Am 12. März 2004 fand in Nürnberg eine LVV statt.
Bei der Podiumsdiskussion am Nachmittag waren Joachim Bischoff, Michael Wendl und Horst Schmitthenner anwesend.
Am selben Tag wurde von der jW ein ausführliches Interview mit Joachim Bischoff veröffentlicht. In diesem Interview äußerte er sich ausführlich und positiv zu Bestrebungen eine parlamentarische Vertretung des sozialen Protestes zu initiieren.
Auf der LVV kannte ich die Inhalte des Interviews noch nicht, da ich die jW erst abends in die Hand bekam.
Aus seinen Äußerungen während der Podiumsdiskussion war aber herauszuhören, dass so ein Versuch notwendig sei. Auf meine Einwendungen – und auch auf die anderer – die auf die Gefahren einer Parlamentarisierung insistierten, reagierte Bischoff ungewohnt gereizt.
Für mich war das der erste konkrete Kontakt mit dem Versuch eine neue parlamentarische Protestpartei ins Leben zu rufen.
Ich verstehe heute noch nicht, warum auf unserer LVV nicht Klartext geredet wurde.
Es wäre eine günstige Gelegenheit gewesen, die Sache konkret anzusprechen und Teile der linken GEWler für dieses Projekt zu gewinnen. Hätte man in jeder Einzelgewerkschaft aktive Kollegen angesprochen, einen Aufruf verfasst und ein Treffen auf Landesebene angepeilt, wär der Formierungsprozess anders verlaufen.
Aber es gab viel Geheimniskrämerei und eine weitgehende Beschränkung auf bestimmte Zirkel in der Metall und in Ver.di. War Antikommunismus ausschlaggebend? Wollte man vor allem Gewerkschafter, die noch in der SPD waren, oder ausgetreten waren, weil ihnen die Schrödersche SPD nicht mehr behagte?
Leute wie Fritz Schmalzbauer, die einen gewissen Anspruch auf oberste Führungsposten bis heute anmelden, gehören sicher zu dieser Kategorie.
Es klinkten sich im Laufe der ersten Schritte der Parteibildung auch Gruppen ein, die sich u.a. auf Trotzki berufen. Zu nennen wären da vor allem der Linksruck, die SAV und die isl (Sozialistische Zeitung). Dissidenten aus der PDS gesellten sich dazu, so z.B. der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und spätere Bundesgeschäftsführer der PDS, Uwe Hiksch.
Im Juni 2004 grenzte einer der prominentesten Mitbegründer der Initiative „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“, der 1. Bevollmächtigte der IG-Metall Nürnberg, Gerd Lobodda, in einem Interview mit der jW das Vorhaben nach links ab und meinte „Wir wollen beispielsweise nichts mit der PDS zu tun haben.“ Zur gleichen Zeit war er in einem Gespräch mit der SZ von einer Parteigründung abgerückt. Er soll gesagt haben, wenn dieser in seriösen Prognosen nicht deutlich über zehn Prozent eingeräumt würden, mache es gar keinen Sinn.
Für Lobodda war das Ziel eine sozialdemokratische Partei vorschröderischen Zuschnitts innerhalb oder, im schlimmsten Fall, neben der SPD.
Im Juni musste bei der Europawahl die SPD mit 21,5% das schlechteste Ergebnis seit Kriegsende verkraften. Die PDS zog mit immerhin 6,1% ins Parlament ein.
Fritz Schösser äußerte sich in der SZ zu den Chancen einer Linkspartei: „Ich halte das für einen absolut falschen Weg. Wir müssen gewerkschaftliche Positionen in die SPD hineintragen. Darum geht es.“
Im Juli konstituiert sich die Wahlalternative als Verein. Jürgen Elsässer will in der jW einen „stürmischen Zulauf“ erkennen.
In einem Kommentar der SZ nennt Heribert Prantl die Politik der SPD „unanständig“ und bezeichnet sie als „Enteignungspolitik“ bezogen auf Hartz IV.
Im September 2004 warnt der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters vor einer neuen Partei links von der SPD.
Im November hatten wir Tom Lindner, IG Metall und WASG-Vertreter als Referenten auf dem Jahresseminar. Er stellte erstmals die WASG vor. In der Diskussion war eine gewisse Skepsis unüberhörbar. Diese Skepsis wurde vom Referenten durchaus geteilt.
Seit Januar 2005 besteht die WASG als Partei. 25 Jahre nach Gründung der grünen Partei.
Ende Januar referierte ich auf der Bildungspolitischen Konferenz der PDS Bayern in Nürnberg. Die Zusammensetzung der Anwesenden war vielschichtig. Von einer Konferenz erwartet man den Austausch von Erfahrungen, die Aktive an ihren Orten und in ihren Tätigkeitsbereichen machen. Die Veranstaltung hatte jedoch einen völlig anderen Charakter. Die Teilnehmer waren Individuen mit unterschiedlichem Hintergrund, aber ohne konkrete Praxis, die sie hätten einbringen können. Von Konferenzen diesen Zuschnitts gehen keine relevanten Impulse aus. Ein extra aus Berlin angereister Journalist des ND erwähnte die Konferenz mit keiner Zeile, wobei vorher von einer ausführlichen Berichterstattung die Rede war.
An dieser Stelle möchte ich, auch wenn ich chronologisch vorgreife, eine weitere Bildungskonferenz der Linkspartei in Ingolstadt im Mai dieses Jahres erwähnen. Christa Meist organisierte das Treffen. Wir waren in Kontakt, da ich eine Arbeitsgruppe moderieren sollte. Da ich wegen meiner Erfahrungen mit der Nürnberger Konferenz vom Konzept nicht überzeugt war, lehnte ich eine Teilnahme ab. Peter war jedoch dort und wird uns sicher eine Einschätzung aus seiner Sicht geben. Ich kenne nur den Bericht in der „Zukunftswerkstatt Schule“ Ausg. $/2007, verfasst von Christa Meist.
Aber zurück ins Jahr 2005.
Im Februar äußert sich Franz Maget zur neuen Partei: “Die werden schnell merken, dass sie keine Chance haben..“ und weiter „das ist eine Totgeburt“. Im März verlässt Peter von Oertzen nach 60jähriger Mitgliedschaft die SPD und schreibt sich bei der WASG ein.
Im März findet in Nürnberg unsere Wahl-LVV statt. Schorsch Wiesmaier tritt als langjähriger Vorsitzender ab und übergibt an Oskar Brückner, der sich für eine Wahlperiode zur Verfügung stellte. Einer der Referenten auf der LVV war Michael Schlecht, sog. Chef-Volkswirt beim Bundesvorstand von Ver.di, damals noch SPD Mitglied, später bei der WASG. Im April wird bekannt, dass Oskar Lafontaine die SPD zu verlassen gedenkt.
Klaus Ernst zeigt sich in einem Gespräch mit der jW sehr großzügig und meint: „Auch Heiner Geißler von der CDU wäre willkommen, ebenfalls Horst Seehofer von der CSU.“ Und weiter: „Ich sage noch einmal: Ein Projekt am linken Rande des politischen Spektrums hat in dieser Republik keine Chance.“ Na ja, Geißler ist mittlerweile bei ATTAC gelandet und Seehofer wollte bis vorige Woche noch die CSU anführen. Aber es gibt schließlich das Angebot an Frau Pauli. Vielleicht wird das was!
Im Mai wird’s mit Lafontaine amtlich: Raus aus der SPD, rein in die WASG.
Die SPD verzeichnet mit NRW die 11. verlorene Landtagswahl in Serie. Schröder zieht die Notbremse und lässt im Bund auf Neuwahlen optieren. Damit soll der Aufschwung einer linken Formation gestört werden.
Im Juni nennt sich die PDS in „Die Linkspartei“ um. Christoph Schwennicke kommentiert in der SZ im Juli und stellt die Prognose auf: „Zwar ist die Lafontaine-Linkspartei wahrscheinlich von kurzer Dauer...“ und liegt damit wie viele andere vor ihm wieder einmal voll daneben.
Es kommt die Zeit der Listenaufstellungen in den einzelnen Bundesländern. Die Harmonie zwischen PDS und WASG erreicht in Bayern ihre Höchstform. Kollege Fritz Schmalzbauer erhält nicht den ihm zustehenden sicheren Listenplatz. Die WASG ist bestürzt über den „Basisaufstand“ wie Nick Brauns den Vorgang in der jW bezeichnete.
Im Wahlkampf beteiligte ich mich mit einem Referat zur Strukturdebatte zusammen mit Eva B. in Eichstätt. Die Beteiligung der örtlichen Bevölkerung wäre steigerungsfähig gewesen.
Anfang September wechselte das ehemalige Vorstandsmitglied der IG Metall, Hans Janssen, von der SPD zur WASG.
Die Bundestagswahl brachte für die Linkspartei 8,7% der Stimmen und 54 Mandatsträger ins Parlament. Die Regierungsvariante schwarz/gelb wurde verhindert. Eine große Koalition sorgte für eine weitere Talfahrt der SPD.
Im Oktober 2005 war das Thema unserer AG Perspektiven beim Jahresseminar in Markt Indersdorf „Das gesellschaftliche Kräfteverhältnis nach der vorgezogenen Bundestagswahl und die Perspektiven der Gewerkschaftslinken“.
Referenten waren der Landesvorsitzende der GEW Hamburg, Klaus Bullan, Mitglied der WASG und Kornelia Möller,Mitglied der GEW, Mitglied des Landesvorstands der Linkspartei und MdB.
Im Dezember verließ der dissidente Theologe Eugen Drewermann die katholische Kirche, ob er dafür in die WASG eingetreten ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Im Januar 2006 treffen sich der DGB-Vorsitzende Michael Sommer und Gregor Gysi erstmals um das Verhältnis von DGB und Linkspartei zu normalisieren. Das erinnert mich an die Auseinandersetzungen im DGB Erding/Freising in den 90er Jahren, wo man sich militant weigerte bei DGB-Podiumsdiskussionen auch eine Vertreterin der PDS reden zu lassen. Erst bei der Bundestagswahl 2005 durfte ein Vertreter der WASG teilnehmen.
Sommer erklärte nach dem Treffen mit Gysi: „wir wollen die Partei weder heilig sprechen noch kreuzigen.“ Eine fürwahr merkwürdige Aussage eines DGB-Vorsitzenden.
Die Auseinandersetzungen in der Führungsriege der WASG halten an. Die Hamburger Bischoff und Radtke, Bundesvorstandsmitglieder, treten zurück und verweisen auf „eine Allianz zwischen modernisiertem Postkommunismus und einer wirklichen Sozialdemokratie der Brandt-Ära“.
Im Juli trifft sich Fritz Schösser mit Vertretern der WASG. „Mit Befremden“ reagiert der Vorsitzende der bay. IG BCE, Seppel Kraus, und spricht von einem „Schmusekurs“, was wiederum die SZ süffisant kommentiert. Im September müssen die Koalitionäre der Berliner PDS eine deutliche Schlappe einstecken. Sie verlieren fast die Hälfte der letzten WählerInnen.
In Mecklenburg kommt man noch mit einem blauen Auge davon. Hans Modrow warnt die Realos der Linkspartei.PDS: „Wir sind nach wie vor herausgefordert, über den gegenwärtigen Kapitalismus hinauszudenken, der noch brutaler und aggressiver geworden ist, als er schon war. Auch der Berliner Landesverband muss sich dieser Herausforderung stellen.“
Beim Jahresseminar unserer Arbeitsgruppe im Oktober 2006 in Regensburg im Anschluss an eine Zwischen-LVV beschäftigten wir uns nicht mit der parlamentarischen Linken. Vielmehr debattierten wir die Perspektiven der Linken in der bayerischen GEW. Man könnte es angesichts des Nachwuchsmangels bzw. des ausbleibenden Nachwuchses sogar als Perspektivlosigkeit bezeichnen, was unsere derzeitige Situation betrifft. Wir wissen aber andererseits, dass sich Entwicklungen nicht voluntaristisch erzwingen lassen.
Es gibt z.B. in der bayerischen GEW Kollegen, die sich in den vergangenen Jahren der parlamentarischen Linken angeschlossen haben, aber nie auf die Idee gekommen wären, bei uns mitzuarbeiten. Und es gibt die merkwürdige Konstellation, dass Mitglieder der Linkspartei im Bildungsbereich arbeiten, aber nicht Mitglieder der GEW sind. Ob wir da was bewegen können, sicher auch ein Thema für dieses Wochenende.
Kommen wir zum Jahr 2007.
Hinsichtlich des 1. Mai kündigte Fritz Schösser an, man werde als Hauptredner keine Politiker mehr zulassen, die keine gewerkschaftlichen Positionen verträten. An sich eine Selbstverständlichkeit, aber das Vorgehen erregte Aufsehen.
Für die Bürgerschaftswahl, die im Mai in Bremen stattfand, trat die Linke geschlossen auf erreichte statt der prognostizierten 4,5% ein beachtliches Ergebnis von 8,4%. Ein Ergebnis, das bisher in westlichen Bundesländern nicht vorstellbar war.
Im Juni schließlich fand der Vereinigungsparteitag statt. WASG und Linkspartei.PDS lösten sich auf in der neuen Partei „Die Linke.“.
Bildungspolitisch betrachtet haben wir als gewerkschaftliche Arbeitsgruppe erstmals einen Ansprechpartner in der Partei „Die Linke Bayern“. Grund genug für uns auf die bildungspolitischen Positionen der neuen Partei Einfluss zu nehmen. Von den vorhandenen (parlamentarisch) relevanten Parteien ist sicher „Die Linke“ diejenige, die uns am nächsten steht. Wie groß die Schnittmenge ist, gilt es zu eruieren. Wenn sie ausreichend groß ist, ist eine enge und beständige Zusammenarbeit meiner Meinung nach sinnvoll. Ich sehe im Moment viel offenes Gelände. Die Landtagswahl 2008 könnte auch in bildungspolitischer Hinsicht vorerst eine Zielmarke sein.
Hans Elas, 5.10.2007