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Seminarbericht

Frank Deppe: Wieder mehr sozialistische Tendenzen

Die AG Perspektiven hat das diesjährige Sommerseminar der GEW Bayern am 9./10. Juli 2021 in Nürnberg auf der Burg (DJH) mit Unterstützung des Bezirks Unterfranken und im Gedenken an den kürzlich verstorbenen Intitiator dieser Seminarreihe, Eberhard Rauch (s. Nachruf), ausgerichtet.

Das Seminar schloss in mehrfacher Hinsicht an das Sommerseminar 2018 in Marktbreit an. Das beginnt beim Hauptreferenten, reicht über den wiederholten Appell an die Gewerkschaftsbewegung zu mehr Gegenmacht und endet bei Thesen zur gewerkschaftlichen Bildungsarbeit.

Der Marburger Politologe Prof. Dr. Frank Deppe hatte nicht zuletzt Dank der freundschaftlichen Verbindung zu seinem ehemaligen Schüler, unserem Kollegen Rolf, sofort zugesagt.
Frank lehrte Politikwissenschaft an der Universität Marburg und wurde dort als der letzte lehrende Schüler Wolfgang Abendroths 2006 emeritiert. 2011 schrieb er das Buch Gewerkschaften in der Großen Transformation, auf das der Seminartitel Bezug nahm. Hier legt er dar, wie die Gewerkschaften auf diese erneute »Große Transformation« (Karl Polanyi) reagierten und wie diese sich in einer Krise der Arbeiterbewegung und der politischen Linken verdichtete. Wie gehen die Gewerkschaften mit ihrer eigenen Krise und mit der systemischen Krise des globalen Finanzmarktkapitalismus um? Und wie sind sie strategisch darauf vorbereitet, als kollektive Interessenvertretung der LohnarbeiterInnen auf den Übergang in ein Zeitalter der – vom globalen Finanzmarktkapitalismus beherrschten – Austerität zu reagieren?
Im Referat konnte er diese Entwicklungen noch einmal zusammenfassen und mit den Erfahrungen aus dem aktuellen multiplen Krisengeschehen ergänzen.

Seine These, dass a) Gewerkschaften sich deutlicher in Richtung Sozialismus bewegen müssen und b) global diese Bewegung, wenn auch schwach, so doch wieder mehr erkennbar wäre, wurde insbesondere im zweiten Teil etwas skeptisch bzw. ungläubig im Kreis der Teilnehmer*innen aufgenommen und ausgiebig diskutiert.

Dass die neoliberalen Netzwerke ihre Transformationsträume gar nicht verheimlichen, sondern sogar als fortschrittlich und zukunftsweisend öffentlich darstellen, das legte Kollege Reinhard Frankl in seinem Vortrag über das viel gehypte Buch vom „Great Reset“ von Thierre Malleret und dem Gründer des Welt-Wirtschafts-Forums (WEF) Klaus Schwab dar. Weil es um dieses Buch auch eine Verschwörungstheorie gibt – es heißt mit vollem Titel zu Deutsch „COVID-19: Der große Umbruch“ - wurde der Wunsch, das Seminar in der gesamten Mitgliedschaft zu bewerben, nochmal an den GA zurückgegeben. Dadurch erreichte die Einladung die Mitglieder erst zwei Wochen vor Seminarbeginn - eventuell ein Grund, warum am Seminar fast nur Mitglieder der AGP teilnahmen. Die Vorsitzende Martina Borgendale kam der Einladung nach, was alle Teilnehmenden sehr freute.

Zurück zu den Transformationsträumen des Herrn Schwab, die, wie Reinhard betonte, nicht besonders neu sind, sich aber im Brennglas der Pandemie nochmal besser verkaufen lassen und evtl. den Umgang damit á la Schockstrategie (Naomi Klein) streckenweise erklären. Reinhard kam zu folgendem Fazit und abschließenden Fragen:

  • Diese Transformationsträume haben mit einer Transformation der Gewerkschaften á la Frank Deppe rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Sie bieten eine Grundlage zur Analyse der neoliberalen Transformation und zielen darauf ab, dem Kapitalismus nur ein attraktiveres Geschäftsmodell zu verpassen, eines, das den Kapitalismus kommende Katastrophen ökologischer wie sozialer Art überleben lassen soll.
  • Ist eine Kritik an solchen Träumen unerwünscht, weil sie gerade in unseren Parteien en vogue sind?
  • Hilft die Ablehnung einer Auseinandersetzung damit nicht der Vereinnahmung von rechts?
  • Betreffen die Träume von der Machtausübung einer neo-liberalen Elite über die Köpfe von Betroffenen hinweg nicht gerade die Gewerkschaften?

Frank Deppes Gedanken zur Charakterisierung der gegenwärtigen Mehrfachkrise legte er in einem weiteren Referat dar. Sie können gut in einem gleichnamigen Aufsatz nachgelesen werden.

An die General-Aussprache schloss sich ein ex- und intensives Gespräch mit der Landesvorsitzenden in kollegialer Atmosphäre an, die sich nach dem Abendessen in einer gemeinsamen Runde im sommerlichen Burggarten noch steigern konnte.

Eine Zielsetzung der AGP aus dem 2018er Seminar 2018 war ja, die gewerkschaftliche Bildungsarbeit regional ergänzend zu unterstützen, schwerpunktmäßig mit Themen aus der politischen Ökonomie. 2019 hat die AG das mit der Veranstaltung „Wo Marx Recht hat“ (Fritz Reheis) und 2020 mit dem Sommer-Seminar unter dem Titel „Neues Virus - neue Krise(n) - neuer Korporatismus?“ auch umgesetzt. Eine Kleingruppe erarbeitete nun am Sonntagvormittag eine Liste mit weiteren Vorschlägen zu Veranstaltungs- bzw. Seminarthemen.

Eine Einzelkritik am Seminar insgesamt gab es das Format „Referat – Aussprache“ betreffend, die wir gerne aufnehmen. Die anderen Teilnehmenden an der „Meckerrunde“ meldeten nur Positives zurück.

Unterlagen (Texte, Folien, Links etc.):

Folien (pdf)

Frank Deppe, 
Gewerkschaften in der großen Transformation
1 (2013)

Gewerkschaften in der großen Transformation 2
Gewerkschaften in der großen Transformation 3
Gewerkschaften in der großen Transformation 4
Gewerkschaften in der großen Transformation 5

Frank Deppe, Charakteristik der Krise

"Great Reset" - Buchvorstellung und Kritik nach Frankl/Weissert/Roth, FFM 2021 (zu Folie 18, oben)

Schwab/Malleret, Covid19: Der große Umbruch (pdf)

Lieder zum Nachhören:

  1. Die Blutwoche (im Gedenken an 150 Jahre Pariser Commune, dt. rf)
  2. Keine Wahl (Schlauch/rf)
  3. Organisiert euch Leute! ... (Joe Hill, 1913, dt. rf)
  4. Jeder Traum (L. Fürnberg) - für Frank
  5. Das Bundeslied (Georg Herwegh, 1863!) - Version 2020 - 
     gewünscht von den Babenhäuser Conti-MitarbeiterInnen im Kampf gegen Arbeitsplatzabbau März 2020 (Textanpassung r.f.)