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Sicherheit

Enttäuschung und Frust bei Kita-Leitungen

Die Pandemie fordert viel von den Kita-Leitungen. Wir dokumentieren zwei Berichte von Kolleg*innen.

Wie einfach wäre das Lichterfest mit PCR-Pooltests gewesen!

Bereits in einer Pressemitteilung im Mai 2021 und zuletzt in einem offenen Brief an Söder und Trautner forderte die GEW Bayern, dass auch in den Kitas schnellstmöglich PCR-Pooltests eingeführt werden sollen. Aktuell steigen die Inzidenzen bei den Jüngsten ungebremst, immer mehr Kinder kommen in Quarantäne, Gruppen und ganze Kitas müssen schließen. 

Es wäre so einfach gewesen: Zusammen mit der Einführung der Lolli-Pool-Tests an den Grundschulen zu Schuljahresbeginn auch die Kitas mit einbeziehen. Mit verpflichtenden PCR-Pooltests zwei Mal die Woche würden Infektionen frühzeitig und sicher erkannt, negativ getestete Kinder könnten weiter in die Kita gehen. 

Ein Beispiel zum Unterschied zwischen selbst durchgeführten Schnelltests und zwei wöchentlichen PCR-Pool-Testungen. Pooltests kenne wir gut, denn unsere Kitas nahm an der Studie der Uni Würzburg teil (Wü-Kita-Cov). Im Rahmen der Studie wurden wir alle wöchentlich zweimal mit PCR-Pooltests getestet.

Unser Ablauf beim Lichterfest:

Geplanter Beginn 16:30 Uhr

Jede*r musste eine Selbstauskunft vorlegen oder sich vor Ort in der Kita schnelltesten. Für die Nichtgeimpften ab Schulalter musste der Test in der Kita unter Aufsicht erfolgen.

Um 16:45 Uhr

Ein positiver Schnelltest. Die Familie isolierte sich sofort und verließ das Kita-Gelände. Nachdem alle anderen Tests negativ waren, entschieden wir (Vorstand, Hygienebeauftragter, Kita-Leitung), das Lichterfest durchzuführen, aber alle Anwesenden über den Positivfall zu unterrichten. Das Hygienekonzept wurde verschärft, indem während der ganzen Veranstaltung durchgängig eine Maskenpflicht vorgeschrieben wurde. Alle Familien blieben und es gab für die Kids ein schönes Lichterfest.

17:36 Uhr

Meldung ans Gesundheitsamt (inkl. der ganzen Kontaktadressen der Kinder und der Info, dass unser Personal zu 100% doppelt geimpft ist). Parallel dazu wurde bei dem Kind ein professioneller Abstrich gemacht und dieser in die Virologie gefahren, damit wir am Abend noch ein Ergebnis bekommen. 

18:01 Uhr

Information an das Jugendamt über den positiven Schnelltest und darüber, dass wir den Eltern nahelegen, morgen nicht in die Kita zu kommen, auch wenn noch keine Info vom Gesundheitsamt vorliegt.

18:23 Uhr

Info ans Gesundheitsamt, dass das PCR-Ergebnis noch am Abend kommen wird und wir sie dann informieren. Parallel Info an alle Eltern über die Lage.

19:15 Uhr

Anruf einer Mitarbeiterin des GA bei der betroffenen Familie, dass sie nun eine Woche in Quarantäne sind. Zudem hat sie ein großes Lob ausgesprochen, dass die Kita-Leitung bereits korrekt und so zügig agiert hat!

21:48 Uhr

Anruf, dass der PCR-Test negativ ausgefallen ist, somit ein falsch positiver Schnelltest (2x!) vorlag. Danach dann E-mail an alle Eltern, das Jugendamt und das Gesundheitsamt.

8:47 Uhr, kommender Tag

Anruf vom Gesundheitsamt in der Kita, dass sie in Richtung Quarantäne für die Kita-Kinder erst tätig werden, wenn ein positiver PCR-Test vorliegt. Die Info, dass der PCR-Test negativ war/ist, war noch nicht bis zur Mitarbeiterin durchgedrungen.

Und wie wäre es gewesen, wenn wir die PCR-Pooltests schon in Anwendung hätten?

Montag und Mittwoch

PCR-Pooltests alle Kinder

Lichterfest um 16:30 Uhr

Keine Tests derer, die im Pool sind (das waren während der Studie 100% des Personals und 95% der Kinder). Ungestört, ungestresst und ohne dieses hin und her und dann doch wieder nicht.

Sicherheit in den Kitas und Vermeidung unnötiger Arbeit und Aufregung gibt es nur durch die PCR-Pool-Tests ...

Söder verspricht, aber Landkreise und Städte liefern nicht

Nun verspricht Söder Ende November, dass die PCR-Pooltests auch in Kitas eingeführt werden. Endlich ein Einsehen, viel zu spät - und wann geht es los? In vielen Kommunen läuft der durch die Landkreise und kreisfreien Städte organisierte Pool-Test noch immer nicht. Fehlende Laborkapazitäten verzögern die Umsetzung in Stadt und Landkreis Würzburg. In Schweinfurt und dem Landkreis Kitzingen weigern sich die Entscheidungsträger*innen bisher, den Kitas die Pool-Tests zu ermöglichen.

Monate der ungenutzten Chancen, hunderte infizierte Kinder, frustrierte Eltern, Kita-Personal und -Leitungen ...

Christian Gündling, Kita-Leitung

Zum Hintergrund:

Probenentnahmen per Wattestäbchen, an denen gelutscht wird („Lolli-Tests“), sind kindgerechte Verfahren, wie mehrere Studien belegen. Die Proben können mittels der PCR-Diagnostik sehr sicher auf Vorhandensein des Virus geprüft werden, wodurch zwei Tests die Woche reichen, um relativ zuverlässig Infektionen zu finden. Werden die Proben mit einem Antigentest (Schnelltest) geprüft, kommt es auch zu falsch negativen Ergebnissen. Daher muss dieser Test häufiger durchgeführt werden, um keine positiven Fälle zu übersehen.

Bei Pool-Verfahren werden die Proben einer Gruppe (eines „Pools“) zusammengegeben („gepoolt“) und pro Pool nur ein PCR-Test gemacht. Nur wenn dieser positiv ist, müssen alle Einzelproben („Rückstellproben“) geprüft werden. Das Verfahren ist günstig und effizient, aber logistisch herausfordernd.

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Schreiben einer Kita-Leitung an Ministerpräsident Söder

Wir dokumentieren den uns vorliegenden Brief einer Kita-Leitung vom 22.11.2021 an Ministerpräsident Söder in unveränderter Form. Die Verfasser*in möchte anonym bleiben, ist aber der Redaktion bekannt.

 

Schluss mit lustig

Warum ich vor 30 Jahren den Beruf der Erzieherin gelernt habe? Weil ich Freude daran habe, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten und gerne mit Menschen zusammen bin. Es hat mich sogar nicht abgeschreckt, dass ich immer weniger Geld verdienen werde, als ich es eigentlich verdient hätte. Selbst als mir die Stelle einer Kindergartenleitung angeboten wurde, habe ich gerne zugesagt, auch wenn das noch weniger Freizeit und noch mehr Verantwortung bedeutet. Ich habe es wirklich gerne gemacht. Selbst als die Bürokratie immer mehr zunahm, die Ansprüche von Eltern immer größer wurden oder der Fachkräftemangel immer spürbarer wurde – Ich habe die Stellung gehalten.

Und dann kam Corona. Ok, ich habe eine Weile benötigt, um zu kapieren, dass Corona uns lange oder meinetwegen für immer begleiten wird. Das war eine schmerzhafte Erkenntnis. Aber selbst mit diesem Wissen habe ich noch nicht die Flinte ins Korn geschmissen. Aber was jetzt gerade passiert, macht es mir unmöglich, weiterhin gute Arbeit zu leisten, geschweige denn optimistisch und fröhlich mein Team zu führen, den Eltern und Kindern Sicherheit zu bieten und dabei noch freundlich zu bleiben. Meine Abrechnung mit all denjenigen, die mir meinen Traumberuf kaputt gemacht haben:

Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales

Hier eine der Veröffentlichung vom 19.11.2021 aus der Süddeutschen:

„Schule/Kita: In ganz Bayern bleiben Schulen und Kitas geöffnet, Schulen im normalen Präsenzunterricht. Allerdings muss nun auch im Sportunterricht wieder eine Maske getragen werden. In Kitas soll es nun flächendeckend PCR-Pooltests geben, und auch an Mittelschulen (insbesondere in der 5. und 6. Klasse) sollen sie angeboten werden. Ansonsten bleibt es beim bisherigen System mit den Schnelltests. Neu ist: An Grund- und Förderschulen, an denen es schon PCR-Pooltests gibt, sollen künftig immer montagvormittags zusätzlich Schnelltests hinzukommen, weil die PCR-Testergebnisse immer erst abends vorliegen.“

Diese Idee, Herr Söder, finde ich Klasse! Ich bin schon seit vier Wochen auf der Suche nach einem Labor, das die Pool-Tests von unserem Kindergarten auswertet. Ich habe 6 Labore angefragt und 5 Absagen bekommen. Ein Labor hat zugesagt, kann aber die Tests nicht zu dem Preis anbieten, den sie bezahlen würden. Es wird etwas mehr kosten. Das Staatsministerium würde diese Kosten aber nicht bezahlen. Kurzum: Die Kindergärten sollen Pool-Tests anbieten, aber die Labore haben die Kapazitäten nicht – und wenn doch, dann ist es eine Frage des Geldes. Im Grunde genommen hätten Sie genauso gut: Bla Bla Bla sagen können – hätte den gleichen Effekt gehabt, nämlich gar keinen.

Das Gesundheitsamt

Vorneweg muss ich sagen: Mit wem auch immer ich vom Gesundheitsamt telefoniere: Jeder ist sehr nett mit mir! Nichtsdestotrotz ist die Vorgehensweise bei Corona-Verdachtsfällen äußerst fragwürdig und wird in meinen Augen niemals zur Eindämmung der Pandemie behilflich sein! Diese Erfahrung mache ich nun schon seit über einem Jahr!

Kleines Beispiel gefällig? Eine Mutter hat zwei Kinder in unserem Kindergarten, jedes Kind in einer anderen Gruppe. Die Mutter und die beiden Kinder haben jeweils einen positiven Schnelltest gemacht. Alle drei haben Symptome. Was fragt das Gesundheitsamt ab? Wann waren die Kinder das letzte Mal im Kindergarten und hatten sie am letzten Tag bereits Symptome. Das eine Kind: Ja, es hatte am letzten Tag Symptome. Also geht die ganze Kindergartengruppe in Quarantäne. Aber nicht jetzt schon, sondern erst wenn das PCR-Ergebnis vorliegt. Solange passiert erst mal nichts. Der freundliche Mann vom Gesundheitsamt rät mir aber: „Sie können den Eltern ja Quarantäne anraten, das ist dann eine freiwillige Quarantäne. Außer die Erzieher, die geimpft sind, die dürfen sofort weiterarbeiten. Die positiv getestete Mutter ist übrigens auch geimpft! Das andere Kind hatte die Symptome erst drei Tage nach dem letzten Besuch im Kindergarten: diese Kindergartengruppe geht nicht in Quarantäne. Weder die Kinder noch die Erzieher. Ich bin dann diejenige, die gemeinsam mit unserem Kindergarten-Träger entscheidet, welche Maßnahmen wir für richtig halten. Wir halten es für richtig, dass beide Kindergartengruppen erst mal geschlossen sind. Auch das geimpfte Personal soll sich testen lassen. Die allermeisten Eltern verstehen diese Vorsichtsmaßnahmen und gehen den Weg zwar verärgert, aber dennoch verständnisvoll mit. Ein Teil der Eltern bekommt Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber, da es keine offizielle Quarantäne Anordnung gibt. Also schreibe ich eine Bestätigung, dass die Kindergartengruppe aufgrund eines Verdachtsfalls geschlossen ist. Nicht jeder Arbeitgeber akzeptiert so einen Brief von einer Kita-Leitung. Ist nicht offiziell genug.

Mein liebes, ungeimpftes Personal soll zum PCR-Test gehen, weil sie engen Kontakt zu dem Kind mit den Symptomen und dem positiven Schnelltest hatten. Dort werden sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt. Denn: Sie haben nicht das richtige Formular dabei, das bestätigt, dass sie auch tatsächlich in einem Kindergarten arbeiten. Das Formular von unserem Träger ist nicht offiziell genug! Bei Kindern ist das zum Glück anders, ihnen sieht man an, dass es Kindergartenkinder sind, die brauchen kein offizielles Dokument. Vielleicht hätten die Erzieher mit Birkenstock und Kaffeetasse zum Testzentrum gehen sollen.

(Nachtrag ein Tag später, am 23.11.21: Dass die Entscheidung des GA, die eine Gruppe gar nicht zu testen bzw. nicht in Quarantäne zu schicken, falsch war, wird heute deutlich: eine der Erzieherinnen hat nun ebenfalls einen positiven Schnelltest und Symptome. Es ist NICHT sinnvoll, lediglich zwei Tage von Test- bzw. Symptombeginn rückwärts zu rechnen!!!)

Eltern

Ich mag Eltern, die sich um ihre Kinder sorgen. Ich finde es gut, wenn Eltern immer das Wohl ihres Kindes im Auge behalten. Aber ich habe keine Lust mehr auf Eltern, die sagen: „Wenn es die Test-Pflicht für Kindergartenkinder gibt, bringe ich mein Kind nicht mehr in die Kita. Das ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit meines Kindes!„ Wie oft habe ich gute Miene zum bösen Spiel gemacht und geantwortet: „Aber das ist doch nicht schlimm –so ein Lolli-Test tut doch nicht weh! Aah.. es geht dir ums Prinzip? Ich verstehe – na dann warten wir mal ab, vielleicht wird es ja gar keine Testpflicht geben....“.

Insgeheim habe ich aber immer gehofft, dass es nun endlich verpflichtend wird, die Kinder zu testen. Genauso wie es auch für Schulkinder verpflichtend ist. Wer also sein Kind nicht mehr in die Kita bringen möchte, wenn es eine Test-Pflicht gibt: Gut, dann lass es! Dann betreue Dein Kind zuhause oder sonst wo – aber schicke es nicht in eine Gemeinschaftseinrichtung, in der es jede Menge andere kleine und große Menschen gibt, die gerne gesund bleiben möchten.

Erzieher

Natürlich darf in Deutschland jeder Bürger über seinen eigenen Körper entscheiden. Und natürlich bin ich als Erzieherin und Kindergartenleitung mit jeder Menge Toleranz ausgestattet, sonst hätte ich schon vor 20 Jahren gekündigt. Aber jetzt ist Schluss! Auch meine Toleranzbereitschaft ist begrenzt und diese Grenze zu akzeptieren, ist eine sehr neue Erfahrung für mich! Ich habe keine Lust mehr meine Mitarbeiter anzulügen und so zu tun, als ob ich ihre Argumente gegen das Impfen akzeptiere. Nein! Ich akzeptiere es nicht mehr! Ich kann nicht weiter sagen: „Natürlich hast Du das Recht über Deinen Körper selbst zu entscheiden! Das hat ja auch gar nichts mit deiner guten Arbeit am Kind zu tun!“.

Ich versuche jetzt seit zig Monaten alle bei Laune zu halten! Jetzt will ich das nicht mehr tun! Meine Energie für alle „Impf-Gegner“ ist aufgebraucht! Ich wünsche mir die Impfpflicht für alle Mitarbeiter in Kitas und Schulen! Schließlich haben wir auch jede Menge Mitarbeiter, die geimpft sind, und genauso das Recht auf die größtmögliche Sicherheit am Arbeitsplatz haben!

Ich habe schon Sätze gehört wie: „Wenn es die Impfpflicht für Erzieher gibt, dann kündige ich.“ Und ich habe gelogen und gesagt: „Ach Quatsch, soweit kommt es nicht! Du wirst sehen, wir kriegen die Pandemie auch ohne Impfpflicht in den Griff!“ NEIN! Kriegen wir nicht! Und ich will nur noch mit Menschen Zusammensein, die geimpft sind! Auch auf der Arbeit! Und: Ja, wer dann lieber kündigt, bevor er sich den Pieks holt, der darf das gerne tun. Ich halte niemanden fest!

Danke an alle, die mir die Freude an meiner Arbeit so versaut haben. Ich finde es schlimm, wenn ich Angela Merkel im Fernsehen sehe, wie sie in die Kamera fleht: Bitte lasst Euch alle impfen! Ich finde es schlimm, wenn ich Pflegekräfte von Intensivstationen sehe, wie sie weit über ihre Grenzen hinaus arbeiten und versuchen Leben zu retten, während Ihr wie die kleinen Kinder auf den Boden stampft und bockig schreit: „Aber ich will mich nicht impfen lassen! Ich lasse mich nicht zwingen!“

Eine weise Frau, die uns Kita-Leitungen schon seit vielen Jahren mit Rat und Tat zur Seite steht, sagte mir neulich: Frau X, lösen Sie sich von all diesen Menschen, die Ihnen so unendlich viele Nerven kosten. Sie werden sehen, es gibt auch genug andere Menschen, mit denen Sie wieder fröhlich sein können. So wird es sein! Ich muss nur warten, bis sie kommen. Und der deutschen Bürokratie und Lahmarschigkeit muss ich noch ein bisschen weiter meine Stirn bieten und mich in Geduld üben – da kann ich nicht so viel ausrichten, außer Herrn Söder mal einen Brief schreiben, dass seine Versprechen zwar gut gemeint, aber so einfach nicht umsetzbar sind.