Zum Inhalt springen

Griechenland im Würgegriff – Hellas am Abgrund

Kolleg*innen aus Athen zu Gast in der Oberpfalz

Seit nunmehr fünf Jahren befindet sich Griechenland in der Schulden- bzw. Wirtschaftskrise. Die Auswirkungen auf die Bevölkerung werden immer massiver. Insbesondere das Gesundheits- und das Bildungswesen sind betroffen. Die GEW Bayern hatte die beiden griechischen Grundschullehrkräfte Vassia Chioti und Nikos Kalogiros von der Lehrerföderation Griechenlands (DOE) zur LVV im März 2014 eingeladen, um einmal Berichte aus erster Hand zu hören und die Solidarität im Kampf gegen das Troika-Regime zu vertiefen. Die griechischen Kolleg*innen hatten dort einen eindrucksvollen und gleichzeitig bedrückenden Überblick über die Auswirkungen des EU-Austeritätsdiktats insbesondere auf den Bildungsbereich gegeben (s.DDS Mai 2014). Aus dem Workshop mit den beiden kam die Anregung, weitere Veranstaltungen zu diesem Zweck im Lande zu organisieren. Aktive Solidarität sei auch keine Einbahnstraße, die GEW müsse sich darauf einstellen, dass die für neoliberale Strateg*innen vielversprechenden Ergebnisse ihres griechischen Freilandversuches nicht am Alpensüdhang hängen blieben. Als Reinhard Frankl und Gotthold Streitberger im Juli erfuhren, dass die Griech*innen Anfang Oktober auf Einladung der GEW Hessen in Deutschland sein werden, ergriffen sie die Gelegenheit: Vassia und Nikos waren am 10./11. Oktober auf der Jahrestagung der AG Perspektiven in Neumarkt und anschließend beim Kreisverband Regensburg zu Gast, um über jüngste Entwicklungen in ihrer Heimat zu berichten. Leider mussten sie – im Gegensatz zu manchen Schönfärbereien aus Politik und Medien – konstatieren, dass nach einem halben Jahr keine Besserung für die betroffenen Menschen eingetreten ist, im Gegenteil. Besonders an den Schulen wurde massiv Personal abgebaut: Im Sekundarbereich wurden ca. 30.000 von knapp 100.000 Stellen gestrichen, im Primarbereich wurden 10.000 Stellen gestrichen. Das Gehalt wurde um 25 bis 40 % gekürzt, die Sachausgaben der Schulen müssen um ca. 60 % heruntergefahren werden, sprich im Winter haben die Schulen kein Geld zum Heizen. Bei Neueinstellungen beträgt das Anfangsgehalt um die 600 Euro. Eine schlechte Beurteilung hat finanzielle Einbußen zur Folge. Noch dazu müssen die Staatsbeschäftigten oft mehrere Monate auf ihre Löhne warten. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde natürlich Förderunterricht als Erstes gestrichen. Insgesamt sind sehr starke Privatisierungstendenzen zu beobachten, einhergehend mit starken Angriffen auf die Gewerkschaften. Die Tarifverträge sind derzeit außer Kraft (Anm. d. V.: meinesWissens eine Bedingung, die die Troika gestellt hatte). Die Ausgaben im Bildungsbereich wurden um 47 % gekürzt, die Jugendarbeitslosigkeitliegt bei 65 %. Hier wächst mehr als nur eine verlorene Generation heran! Sehr belastend ist es in diesem Zusammenhang auch für die Pädagog*innen, dass die Armut ihrer Schüler*innen immer deutlicher wird: Kinder fallen buchstäblich von den Stühlen, weil sie schlicht und einfach unterernährt sind. Die Lehrer*innen helfen dann oft mit Geld aus ihrer eigenen Tasche aus und kaufen Essen für die ärmstenSchüler*innen, obwohl sie selber kaum über die Runden kommen. Ähnlich dramatisch stellt sich die Lage im Gesundheitswesen dar. Neben katastrophalen Zahlen stellten die beiden Kolleg*innen hier aber ein paar kleine positive Ansätze vor: Das Prinzip der »Selbstorganisation« sorgt dafür, dass an einigen Orten Freiwillige »soziale Praxen« eröffnet haben, wo sich mittellose Kranke behandeln lassen können. Finanziert werden solche Projekte durch Spenden und unentgeltliche Arbeit der Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen. Auch das Projekt »Eurokrise« aus München ist hier als Unterstützer beteiligt. Dessen Mitglied Pavlos Delkos hatte die Aufgabe des Übersetzers für die Veranstaltung in Regensburg dankenswerterweise übernommen. Insgesamt ein ernüchternder Abend mit einem kleinen Hoffnungsschimmer. Mit einer Spendensammlung haben wir versucht, unsere politische Solidarität mit ein bisschen materieller Hilfe zu ergänzen, wir konnten den beiden immerhin knapp 300 Euro für ein Projekt von »Solidarity4All« mitgeben. Es gäbe noch einiges zu berichten, hier nur noch ein Tipp für diejenigen, die mehr über die Hintergründe erfahrenwollen: Die Dokumentation »Catastroika« vermittelt eine gute und anschauliche Analyse.

Anna Forstner Kreisvorsitzende GEW Regensburg und
Reinhard Frankl Gewerkschaftliche Bildungsarbeit Bayern gb@