GEW: „Kultusminister ignorieren Alarmsignale!“
Bildungsgewerkschaft zu IGLU und TIMSS: Positive Entwicklung von 2006 nicht fortgesetzt, Lesekompetenz sinkt wieder
Frankfurt a.M./Berlin - Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wirft den Kultusministern vor, die Ergebnisse der neuen Grundschulstudien schön zu reden und Alarmsignale zu ignorieren. „Bereits seit einigen Jahren gibt es deutliche Anzeichen, dass die Grundschulen durch die Vielzahl schlecht vorbereiteter ‚Reformmaßnahmen‘ in ihrer positiven Entwicklung gestört worden sind. Jetzt zeigt sich, dass der positive Trend von 2006 nicht fortgesetzt und in der Lesekompetenz nicht einmal gehalten werden kann“, sagte Marianne Demmer, Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs Schule und stellvertretende Vorsitzende, am Dienstag in einer ersten Reaktion auf die Grundschulstudien IGLU und TIMSS. Im Lesen seien die Leistungen der Kinder auf den Stand von 2001 gesunken. In Mathematik und Naturwissenschaften seien die Ergebnisse von 2007 gehalten worden. „Dass die Grundschulen immer noch deutlich besser dastehen als die weiterführenden Schulen darf nicht als Beruhigungspille verabreicht werden“, betonte Demmer.
Als Alarmsignal wertete sie, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit schwachen Leistungen unter Kompetenzstufe III gegenüber 2006 wieder angewachsen sei: auf 15,4 Prozent gegenüber 13,2 Prozent. Gleichzeitig sei der Anteil der Spitzenleser von 10,8 auf 9,5 Prozent in 2011 gesunken. Diese Entwicklung, so Demmer, könne nicht einfach hingenommen und mit einem leicht gestiegenen Migrantenanteil begründet werden: „Wozu sollen die teuren internationalen Vergleichsstudien gut sein, wenn die Ergebnisse nicht ernst genommen werden.“
„Die Kultusminister haben vor allem mit ihrer Testeritis aufs falsche Pferd gesetzt“, unterstrich die Schulexpertin. Seit 2006 seien in einigen, seit 2008 in allen Bundesländern jährlich in allen dritten Grundschulklassen verpflichtende Vergleichsarbeiten geschrieben worden, die in den Grundschulen viel Kritik hervorgerufen haben. Diese Tests hätten offenbar weder für die Leistung noch für die Chancengleichheit etwas gebracht. „Schlimmer noch: Die Leistungen sind schlechter geworden“, sagte Demmer. „Zwischen 1991 und 2006, als die Grundschulen noch nicht mit Vergleichsarbeiten traktiert wurden, hatten die Leistungen im Durchschnitt um fast 50 Punkte auf 548 zugenommen. 2006 lagen nur noch 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit ihren Leseleistungen im Risikobereich auf den unteren Kompetenzstufen: Über die Hälfte zählte zu den guten und Spitzenlesern.“
„Wir müssen vor allem in Lehrerfortbildung und individuelle Unterstützungsmaßnahmen für schwächere Schülerinnen und Schüler investieren. Auf die verpflichtenden Vergleichsarbeiten soll verzichtet werden“, schlug Demmer vor. Diese müssten zu einem Instrument der freiwilligen Selbstevaluation entwickelt werden, das Schulen und Lehrkräfte flexibel nach ihren Fragestellungen und Bedürfnissen einsetzen können.
Diese Pressemitteilung kann im Internet abgerufen werden unter:
http://www.gew.de/Presse_6.html , E-Mail pamela.pankotsch(at)gew(dot)de