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Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht

Was bedeutet die frühere Einschulung für die Praxis im Kindergarten?

Seit dem Schuljahr 2005/06 wurde in Bayern damit begonnen, das Einschulungsalter für Grundschulkinder vorzuverlegen. Im Schuljahr 2010/ 11 soll jedes Kind in dem Jahr eingeschult werden, in dem es 6 Jahre alt wird (Stichtag 31.12.).
Begründet wurde dieser Beschluss damit, dass Kinder in diesem Alter nach wissenschaftlichen Erkenntnissen besonders aufnahme- und lernbereit sind und das Schuleintrittsalter dem europäischen Standard angepasst werden soll.
In Europa variiert dieses Alter jedoch erheblich. So werden schwedische, dänische und finnische Kinder erst mit sieben Jahren schulpflichtig und besuchen in dem Jahr davor eine Vorklasse, in der sie systematisch auf die Schule vorbereitet werden. In den meisten Ländern beginnt die Schulpflicht mit sechs Jahren, zu den Ausnahmen gehören England und Wales, hier werden die Kinder schon mit fünf Jahren eingeschult.
Früher, schneller, besser?
Viele Eltern von Kindergartenkindern möchten gewährleisten, dass ihr Kind bestmöglichst gefördert wird, um später beruflichen Erfolg zu haben. Die Kinder sollen möglichst früh und schnell auf die Zukunft vorbereitet werden. So wird Fremdsprachenunterricht und zusätzliche musikalische Früherziehung gefordert, aus der Angst heraus, das Kind könne aufgrund mangelnder Förderung verkümmern und auf einem schwierigen Arbeitsmarkt keine Chancen mehr haben. Die Kinder sollen vor allem ein Instrument lernen, weil es wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, dass Musiker auch gute Mathematiker sind. Hier kommt das Bild des »Nürnberger Trichters« auf: Wenn in das Kind nur genügend Wissen hineinfließt, dann wird es auch besonders klug.
Zu den Aufgaben des Kindergartens gehört die Vorbereitung auf die Schule, vorschulisches Lernen findet jedoch ohne Leistungsdruck statt. Wie ein afrikanisches Sprichwort es so schön ausdrückt: »Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.«
Das Thema Einschulung und Förderung wird jetzt häufig schon bei der Anmeldung im Kindergarten angesprochen. Vor allem bei den Eltern der jüngeren Kinder bestehen Ängste, ihr Kind könnte ohne zusätzliche Förderung und Programme in der Schule versagen. Aufgabe des Kindergartens ist hier, im Interesse der Kinder verstärkt mit den Eltern zu erarbeiten, wie Kinder lernen. Es ist nicht ausschlaggebend, schon mit vier Jahren lesen und schreiben, bis hundert zählen oder ein paar englische Reime zu können. Das Kind muss Enttäuschungen ertragen können, belastbar sein, zuhören können und Regeln einhalten. Diese Kompetenzen werden vor allem in spielerischen Situationen mit anderen Kindern erlernt. Lernen im Kindergarten ist vor allem entdeckendes und ganzheitliches Lernen, Spielen und Lernen finden hier verknüpft statt.
Als sehr wichtig erachte ich, dass Migrantenkinder möglichst früh den Kindergarten besuchen können, um ausreichend in ihrer Sprachentwicklung unterstützt und gef ördert zu werden.
Um den Kindern einen guten Start zu ermöglichen, wird es in Zukunft noch wichtiger als bisher sein, intensiv mit der Schule zusammenzuarbeiten. Im Bayerischen Bildungsund Erziehungsplan heißt es: »Die Kinder für die Schule aufnahmefähig zu machen und die Schule aufnahmefähig zu machen für die Kinder . dies ist ein aufeinander bezogener Prozess und eine gemeinsame Aufgabe.« Es bleibt zu hoffen, dass die Kooperationsbeauftragten der Grundschulen mehr Zeit zur Verfügung bekommen, damit eine wirkliche Kooperation entstehen kann.