Gegen den "Radikalenerlass" gestern und heute!
Kommt zur Kundgebung am 28.01. um 17 Uhr auf dem Erlanger Schlossplatz!
Vor 50 Jahren, am 28.01.1972, wurde der sogenannte „Extremistenbeschluss“ von den Ministerpräsidenten der Länder unter Vorsitz von SPD-Bundeskanzler Willy Brandt verabschiedet. Dem "Verfassungsschutz" wurde mit dem heute als "Radikalenerlass" bekannten Gesetz die Macht gegeben, alle Bewerber*innen und Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf ihre „Verfassungstreue“ zu überprüfen.
Damit wurde eine umfassende Schikanemaschinerie in Gang gesetzt. Linke aller Art, Kommunist*innen, Gewerkschafter*innen, Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) bis hin zu SPD-nahen Studierenden wurden durch Regelabfragen ihrer „Verfassungstreue“ ausspioniert. Das Ergebnis: etwa 11.000 Berufsverbots- und 2.200 Disziplinarverfahren, 1.256 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen.
Grundlage dafür ist die "Gewährbieteklausel", welche vorschreibt, dass Beamt*innen und andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes „Gewähr dafür zu bieten“ hätten, "jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten". Was umständlich formuliert ist, bedeutet konkret: es geht nicht um reale, bereits begangene Taten, sondern um die politische Überzeugung von Beschäftigten im Staatsdienst, welche sie vielleicht potenziell in der Zukunft eventuell zu staatsfeindlichen Handlungen verleiten könnte. Gesinnungsschnüffelei also.
Wahrscheinlich habt ihr es schon vermutet: Dieses Gesetz hat seinen Ursprung bereits im deutschen Faschismus. Und ebenso waren die nach dem "Radikalenerlass" erlassenen Berufsverbote für „Verfassungsfeinde“ in den 1970er und 1980er Jahren meist copy-and-paste-Urteile eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts unter Federführung von Willi Geiger –seit 1933 SA-Mitglied, 1937 auch in der NSDAP, 1938 zum SA-„Rotttenführer“ befördert, verantwortlich für 5 Todesurteile.
Aber was hat das mit dem Hier und Heute zu tun? Die Regelabfrage auf „Verfassungstreue“ wird zwar nicht mehr angewandt, der "Radikalenerlass" wurde aber nicht zurückgenommen. Seine Opfer wurden niemals rehabilitiert, geschweige denn für Verdienst- und Renteneinbußen entschädigt. Und wenn ihr an der Uni bereits als Hilfskraft gearbeitet habt, kennt ihr auch seine Nachfolgen: jede beim Freistaat angestellte Hilfskraft muss bestätigen, dass sie kein Mitglied „verfassungsfeindlicher“ Organisationen ist und ihr Einverständnis geben, dass die Universität beim "Verfassungsschutz" Informationen über sie einholen darf.
Es ist der Universität damit möglich, hunderte Studis in ihrer Freizeit hinterher zu spionieren - sowohl im Einstellungsprozess als auch danach. Ein Ankreuzen von in der Abfrage genannten Organisationen kann dazu führen, dass man zu Gesprächen über die eigene Mitgliedschaft dort zitiert und im schlimmsten Fall nicht eingestellt wird. Unter den Organisationen, die auf dieser Liste stehen, findet sich zum Beispiel die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - VVN-BdA. Ein Organisation also, die von Opfern des deutschen Faschismus gegründet wurde und wichtige Gedenkarbeit leistet. Die also im Gegensatz zum "Verfassungsschutz" wirklich wertvoll ist.
Der "Verfassungsschutz", das ist diese komische Institution, die seit ihrer Gründung von alten und neuen Nazis durchsetzt ist, mit Vorliebe Linke verfolgt und deren letzter Chef inzwischen mehr Beifall von der AfD als seiner eigenen Partei bekommt. Das finden wir schon ziemlich gruselig. Und auch die neue Regierungskoalition scheint dabei keinen Deut besser zu sein, so hat die SPD-Innenministerin Faeser bereits angekündigt: „wir werden Verfassungsfeinde schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernen“.
Wir fordern:
- Rehabilitierung und Entschädigung aller Opfer der Berufsverbote!
- Weg mit der Gesinnungsschnüffelei im öffentlichen Dienst: Offizielle Abschaffung des "Radikalenerlasses" sowie ein Ende der Verfassungstreue-Abfragen für studentische Hilfskräfte und alle anderen Beschäftigten!
- Auflösung des "Verfassungsschutzes"!
Kommt am 28.01. gemeinsam mit uns zur Kundgebung um 17 Uhr auf dem Erlanger Schlossplatz!
Zum Weiterlesen:
Michael Csaszkóczy (2021): Im Räderwerk. Die gesetzlichen Grundlagen des Radikalenerlasses. In: Die Rote Hilfe 04/2021. (Quelle für unsere Zahlen)
Stellungnahme der jungen GEW Bayern von 2016
Unterstützt den Aufruf "50 Jahre Berufsverbote - Demokratische Grundrechte verteidigen"
Innenministerin Faeser auf Twitter