Wolfgang Häberle

 

AK Religionslehrer_innen im ITP (Hg.)
Künstliche Intelligenz oder kritische Vernunft. Wie Denken und Lernen durch die Digitalisierung grundlegend verändert werden
Münster 2020
148 Seiten
13,00 EUR
ISBN 978-3-9819845-4-5