Professionsentwicklung
GEW Bayern tritt dem Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht bei
Seit Januar ist die GEW Bayern Teil des bundesweiten Bündis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit. Gemeinsam mit vielen anderen Institutionen setzen wir uns für eine Gesetzesänderung ein, denn professionelle Arbeit erfordert Vertraulichkeit.
2020 wurde von der Deutschen Sportjugend (Fanprojekte), vom Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) und anderen Organisationen ein bundesweites »Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit (BfZ)« gegründet. Das Ziel: die Aufnahme von staatlich anerkannten Sozialpädagog*innen in den § 53 der Strafprozessordnung (StPO – Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger).
Diplom-, Bachelor- und Master-Sozialpädagog*innen, aber auch andere Berufsgruppen, haben in ihrer Arbeit eine Schweigepflicht nach dem Strafgesetzbuch (StGB). Das Offenbaren eines »fremden Geheimnisses« (§ 203 StGB) steht unter Strafe. Im Gegensatz zu Ärzt*innen oder psychologischen Psychotherapeut*innen haben Sozialpädagog*innen jedoch kein Recht, in einem Strafverfahren gegen eine*n Klienten*in die Aussage zu verweigern. Ausnahmen bestehen nur für die Schwangerenkonfliktberatung und die Drogenberatung.
Soziale Arbeit baut auf Vertrauen auf
Das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht gilt vielen Kolleg*innen als sehr problematisch. In der Erziehungsberatung und ambulanten Jugendhilfe, in Jugendwohngruppen, in der Schuldnerberatung und in vielen anderen Bereichen erfahren Kolleg*innen überaus sensible Dinge. Ratsuchende vertrauen ihnen dabei auch persönliche Geheimnisse, manchmal sogar strafbares Verhalten, an. Das ist gut so, denn die Profession lebt davon, dass ihr Vertrauen entgegengebracht wird und Diskretion erwartet werden kann. Nur so gelingt professionelles Arbeiten.
Ein*e Sozialpädagoge*in erfährt beispielsweise in der sozialen Schuldnerberatung zu Beratungsbeginn durchaus auch von Handlungen, die zu einer Strafanzeige wegen Betrug, Verstoß gegen das Versicherungspflichtgesetz oder Sozialleistungsmissbrauch führen können. Kommt es zu einer Anzeige, ist es denkbar, dass Ermittlungsbehörden auch die beratende Person als Zeug*in laden. In dieser Situation müssen Sozialpädagog*innen die Wahrheit aussagen.
Aussagepflicht widerspricht oft professionellem Vorgehen
Die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage steht dann der Profession der Sozialen Arbeit diametral gegenüber, denn erst durch professionelle psychosoziale Beratung und Aufbau einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung können Sozialpädagog*innen dem Ziel, problematisches Verhalten zu verändern und Wege aus der Krise aufzuzeigen, näherkommen. Das Dilemma ist also offensichtlich: Soziale Arbeit ist dann erfolgreich, kann erst dann Legalverhalten fördern und präventiv wirken, wenn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist. Können Klient*innen nicht vertrauen, ist diese Möglichkeit verbaut, sie werden künftig vieles verschweigen.
Gleichzeitig kann professionelles und damit an wissenschaftlichen und ethischen Standards orientiertes Handeln nur auf der Grundlage eines eindeutigen Gesetzes, das die Arbeit mit den Klient*innen schützt, aufbauen. Es darf keine Frage des Glücks sein, ob Sozialpädagog*innen in ihrem Berufsleben als Zeug*innen geladen werden oder nicht.
Das Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialpädagog*innen ist deshalb eine wichtige und notwendige Forderung.
Die Initiative ist überfällig. Wir müssen aber noch dicke Bretter bohren, um das Ziel, als Berufsgruppe in den § 53 StPO aufgenommen zu werden, zu erreichen. Die neu gegründete Arbeitsgruppe in der GEW sucht deshalb nach Mitstreiter*innen und Unterstützer*innen.
Interessierte melden sich bitte bei:
Mario Schwandt, Sozialpädagogisches Büro der GEW Bayern, mario.schwandt(at)gew-bayern(dot)de
Sabine Prell, Mitglied GEW-Kreisverbandes Hof, Sabine-Prell(at)gmx(dot)de