Gender Pay Gap - die Kluft zwischen der Bezahlung von Frauen und Männern
Was ist pädagogische Arbeit wert? Dieser Frage will die GEW nachgehen und wünscht sich dafür eine rege Mitgliederdiskussion. Anne Jenter, Leiterin des Vorstandsbereichs Frauenpolitik beim Hauptvorstand der GEW, hat dazu einen Workshop "Diskriminierungsfreie Entgeltordnung" organisiert.
Unsere Kollegin Gabi Gabler hat diesen sowie eine Tagung "Entgeltdiskriminierung - (k)ein unlösbares Problem" für die GEW Bayern besucht. Im Folgenden ihr zweigeteilter Bericht:
Anne Jenters These ist, dass es nicht genügt, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu fordern, sondern dass gleichwertige Arbeit gleich entgolten werden muss. Wie aber ist Arbeit zu bemessen und Gleichwertigkeit und Unterschiedlichkeit zu erfassen?
Die Arbeitswissenschaftlerin Dr. Andrea Jochmann-Döll stellte zwei Arbeitsbewertungsmethoden vor und beschrieb die in ihnen verborgenen Diskriminierungspotentiale.
"Bei der summarischen Arbeitsbewertung wird die Einordnung verschiedener Tätigkeiten anhand von (Lohn-, Gehalts- und Entgelt-)Gruppenbeschreibungen durchgeführt. Dabei geht in erster Linie das zur Arbeitsausführung erforderliche Können ein - erworben durch Ausbildung und Erfahrung." (Eckhard Eyer)
Der BAT und die BeamtInnenbesoldung beruhten grundsätzlich auf den Ergebnissen summarischer Arbeitsbewertung: Ausbildung und Stellenbeschreibung waren festgelegt und bedingten eine bestimmte Lohn- und Gehaltsgruppe. Eine andere Eingruppierung war nur durch formale Weiterqualifizierung oder nach Bewährungszeiten möglich.
Bei der analytischen Arbeitsbewertung werden einzelne Aufgabenbereiche nach ihren Anforderungen wie körperlicher oder geistiger Leistung getrennt untersucht, gewichtet und mit Punkten bewertet. Die einzelnen Teilarbeitswerte werden zu einem Gesamtarbeitswert addiert. Dieser bildet die Basis für die Entgeltzuordnung.
In der summarischen Arbeitsbewertung lauern große Diskriminierungsfallen für Frauen: Anforderungen werden zwar gestellt, aber nicht bewertet oder erst in höheren Eingruppierungsstufen relevant. Formulierungen sind vage. Kriterien werden einseitig ausgelegt. Bewertungskriterien werden nicht offengelegt.
Frau Dr. Jochmann-Döll hält analytische Methoden eindeutig für die gerechtere Arbeitsbewertung, vor allem für den Dienstleistungsbereich. In Kanada, Schweden und Australien z. B. sind sie sogar gesetzlich vorgeschrieben.
Sie beschrieb auch Mischformen von Analytik und Summarik, wie sie für den öffentlichen Dienst mittlerweile diskutiert werden:
- Ein Anforderungsmerkmal dient als Grundlage der Eingruppierung, andere ergänzen die Bewertung wie Bausteine.
- Die Anforderungsstufen sollen summarisch beschrieben werden, die Anforderungsdimensionen jedoch analytisch betrachtet.
Der Workshop bot eine gute Grundlage für die folgende Fachtagung in Berlin, denn es ist gelungen, für die Bewertungsunterschiede von Frauen- und Männerarbeit zu sensibilisieren.
Seit 2001 gibt es an der Berliner Fachhochschule für Wirtschaft ein Institut, das den Namen einer britischen Ökonomin aus dem vorletzten Jahrhundert trägt: Harriet Taylor Mill. Das Institut wird von einer Frau geleitet und es lehren ausschließlich Professorinnen dort.
Studentinnen des Instituts hatten mit Unterstützung
ihrer Professorinnen eine Tagung mit dem Titel "Entgeltdiskriminierung - (k)ein unlösbares Problem" organisiert und moderiert. Es war Projektunterricht vom Feinsten.
Drei Professorinnen aus Hamburg und München sowie Dr. Christian Katz waren ihrer Einladung gefolgt.
Von Désirée Ladwig von der Universität der Bundeswehr Hamburg hörte ich zum ersten Mal von Gender Pay Gap, der Kluft zwischen der Bezahlung von Mann und Frau. Diese Kluft ist in Deutschland besonders tief. Auf einer Liste europäischer Länder, in der die Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau aufgeführt waren, nahm Deutschland Platz 34 von 34 möglichen Plätzen ein.
Frauen erhalten demnach bis zu 33 % geringere Bezahlung als Männer, dabei ist der Unterschied umso eklatanter je niedriger die Lohngruppe ist. Bei gleichen Berufen in gleichen Betrieben beträgt der Unterschied noch 15 %, ist auch das Alter gleich, 12 %. In Führungspositionen sinkt der Unterschied auf 5 bis 7 %. Dies wird aber sicher dadurch ausgeglichen, dass sich prozentual weniger Frauen in eben diesen Führungspositionen befinden.
Wieso ist das heute noch immer so?
Die Referentin verwies bei dieser Frage auf mehrere "Fallen", in die Frauen nach wie vor geraten können. Die häufigste ist wohl die moralische: Frauen sind für Gehaltsverhandlungen zu freundlich (wohl auch für Widersprüche gegen die dienstliche Beurtei-lung!). Sie identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen und wechseln den Arbeitsplatz seltener für ein höheres Gehalt. Ihre Lebensplanung sieht Karriere und Gehalt nur in späterer Rangfolge.
98 % der Väter gehen nicht in Elternzeit. Untersuchungen zeigen, dass sie vielmehr mit der Geburt eines Kindes mehr und länger arbeiten als vorher. Wenn Frauen Karriere machen wollen, müssen sie auch mit dieser Tatsache umgehen. Sicher mit ein Grund, warum mittlerweile 40 % der Akademikerinnen kinderlos sind.
Frauen versuchen zusehends die Entgeltkluft zu überwinden: Der girl's day wurde geschaffen, um Berufswünsche abseits der klassischen Frauenberufe zu wecken und den Weg dorthin zu ebnen.
Im Internet findet sich der genderdax , der auch auf Initiative von Professorin Ladwig und mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Jahr 2005, also zu Zeiten von Renate Schmid, eingerichtet wurde (www.genderdax.de). Er ist eine Informationsplattform über Beschäftigungsmöglichkeiten und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - eine stumpfe Waffe
Die Juristin Dr. Eva Kocher aus Hamburg berichtete über das "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)", das die bisherigen Antidiskriminierungsgesetze abgelöst hat.
§ 1 AGG verbietet Benachteiligung aufgrund von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität.
Für Frauen können sich unmittelbare Benachteiligungen zum Beispiel durch Abschläge für Frauenarbeit ergeben, mittelbare dann, wenn eine Gruppe betroffen ist oder durch (sexuelle) Belästigung. Das AGG fordert ein Verbot von Diskriminierung und eine Entschädigung, wenn diese Diskriminierung erfolgt sein sollte.
So hilfreich das Gesetz auf dem Papier sein mag, es muss von allen Betroffenen individuell eingeklagt werden. Verbandsklagen sind nicht möglich. Eine Ausnahme ist die Klage zum Schutz des Tarifvertrags, wenn ein Arbeitgeber tarifwidrige Regelungen getroffen hat. Darin liegt das Problem: Welche Beschäftigte kann ohne Repressalien zu befürchten gegen Diskriminierung an ihrem Arbeitsplatz klagen, zumal Kriterien in Arbeitsverträgen gerichtlich schwer zu überprüfen sind.
Betroffene von Benachteiligungen können sich beschweren, die Leistung verweigern, Unterlassung fordern. Sie können Schadensersatz und Entschädigung fordern. Antidiskriminierungsverbände haben Möglichkeiten Unterstützung zu gewähren. In der freien Wirtschaft, wo noch nicht einmal ein Gleichstellungsgesetz gültig ist, ist das AGG bisher nur eine stumpfe Waffe. Frau Dr. Kocher wünscht sich viele Einzelklagen, damit Präzedenzfälle geschaffen werden.
Welche Organisationsform ist gerechter?
Elke Wolf von der FH München hatte sich mit der Frage beschäftigt, welchen Einfluss neue Maßnahmen der Personal- und Organisationspolitik auf die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern innerhalb von Betrieben haben. Ihre Untersuchungen zeigten u. a., dass formalisierte Mitgestaltungsmöglichkeiten für Frauen ein Vorteil sein können. Je geringer die Hierarchie in den Organisationsstrukturen, desto größer der Frauenanteil an anspruchsvollen Arbeitsplätzen. Sie verwies darauf, dass Wirtschaftsunternehmen zunehmend die mittlere Managementebene abbauen. Unser Arbeitgeber, das Kultusministerium, dagegen will sie in Schulen gerade aufbauen und fühlt sich dabei sehr fortschrittlich!
Zu wenig Optimismus gaben Elke Wolfs Ausführungen zur "erfolgsabhängigen Entlohnung" Anlass. Wenn die Entlohnung an objektiv messbare Kriterien wie zum Beispiel den Umsatz geknüpft ist, sinkt das Diskriminierungspotential. Ist sie jedoch an die Beurteilung durch Vorgesetzte geknüpft, wird es problematisch. Zumindest müssen die Beurteilungskriterien durch den Chef oder die Chefin durchschaubar gemacht werden, um den Spielraum für Diskriminierung zu senken. Wie will man/frau das in unserer Branche machen?
Insgesamt scheinen partizipative Organisationsstrukturen das betriebsspezifische "gender wage gap" wohl zu begrenzen. Die Auswirkung von Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für diskriminierungsfreie Bezahlung ist jedoch schwer messbar und empirisch nicht eindeutig nachzuweisen.
"Abakaba": Ein Beispiel analytischer Funktionsbewertung
Mit "Abakaba" haben die Arbeits- und Organisationspsychologen Katz und Baitsch 1994/95 im Auftrag des eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann ein System zur Bewertung von Arbeitstätigkeiten entwickelt. Zunächst zum Namen selbst: Analytische Bewertung von Arbeitstätigkeiten nach Katz und Baitsch. Da es in der Schweiz kein festgeklopftes Tarifsystem gibt, müssen Entgeltvereinbarungen jeweils zwischen den einzelnen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen getroffen werden.
Abakaba bewertet Tätigkeiten nach drei übergeordneten Merkmalsbereichen:
- Intellektuelle
- Psycho-Soziale Anforderungen und Belastungen
- Physische
Dazu die Verantwortung für die Arbeitsergebnisse anderer Personen und für Unternehmensstrategien.
Die einzelnen Arbeitsbereiche bekommen Punkte zugeordnet, die Gesamtzahl wird in jeweilige Gehaltsklassen umgerechnet. Dieses System ist eine weitgehend analytische Funktionsbewertung, die zur Verringerung von Entgeltdiskriminierung beitragen könnte.
Wenn wir nicht weiterhin Schlusslicht bei "Gender Pay Gap"-Vergleichen sein wollen, sollten unsere Forderungen bei Entgelt- und Tarifauseinandersetzungen solche Modelle stärker berücksichtigen.